Für den 56-jährigen Hobby-Vogelkundler aus Poppenlauer ist das Hören wichtiger als das Sehen. Zumindest bei seiner derzeitigen Aktion. Schwarz macht nämlich mit bei der deutschlandweiten Erfassung sämtlicher Brutvögel. Ziel ist die Herausgabe des Atlas der Brutvogelarten Deutschlands – abgekürzt: AdeBar, was gleichzeitig der poetische Name für den Storch ist. Federführend bei der umfassenden Kartierungs-Aktion sind die Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA). Avifaunisten kommt übrigens vom Lateinischen Avis für Vogel und Fauna für Tierwelt. AdeBar ist 2005 gestartet. Ziel ist eine Bestandsaufnahme, auf deren Basis die Rote Liste bedrohter Arten aktualisiert und Naturschutzmaßnahmen angeregt werden können.
126 Quadratkilometer
Karl Schwarz begann vergangenes Jahr mit dem Erfassen der Brutvögel in dem Gebiet, für das er bei AdeBar zuständig ist. Für das Projekt ist ganz Deutschland nämlich in Zuständigkeitsgebiete eingeteilt worden, die genau mit den amtlichen Messtischblättern vom Maßstab 1:25 000 übereinstimmen. Das Areal, in dem Schwarz die Brutvögel kartiert, ist 126 Quadratkilometer groß. Münnerstadt ist darauf zu sehen. Im Westen ist es von Burglauer, im Osten ziemlich genau vom Landschaftssee zwischen Poppenlauer und Maßbach begrenzt. Die Bayern nehmen es genauer als die anderen Bundesländer und haben das Messtischblatt nochmal in vier Quadranten eingeteilt. In seinem Messtischblatt-Gebiet kümmert Schwarz sich um alle vier Quadranten.
93 Brutvogelarten hat Schwarz hier mittlerweile erfasst. Bis Ende Juni dieses Jahres zählt er noch weiter. Dann dürften es knapp hundert Arten sein. Im nächsten Jahr soll der Atlas fertig werden. Die Mehrzahl der Vogelarten hat Schwarz nicht mit dem Auge, sondern mit dem Ohr registriert.
„Die meisten Vögel sieht man ja nicht – man kann sie nur hören“, sagt Schwarz, der gebürtig aus der Nähe von Freising kommt. 1979 kam der Diplom-Agraringenieur nach Unterfranken. Zunächst für ein Jahr als Referendar nach Würzburg. Ab 1980 für über 20 Jahre als Berufsschullehrer für Gartenbau ans BBZ in Münnerstadt, seit rund fünf Jahren ist er am Beruflichen Schulzentrum Alfons Goppel, Schweinfurt.
Die Liebe zur Natur hat er seit seiner Kindheit. Die erstaunliche Fähigkeit zum Erkennen von Vogelstimmen begann er im Alter von 22 Jahren zu entwickeln. Heute kann er mehrere Dutzend Vogelarten allein am Gesang erkennen. Seine Vogelstimmenwanderungen in der Region werden immer gerne angenommen.
Natürlich kenne er nicht sämtliche Vogelstimmen, sagt Schwarz. „Es kommt immer wieder die eine oder andere dazu.“
Seltene Arten immer weniger
Bei den Brutvogelarten selber sieht's insgesamt etwas anders aus: Entscheidend sei hier nicht die Anzahl der Arten an sich, sagt Schwarz, der 1983 die Münnerstädter Ortsgruppe des Bund Naturschutz aus der Taufe hob, dessen Vorsitzender er bis heute ist. Es komme immer mal wieder eine bislang nicht in der Region registrierte Art dazu. Er erinnert sich an einen Zwergstrandläufer, dessen Brutgebiet eigentlich in Nordeuropa liege.
Entscheidend sei, dass die seltenen Arten sich immer weniger sehen lassen oder ganz verschwinden. Das gelte insbesondere für solche Arten, die in Feuchtgebieten leben. So sei es in der Region etwa bei der Bekassine oder beim Kiebitz. Einen Rotmilan habe er das letzte Mal vor zehn, fünfzehn Jahren gesehen. Beim Wachtelkönig sei es ähnlich lange her.
Grund: intensive Landwirtschaft
Was die Gründe für den Rückgang seltener Vogelarten in der Region angeht, befürchtet Schwarz, „sich in die Nesseln zu setzen“. Die Gründe lägen „wohl vor allem an der intensiven Landwirtschaft“. Die Flächenzusammenlegungen durch die Flurbereinigungen und der Pestizideinsatz trügen mit dazu bei.
Der Landschaftssee sei für die Kartierung eigentlich nicht besonders ergiebig gewesen, sagt Schwarz und schaut mit dem Fernrohr hinüber zu den Reiherenten. Schwalben jagen knapp über der Wasseroberfläche Insekten. Den seltenen Eisvogel gebe es hier ebenfalls, sagt Schwarz.
Graureiher vertrieben
Es sei noch nicht lange her, da habe es hier am Landschaftssee eine richtige Kolonie von Graureihern gegeben. Schwarz deutet aufs andere Ufer. Das sei kurz nachdem gewesen, als der See vor etwa acht Jahren angelegt worden sei. Dann habe man den Autobahnzubringer zur A71 genau durch diese Graureiher-Kolonie hindurch gebaut. Das war das Ende der Reiher-Kolonie.
Immerhin: Als Schwarz jüngst am Langen Loh zwischen Thundorf und Weichtungen auf Arten-Suche ging – oft geht er früh zwischen fünf und sechs Uhr –, konnte er u. a. den seltenen Mittelspecht, den Pirol und die Hohltaube verzeichnen.
Im Blickpunkt
Kartierung bei AdeBar Kartiert werden die Brutvögel, die Revier- oder Balzverhalten zeigen. Die Zeiträume, in denen die Arten registriert werden, sind genau festgelegt. Beispielsweise: Eulen vom 1. März bis 30. Juni, Gartenrotschwänzchen vom 1. Mai bis 30. Juni, Nachtigallen vom 21. Mai bis 30. Juni. Registriert werden Pärchen. Bei Arten, die als selten oder häufig gelten, ist die Ermittlung der Anzahl brütender Pärchen nicht nötig. Nur bei mittelhäufigen Arten wird die Anzahl geschätzt.