Die Täter waren zu hundert Prozent aus dem Bekannten- oder Verwandtenkreis - das erschreckte die Schülerinnen der zehnten Klasse Realschule am meisten. Sie haben sich am letzten Schultag vor den Ferien mit der Frage auseinandergesetzt: "Wie schütze ich mich vor Sexual- und Gewalttätern?"
Das Neue dabei: Experten der Kripo Schweinfurt sind ins Schulzentrum gekommen, um den jungen Frauen Strategien zur Selbstverteidigung zu erläutern. In der Sporthalle gab es zudem praktische Tipps, wie sich die jungen Frauen am besten gegen Angreifer wehren.
"Ihr kennt sicher diese aggressiven Blicke, die euch ausziehen", sagte Birgit Ehehalt, seit zehn Jahren Sachbearbeiterin in der "Sitte". Schon ab diesem Punkt spreche man von einem sexuellen Übergriff, führte sie den Schülerinnen klar vor Augen. Glotzen, Sprüche, Grapschen: "All das verletzt euch in eurer Persönlichkeit, verunsichert, verängstigt."
Erst recht gilt das für sexuelle Nötigung und Vergewaltigung. So weit muss es aber nicht kommen, so Ehehalt: "Vermeidet Situationen, die gefährlich werden können." Ihr Rat: sich nicht ausgerechnet von dem aufdringlichen Verehrer nach Hause bringen lassen, sich mit dem aggressiven Ex nicht unbedingt zu Hause zum Aussprechen treffen, sondern: "Die Öffentlichkeit suchen."
Doch auch unter den Augen der Öffentlichkeit sind die jungen Frauen vor Übergriffen nicht gefeit. Einige Schülerinnen berichten im Gespräch mit der Polizistin von solchen Situationen. "Ihr müsst deutlich machen, dass Ihr das nicht wollt", sagt Ehehalt immer wieder. Und ihr Kollege Georg Vollmuth von der kriminalpolizeilichen Beratungsstelle geht sogar noch einen Schritt weiter: "Notfalls fängt derjenige eine von Euch!"
Zwar zeigte er den Schülerinnen auch die technischen Hilfsmittel zur Selbstverteidigung - dazu zählen CS-Gas, Pfefferspray, Kleinalarmgeräte, Elektroschocker und Mini-Stinkbomben am BH. Doch er machte den jungen Frauen klar: "Die beste Waffe seid Ihr selbst."
Wie diese "Notwehr-Waffe" effektiv einzusetzen ist, das zeigte er zusammen mit Harald Dütsch, der als Personenschützer schon die Familie von Franz-Josef Strauß zu schützen hatte, in der Sporthalle. Anders als früher gehe man heute nämlich davon aus, dass Gegenwehr hilft, und zwar in "70 bis 80 Prozent der Fälle".
Dabei gehe es anders als beim Kampfsport nicht darum, sich einen schönen Zweikampf zu liefern, sondern um den Angreifer abzuwehren und abzuhauen. Das Wichtigste ist dennoch der Kopf, so Dütsch: "Ihr müsst bereit sein, den Schalter umzulegen und ab einer gewissen Grenze zu sagen: Jetzt werd' ich zur Furie."
Dass sie sehr wohl Energien freisetzen können, zeigten die jungen Frauen schon bei den ersten Tritt-Übungen. Da brachten sie die beiden Trainer ganz schön ins Schwitzen, getreu deren Motto: "Sich Wohlfühlen beim Zuschlagen."
Die Übungen will die Sportlehrerin Elke Hauswald ab sofort fest in ihren Unterricht - am besten beim Aufwärmen - einbauen. Sie hält die Prävention für unglaublich wichtig: "Die Mädchen sind in dem Alter, dass ihnen etwas zustoßen kann", sagt sie. "Und ich möchte mich nicht in dem Moment wiederfinden, wo Gravierendes schon passiert ist."
Das war auch der Auslöser für die Lehrerin, so ein Projekt mit Unterstützung des Brückenauer Polizei-Chefs Eduard Heyne an der Realschule anzuleiern. Das könnte Schule machen, sagte Karl-Heinz Knöchel, Leiter der Kripo Schweinfurt. Ist es doch der erste Versuch dieser Art in ganz Unterfranken. Und die erste Resonanz lässt vermuten: Es wird nicht der letzte sein.