Die Mürschter Unterwelt könnte gut und gerne die Kulisse für Gruselkrimis oder Vampirfilme abgeben. In den Teilen der Stadt, in denen das Grundwasser die Anlage von Kellern nicht unmöglich gemacht hat, haben die Bewohner einst Gewölbekeller jeder Größenordnung unter ihren Häusern gebaut, die viele Jahrhunderte überdauert haben. Heute stehen sie leer, werden als Lager, als städtisches Archiv oder auch für Kunstinstallationen genutzt.
Eine Jugendgruppe aus Veen in Nordrhein-Westfalen, die zwei Wochen Ferien in Münnerstadt macht und im Dicken Turm Quartier bezogen hat, durfte mit Mitgliedern des Altstadtvereins durch die Keller streifen. Die Buben und Mädchen waren begeistert, denn „so was haben wir nicht bei uns zuhause“. Schneeweiße, mumifizierte Spinnen wurden sofort per Handy-Kamera abgelichtet und an die Lieben daheim verschickt.
Oliver und Christine Schikora sind Besitzer eines Gewölbekellers, der etwa 650 Jahre alt sein dürfte und sowohl vom Haus als auch von der Straße aus zugänglich ist. Die Wände bestehen aus Bruchsteinen mit Lehm. Die Temperatur bleibt im Sommer wie im Winter recht gleichmäßig bei 12 bis 15 Grad.
„Der Keller wird seit mindestens 50 bis 60 Jahren nicht genutzt“, berichtete Oliver Schikora. Nur ein paar Plakatständer lagern dort.
Ein Gewölbekeller von wirklich riesigen Ausmaßen ist unter dem Heimatspielhaus mehr oder weniger verborgen. Er wurde zusammen mit dem Heimatspielhaus renoviert und dient zum Beispiel für Kunstinstallationen. Roman Jonas von der Heimatspielgemeinde erzählte den Besuchern, was es mit diesem Keller auf sich hat.
Er diente einst als Lager für Kartoffeln oder Getreide und war mit Bretterwänden unterteilt, denn er gehörte mehreren Nutzern, die ein „Kellerrecht“ erworben hatten. Deshalb hat er mehrere Eingänge. Wer als Erwachsener durch den Seiteneingang direkt zum Hof hinaus oder hinein will, muss sich kräftig bücken, „denn die Menschen waren im Mittelalter 30 Zentimeter kleiner“, erfuhren die Keller-Wanderer.
Die ausgetretenen Treppenstufen sind auch im Keller des Juliusspitals ein untrügliches Zeichen für das Alter des ganzen Gebäudes. Wer da hinunter will, muss schon etwas aufpassen. „Der Keller diente noch bis 1995 als Lager für Kartoffeln und Gemüse“, erinnert sich Hans Petsch, denn hier ist es schön kühl. Alles wurde auf den Schultern die steile Treppe hinuntergetragen, „das war schon sehr mühsam“.
Der Keller der Zehntscheune ist riesengroß. „Das ist wohl der älteste Keller“, weiß Hans Petsch. Das Gewölbe stammt aus dem 11. Jahrhundert, als hier die Henneburg stand. Dieser Keller wird noch heute intensiv genutzt, wie die jungen Besucher unschwer erkennen konnten: Auf der einen Seite lagert das Stadtarchiv mit Akten, Bücher und Unterlagen. Dieser Teil ist auch ziemlich trocken, damit die wertvollen Unterlagen nicht modern. Auf der anderen Seite hat das Heimatmuseum ein Magazin und bewahrt dort unter anderem die Ausstattung einer kleinen Druckerei auf. Hier ist es feuchter – wie halt in fast allen Kellern. Dort gab es früher Jugend-Partys, erinnert sich Petsch noch gerne.
Schließlich der Keller von Peter Braun an der Ecke Kloster- und Manggasse. Das unheimliche Gewölbe aus dem 16. Jahrhundert ist eine wahre, dicht an dicht vollgestellte Schatzkammer: Vom amerikanischen Stahlhelm über vergilbte Bilder mit Rahmen bis zum Kerzenleuchter mit Patina findet sich hier alles.„Ich mach bei den Flohmärkten in Münnerstadt mit“, erklärt Braun den Kindern.
Sein Haus hat keinen Quadratmeter Garten, keine Möglichkeit, etwas abzustellen oder außerhalb zu lagern. Deshalb hat er äußerst mühsam 40 Zentimeter Kellerboden abgegraben und die Erde Eimer für Eimer herausgeschafft. Das war nötig, weil der Keller zum Stehen und Gehen nicht hoch genug war. „Der Denkmalschutz hat das aber genehmigt“, versichert Peter Braun.