Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Bad Kissingen
Icon Pfeil nach unten
Bad Brückenau
Icon Pfeil nach unten

Schlange-Stehen für Notrationen

Bad Brückenau

Schlange-Stehen für Notrationen

    • |
    • |

    Kaum öffnet Jutta Leidenberger die Tür, geht das Geschiebe und Gedränge los. Jeden Mittwoch ab 16  Uhr ist die Lebensmittelausgabe des Brückenauer Vereins "Die Tafel" am Kirchplatz. Bis zur Öffnung hat sich auf dem Platz vor der Kirche eine Schlange von gut 70 Menschen gebildet. Alte und Junge, Männer und Frauen, Mütter mit Kindern.

    "Früher war das Gedränge richtig schlimm", sagt Leidenberger. Manche Kunden hätten drei Stunden oder noch länger gewartet. Wer eine Stunde vor der Öffnung kam, für den blieb nur noch ein Platz am hinteren Ende der Schlange. Inzwischen werden zehn Minuten vor der Öffnung Nummern verlost, die über den Platz in der Schlange entscheiden. Wer danach kommt, muss sich hinten anstellen. Mit der Verlosung haben die Ehrenamtlichen das Gedränge, Geschiebe und manchmal auch den Streit um den Platz in der Schlange entschärft.

    Die Tafel existiert in Bad Brückenau - wie auch in Hammelburg - erst seit vergangenem Jahr. Doch der Bedarf ist so groß, dass sich bereits bei der ersten Öffnung rund 40 Menschen in dem kleinen Raum drängten. Für 1,50 Euro bekommen sie eine Tüte mit vorsortierten Nahrungsmitteln. Brot, Brötchen, süße Stückchen vom Vortag - eben das, was Bäcker aussortiert haben. Manchmal noch ein Stück Butter, ein bisschen Wurst, Käse, Joghurt, fast immer sind Süßigkeiten dabei. Auch die sind aussortiert, meistens, weil das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. So gibt's im Februar zum Beispiel Weihnachtsmänner. Insgesamt reicht so eine Tüte keine Woche, vielleicht einen, vielleicht zwei Tage. Sie ist bestenfalls eine Notration, keine Vollversorgung der Bedürftigen.

    Aus den ursprünglich vierzig Bedürftigen sind nach Zählung des Tafel-Vereins inzwischen mehr als hundert geworden. "Gezählt wird dabei aber immer nur das Familienoberhaupt. Weitere Familienmitglieder bekommen keine Berechtigungskarte", so Leidenberger. Im Durchschnitt versorgt ein Tafel-Besucher drei weitere Familienangehörige mit den Essensrationen. Das heißt: Die Lebensmittel-Spenden müssen für mehr als 300 Menschen in Bad Brückenau und für rund 240 Menschen in Hammelburg reichen. Dazu kommt: Es werden jede Woche mehr.

    Das heißt auch: 300 Menschen, die mit dem Existenzminimum leben oder sogar darunter. Bei Alleinstehenden sind das rund 620 Euro. Wenn davon Miete abgeht, bleibt nicht viel übrig für Essen, Kleidung, Telefon und weitere Rechnungen. "Ich hätte nie gedacht, dass es so viele arme Menschen in der Stadt gibt, ich war erschüttert", sagt Leidenberger.

    Inzwischen wollen schon mehr Menschen das Essen bei den Ehrenamtlichen holen, als versorgt werden können. "Wir müssen gerade sehr streng sein und können nur den Allerbedürftigsten etwas geben. Wer nebenbei noch etwas zur Sozialhilfe verdient, dem können wir nichts geben, weil wir zu wenig zu verteilen haben", sagt Leidenberger.

    "Auch in Hammelburg werden es jede Woche mehr Bedürftige", sagt Winfried Benner aus Hammelburg. Er stellt auch regelmäßig in der Kirche Körbe mit Brot und Brötchen auf und schreibt dazu "Unser täglich Brot gib uns heute". Wer möchte, kann sich bedienen. "In der Dämmerung kommen die Leute dann, aus Scham, und packen ihre Plastiktüten aus. Die Körbe sind ratz-fatz leer", sagt er.

    Anfangs vor allem Aussiedlier

    In Brückenau seien in der Anfangszeit vor allem Aussiedler gekommen und hätten sich für die Lebensmittel-Tüten angestellt, so Leidenberger. Ihr Anteil ist gefallen. Inzwischen machen sie nur noch die Hälfte der Bedürftigen aus. Die andere Hälfte sind vor allem junge Familien ohne Einkommen, meistens alleinstehende Mütter. "Senioren kommen zu uns nicht", so Leidenberger. Zwar seien einige auch bedürftig, aber die Hilfe wollen sie nicht. "Wenn wir das mitbekommen, dann bieten wir auch an, dass wir es bringen, aber die lehnen meistens ab, sagen, sie hätten ihr Leben nicht von Almosen gelebt und wollen das jetzt auch nicht."

    "Die Tafel" sucht Helfer, vor allem kräftige Männer, die anpacken können, wenn Ware abgeholt oder verladen werden muss. Zudem sind dringend Nahrungsmittel-Spenden erbeten. Unternehmen oder Händ- ler, die Lebensmittel in größeren Mengen aussortieren müssen - zum Beispiel wegen überschritte- nen Haltbarkeitsdatums - können sich melden bei Jutta Leidenber- ger, Tel. (0 97 41) 25 33 und Win- fried Benner, Tel. (0 97 32) 28 25.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden