Sie ist alt, wiegt stattliche 18 Tonnen und nimmt in der Werkstatt viel Platz weg. Beim Hochfahren ächzt sie. Doch Harald Rehm liebt dieses Geräusch seiner Schlagschere – einer Schneidemaschine für Stahlbleche. Sie begleitet ihn fast sein gesamtes Berufsleben. Und sie verkörpert wie kein anderes Stück die Idee seiner Produktion von Herdplatten aus Stahl.
Der Hebel ist betätigt; das blaue Schwungzahnrad läuft an. 1,5 Meter ist es im Durchmesser und es rattert umso mehr, je schneller es wird. Es klingt, als ob eine U-Bahn anfährt.
Das Rad treibt eine Welle an, 30 Zentimeter dick und vor Schmiere ganz schwarz. Sie dreht sich nur, wenn sie per Fußschaltung eingerastet wird.
Ein Arbeiter legt ein 15 Millimeter dickes Stahlblech ein. Dann geht alles ganz flott. Nach dem Einrasten per Fuß schnellt hinter einem Sicherheitsgitter ein Messer hervor, teilt das Werkstück entzwei. Sauber, präzise. Die Kanten glänzen. Die Maschine könnte bis zu 18 Millimeter dicken Stahl mühelos schneiden.
Harald Rehm liebt das Ungetüm – weil es so robust und unkompliziert ist. Der Wartungsaufwand ist gering; Reparaturen fallen so gut wie nie an. Nur ab und zu müssen die Messer geschärft werden.
Auf diese Weise hat die Schneidemaschine fast acht Jahrzehnte überstanden. Auf einem Schild an der Front sind Baujahr und -ort vermerkt: 1934, Wien.
Eigentlich war die Maschine gebaut worden, um Stahlbleche für Dampflokomotiven zuzuschneiden. Diese Aufgabe erfüllte sie bis nach dem Krieg zuverlässig – in Altengronau.
1954 holte sie Willi Reinhard samt seiner Firma Lindpointner nach Bad Brückenau. Sitz war in der Kissinger Straße, dort, wo heute der Aldi-Markt steht. Schon damals stellte die Firma Herdplatten aus Stahl her – mit der Stahlschneidemaschine. Der Name: Sonnenglut.
Harald Rehm fing 1980 als technischer Leiter bei Lindpointner an. Als der Betrieb vor 15 Jahren den Besitzer wechselte und schließlich aufgegeben wurde, handelte er. Der heute 60-Jährige kaufte die Herdplattenproduktion – und natürlich die Maschine.
In der früheren Werkstatt der Überlandwerke Unterfranken in der Kissinger Straße 50 stellte er sie wieder auf, baute weiter Herdplatten aus Stahl. Meist sind es Einzelstücke und Spezialanfertigungen für den privaten Bereich, aber auch für Großküchen.
Aufträge kommen aus ganz Deutschland, aber auch aus Südtirol. Dort gibt es noch mehr Herdfabriken und mehr Kunden. Wie zum Beispiel ländliche Gasthäuser in der Alpenregion.
Ein prominenter Kunde war vor Jahren Fernsehkoch Horst Lichter. Der fand lange keine Herdplatte für seine Nostalgieküche, die den Belastungen standhielt, denen er sie aussetzte. Bis er Harald Rehm traf: „Lichter ist mit meiner Anfertigung vollauf zufrieden. Er hat mich sogar zum Essen eingeladen. Ich bin aber nie hingefahren, weil es zu weit ist.“
In Deutschland gibt es neben Harald Rehms Werkstatt nur noch eine in Niederbayern, die auch Stahlherdplatten herstellt.
Obwohl Elektroherde heute Standard sind: Rehm sagt, dass Herdplatten aus Stahl wieder im Kommen sind: „Man kann darauf wesentlich schöner kochen. Und als Raumheizung taugen sie auch.“
Klar könnte der gelernte Schlosser seinen Maschinenpark modernisieren. Aber aus welchem Grund?
Das würde einige Hunderttausend Euro kosten. Außerdem sind die meisten Maschinen für ihren Zweck eigenhändig gefertigt. Echte Einzelstücke, wie die Herdplatten, die mit ihnen gemacht werden.
Und die Stahlschneidemaschine verrichtet ihre Arbeit weiter zuverlässig und präzise. So wie sie es über Jahrzehnte getan hat.
Ihr stolzer Besitzer gibt ihr noch 20 Jahre. Mindestens. „Auch mein Nachfolger wird sie noch brauchen.“
Und falls einer kommt, der sie als „altes Ungetüm“ bezeichnet; Harald Rehm wird die Schneidemaschine immer verteidigen: „Die Bezeichnung ist doch Blödsinn. Sie erfüllt voll und ganz ihren Zweck.“
Der Schalthebel ist betätigt, das Zahnrad verliert an Schwung. Nicht abrupt, sondern allmählich. Nach zwei Minuten steht es still. Vorerst.