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WILDFLECKEN: Wo die Puppen leben

WILDFLECKEN

Wo die Puppen leben

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    Noch ein wenig zurechtgezupft: Gisela Wirth behandelt ihre Puppen und Teddy mit großer Fürsorge.
    Noch ein wenig zurechtgezupft: Gisela Wirth behandelt ihre Puppen und Teddy mit großer Fürsorge. Foto: FotoS: Steffen Standke

    Gisela Wirth hat einen Schatz. Sie verbirgt ihn hinter einer unscheinbaren Tür in ihrer Wohnung in Wildflecken: Im früheren Kinderzimmer ihrer Tochter hat die 73-Jährige über ein Vierteljahrhundert hinweg wunderschöne Puppen gesammelt. Die ältesten sind fast 150 Jahre alt.

    Wenn Gisela Wirth von ihrer Sammlung erzählt, merkt man, dass sie ihr Herz an ihr Hobby verloren hat: „Die Puppen bedeuten für mich Leben.“

    Seit 1985 sammelt sie, nicht nur Puppen, sondern auch Teddys aus vergangenen Zeiten – mit Holzwoll-Füllung und Brummbass-Stimme: „Ich finde, die Tiere haben es nicht verdient, auf dem Sperrmüll zu landen.“

    Von dort hat sie einige ihrer Lieblinge, aber auch aus Haushaltsauflösungen und von Flohmärkten.

    So wie eine der beiden Puppenküchen. Gisela Wirth hat sie in einer Scheune in Langenleiten entdeckt: „Die Teile waren ziemlich kaputt. Da haben wohl schon die Mäuse dran genagt.“

    Liebevoll klebte die Wildfleckenerin die kleinen Stühle und Tische, ergänzte das Ensemble mit detailgetreuen Gardinen und einem Teppich. Nun glänzt die Puppenküche im Stil der 1940er- oder 1950er-Jahre – mit winzigem Blümchengeschirr und einer Schaukelente aus Holz. Den Rahmen bildet eine ausgediente bemalte Persil-Kiste.

    Oder die Schildkröt-Puppen. Die sind heute Raritäten; jede hat ihre eigene Nummer.

    Oder auch Lena, Gisela Wirths Lieblingspuppe. Die hat die 73-Jährige auf einem Flohmarkt erspäht: „Der Verkäuferin hat man angemerkt, dass sie die Puppe loswerden möchte. Sie hat sie vielen angeboten; keiner wollte sie haben.“

    Jetzt sitzt Lena vor dem Schrank im Hobby-Zimmer. Wirth hat die recht schlichte Puppe schick angezogen. Jetzt macht sie richtig etwas her. Behutsam nimmt ihre Besitzerin sie in den Arm: „Dass Du mir fürs Foto aber recht freundlich guckst.“

    So viel Liebe und Fürsorge bekommen bei der Wildfleckenerin alle Puppen. Die Teddys hat sie ganz grau und fleckig bekommen. Sie wusch sie in der Badewanne, ließ sie über der Heizung oder in der Sonne trocknen: „Das hat Monate gedauert.“ Jetzt sitzen die kuscheligen Bären neben der Puppenküche, gleich gegenüber von ein paar Porzellanpuppen.

    Gisela Wirths Schwester Helga, die in Amerika lebt, hat sie ihr geschickt. Dort waren sie eigentlich für den Müll bestimmt.

    Wirth forschte nach – und fand heraus, dass die Stücke zwischen 1855 und 1870/80 entstanden sein müssen. Zwar wurden sie wahrscheinlich in Deutschland gefertigt, aber im französischen Stil.

    Woher Gisela Wirth ihre Leidenschaft für Puppen hat, weiß sie selbst nicht. Vielleicht liegen die Wurzeln in der Kindheit: „Wir waren vier Mädchen und ein Junge; da mussten wir uns alles teilen.“

    Und so erhält sich die 73-Jährige wohl mit ihrer Sammlung ein Stück Erinnerung an das Kleinsein: „Wenn die Leute Puppen wegwerfen, werfen sie auch ihre Kindheit weg.“

    Nach und nach ist die Sammlung seit 1985 gewachsen – zunächst vor allem im Wohnzimmer, nach dem Auszug ihrer Tochter in deren Kinderzimmer.

    Zu Puppenausstellungen schleppt Wirth ihre Lieblinge nicht: das Einpacken, das Transportieren, das Auspacken. Und dann müssen Leute da sein, die aufpassen, dass nichts kaputt geht. Denn wenn sich Kinder die Schmuckstücke betrachten, dann sollen sie es von ganz Nahem tun, sagt die Sammlerin.

    Kürzlich hatten vier Mädels des Wildfleckener Kindergartens mit Erzieherin Susanne Raab das Privileg, die Sammlung aus 60 Puppen, einem Dutzend Teddybären und Stofftieren anschauen zu können. Olga, Jule, Emilie und Theresa fanden vor allem die Puppenküchen toll, durften auch mal die Puppen in den Arm nehmen und knuddeln.

    Erweitern möchte Gisela Wirth ihre schöne Sammlung eigentlich nicht mehr: „Ich gehe nicht mehr auf Flohmärkte, weil ich genau weiß, dass ich da etwas mitnehmen würde.“

    Gedanken macht sie sich allerdings, was aus ihren Lieblingen wird, wenn sie nicht mehr ist. Ihre Tochter, so sagt sie, sei eher der sportliche Typ, war nie ein „Puppenkind“: „Meine drei Kinder würden die Puppen sicher als Andenken aufheben, haben aber eigentlich nicht so das Interesse dafür.“ Vielleicht könnte sie ihre Sammlung testamentarisch einem Museum vermachen, sinnt die Wildfleckenerin laut nach.

    Momentan will sie aber ihre Lieblinge gar nicht hergeben: „Ich habe einfach das Gefühl, dass sich alle Puppen und Kuscheltieren hier in diesem Zimmer wohlfühlen“, sagt Gisela Wirth. Und das soll noch möglichst lange so bleiben.

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