Rüdiger Julius-Bernhart hat das typische Leben eines Rennfahrers gelebt. Große Rennen, Titel, Ruhm – dann Unfälle, die ihn zum Aussteigen zwangen. Heute hat der Oberleichtersbacher immer noch Rennfahrer-Fieber. Doch auf andere Art. Überall in der Welt sucht er sich die Wagen zusammen, die er oder seine Idole einst fuhren. Doch Julius-Bernhart behält die wertvollen Stücke nicht. Er restauriert sie originalgetreu und verkauft sie an Sammler aus der ganzen Welt.
Der Wagen ist blau, für ein Auto federleicht und besteht – oberflächlich gesehen – aus einem Alu-Gerippe, einem megastarken Motor, Getriebe und aus Plastik. An diesen BMW 320iGr5 wird sich Julius-Bernhart sein ganzes Leben lang erinnern. Und zwar mit Wehmut.
Der Oberleichtersbacher kaufte den blauen Superrennwagen 2002 von einem Schweizer Geschäftsmann. Dabei war ihm bewusst, dass es sich nicht um irgendein Auto handelte.
Alte Rennwagen haben einen Stammbaum, sorgsam dokumentiert in einer Art Fahrzeugbrief. In diesem Wagenpass stehen nicht nur die technischen Daten; es ist auch vermerkt, wer den Wagen bei welchem Rennen gefahren hat. Der BMW startete zum Beispiel auf dem Nürburgring, beim Großen Preis von Deutschland im Rahmen der Formel I in Hockenheim und auf dem Norisring.
Mit dem Stammbuch zusammen können die Rennautos Preise zwischen 250 000 und 300 000 Euro erzielen. Ohne sind sie kaum etwas wert. Denn je mehr berühmte Fahrer sie bei möglichst denkwürdigen Rennen lenkten, desto begehrter –und teurer – sind sie.
Julius-Bernhart zeigt mehrere Wagenpässe historischer Rennwagen vor. Darin die Namen von Fahrern, bei denen der Kenner mit der Zunge schnalzt. Hans-Joachim Stuck ist darunter, auch der legendäre Ronny Peterson und Dieter Quester.
Selbst wenn jemand ein historisches Modell aus der Schondraer Werkstatt stehlen würde – ohne Stammbuch wäre es für Sammler wertlos. Es wäre nicht zu verkaufen.
Julius-Bernhart restaurierte den BMW, nachdem er ihn für 60 000 Euro erworben hatte, allerdings ohne Motor, Getriebe und einige Kunststoffteile. Was wichtig war: Das Rennauto musste originalgetreu wieder hergestellt werden.
Denn das ist enorm wichtig bei historischen Modellen. Es dürfen nicht irgendwelche Teile angepappt werden. Der Wagen muss so aussehen, wie er einst fuhr. Das gilt auch für die Werbeaufkleber. Sie sind kaum erhältlich, weil manche Marke nicht mehr existiert.
Aber Julius-Bernhart hat das Wissen und die Kontakte, sich Teile zu besorgen. Denn er stammt aus dem Rennfahrer-Milieu.
Einst fing er mit Slalom- und Bergrennen an, war Mechaniker bei seinem Vater, der das Rennfeuer in ihm entflammte. 1994 gewann er die Spezial-Tourenwagen-Trophy. 1995 fuhr er in einem werksunterstützten Team.
Ab 1999 durfte er für BMW in der deutschen Tourenwagen-Meisterschaft ran. Ein schwerer Unfall bei einem internationalen Finale in Macao (jetzt China) bremste ihn im Folgejahr aus. Dann war er noch ein Jahr Teamleiter. Doch das war nichts für ihn.
Etwa 2003 begann Julius-Bernharts Interesse für historische Rennwagen in Begeisterung umzuschlagen. Seinen frisch restaurierten BMW 320iGr5 setzte er in historischen Rennserien ein: „Wir haben immer gewonnen, wenn das Auto ins Ziel kam.“
Doch am 18. Juni 2006 stoppte ihn erneut ein Unfall – privat auf der Autobahn. Wegen Verletzung musste er den Rennsport vorerst an den Nagel hängen. Erst 2009 entschieden er und sein Team, wieder weniger belastende Bergrennen zu machen. Da lief der Handel mit historischen Rennwagen bereits. Die meisten Teile hatte sich Julius-Bernhart schon als Werksfahrer besorgt. Er knüpfte Kontakte zum Ford-Werksteam mit Peter Zakowski (ZakSpeed), übernahm dessen altes Lager an Originalteilen.
Sie waren relativ billig. Denn als die prestigeträchtigen Rennserien ausliefen, waren die nur dafür gebauten Wagen nicht mehr viel wert. Sie wurden in alle Welt verramscht; viele landeten auf dem Schrott.
Ende der 1990er-Jahre wurden die alten Rennwagen wieder interessant. Heute nennt Julius-Bernhart sechs noch nicht restaurierte Ford-Werksautos sein Eigen. Dazu drei BMW.
Das Aus für den BMW 320iGr5 kam 2005. Ein Fabrikant aus Hessen wollte den Wagen unbedingt haben, machte ein unwiderstehliches Angebot. Julius-Bernhart sträubte sich, wankte – und ging doch auf den Handel ein.
Lange trauerte er dem blauen BMW nach – und hatte einen Einfall. Er stellte einen Nachbau her – so blau wie der Ur-BMW und federleicht. Mit der Replika gewann er die historische Bergmeisterschaft.
Den Besitzer des Originals ärgerte der Nachbau etwas. Aber Julius-Bernharts Trauer ist verflogen.