Wer öfters am Pflegeheim Römershag vorbeikommt, der wird sich schon einmal über die Brücke über die Sinn gewundert haben, die hinter dem Pflegeheim verläuft. Denn diese Brücke ist quasi eine Brücke ins Nichts. Eine Brücke, die nicht benutzt wird, die in einem Feldweg endet, der schließlich zum Bahndamm führt, bei dem man angesichts des vielen Unkrauts die Gleise der Sinntalbahn nur erahnen kann. Wenn man an den zugewucherten Gleisen steht, fragt man sich, ob jemals wieder eine Eisenbahn fährt.
Wenn es nach Jürgen Lieb geht, schon. Der Eisenbahn-Fan seit Kindesbeinen engagiert sich seit einigen Jahren als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Sinntalbahn für den Erhalt der 32 Kilometer langen Strecke von Jossa nach Wildflecken, auf der schon lange keine Personenzüge und seit vergangenem Jahr auch keine Güterzüge mehr fahren. "Die Strecke ist verwahrlost, es fährt ja niemand darauf", so Lieb und fügt an: "Aber die Strecke ist betriebsfähig, sie ist nicht stillgelegt und sie wird erhalten." Es gebe auch eine Rechtsgrundlage, dass die Deutsche Bahn AG die Dammbrüche bei Römershag reparieren müsse. Und die Befahrbarmachung der Gleise sei in kurzer Zeit zu bewerkstelligen.
Dass Zeit aber in Zusammenhang mit der Deutschen Bahn AG ein relativer Begriff ist, zeigten Liebs Ausführungen. Er erzählte von Paragraphen, Ausschreibungen, Gesetzen und Sachbearbeitern, deren Auskunftsfreude nur von russischen Geheimdienstmitarbeitern übertroffen wird. Eines scheint aber nach langem Hin und Her klar zu sein: Die Deutsche Regionaleisenbahn (DRE) aus Berlin hat Interesse, die Sinntalbahn wie 30 andere von der DB AG zur Stillegung vorgesehene Strecken in Deutschland zu übernehmen. Allerdings müsste die DRE erst jemanden finden, der auf der Strecke auch fährt.
Laut Lieb läuft zur Zeit eine neue Ausschreibung und laut seinen Informationen gibt es unterschriftsreife Verträge. Entschließt sich die DRE, die Strecke zu übernehmen, dann wird sie nicht von der Bahn stillgelegt. Sagt die DRE Nein, dann leitet die Bahn ein Stilllegungsverfahren ein. Wahrscheinlich wird aber erst Ende des Jahres Klarheit herrschen, so Lieb. Er würde sich wünschen, dass der Stadtrat eine Anfrage an die DRE richtet, nach welchem Konzept später auf der Strecke wieder Züge fahren sollen. Denn ob Züge fahren, hängt von der Wirtschaftlichkeit ab. Güterverkehr ist angesichts der Umstellung auf Transport per Lkw beim Papierhülsenhersteller Paul und Co. in Oberwildflecken sowie dem Teilabzug der Bundeswehr eher mau. Auch mit dem Holzverkehr dürfte nicht viel Geld zu verdienen sein.
So bleibt nur der Personenverkehr. Der Transport von Schülern mit einer Haltestelle am Schulzentrum wäre lukrativ. Außerdem könnte sich Lieb vorstellen, dass es eine Chance gibt, einen Zug von Gemünden über Jossa nach Bad Brückenau und zurück fahren zu lassen.
Zur Zeit fährt die Bahn von Gemünden nach Jossa, steht dort eine Stunde und fährt wieder zurück. In dieser Zeit käme man auch nach Bad Brückenau und wieder zurück. Technisch also kein Problem, ob es wirtschaftlich ist, muss man abwarten. Zumal man nicht bis Wildflecken fahren kann, da man nicht rechtzeitig nach Jossa kommt.
Als reizvolle touristische Alternative sehen Dr. Ingo Walcher und Achim Hagenkötter die Fahrraddraisine. Hagenkötter erzählte von Strecken in Niedersachsen, wo Draisinen sogar im Wechsel mit bestehenden Bahnen fahren. "Es ist eine reizvolle Alternative, denn es wäre was los, wenn man es gut vermarktet", so Walcher. Hagenkötter erzählte, dass auf einer Strecke im Weserbergland bis zu 80 Draisinen fahren, die von 20 000 Menschen pro Jahr gebucht werden. In der Region könnte man sich erst einmal bis zu zehn Draisinen leihen und schauen, wie die Resonanz ausfällt. Allerdings vermutet Jürgen Lieb, dass ein Draisinenbetrieb nur bei einer stillgelegten Strecke möglich wäre.