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RÜGHEIM: 144 Rosen schmücken den Baum

RÜGHEIM

144 Rosen schmücken den Baum

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    Sie führen einen alten Brauch fort: Am Tag vor der Konfirmation haben die Rügheimer Präparanden mit weiteren Kindern aus der Ortschaft geschmückteFichten-Bäumchen zu den diesjährigen Konfirmanden gebracht.
    Sie führen einen alten Brauch fort: Am Tag vor der Konfirmation haben die Rügheimer Präparanden mit weiteren Kindern aus der Ortschaft geschmückteFichten-Bäumchen zu den diesjährigen Konfirmanden gebracht. Foto: Foto: Koch

    Die mit bunten Papierrosen geschmückten Bäumchen, die die Präparanden jedes Jahr in Rügheim an die Konfirmanden verteilen, sind eine alte Tradition. Wie alt sie genau ist, weiß Robert Koch auch nicht. 80 Jahre? Oder 100? Oder gar noch älter? Exakt wird das niemand mehr wissen. Das spielt für Koch auch keine Rolle. Der Rügheimer kennt jedenfalls im weiten Umkreis keine zweite Kirchengemeinde, die ein ähnliches Brauchtum pflegt.

    In diesem Jahr waren es acht junge Fichten, die die Väter der Präparanden am Donnerstag vor der Konfirmation aus dem Wald geholt haben. Die Aufgaben und der Ablauf sind bei dem Rügheimer Brauch strikt verteilt. Die Präparanden, also die Jugendlichen, die im Folgejahr Konfirmation feiern, gebührt die Hauptrolle. Ihre Eltern unterstützen sie jedoch tatkräftig und haben unterm Strich sogar die Hauptarbeit zu leisten.

    Die Vorbereitung für die Präparanden/Konfirmanden-Bäumchen begann in diesem Jahr bereits Mitte Februar, als die Eltern der Präparanden – zusammen mit weiteren Mitgliedern der Kirchengemeinde – an einem Abend exakt 1152 Papierrosen gebastelt haben. Warum genau diese Zahl? Das lässt sich leicht nachrechnen. An jedes Bäumchen werden 144 Papierrosen gehängt, die schon beim Basteln fein säuberlich in Kartons portioniert werden. Hierzu werden zwölf Farben verwendet, die an die zwölf Stämme Israels erinnern. An den Bäumen hängen dann von jeder Farbe zwölf Rosen. Zwölf mal zwölf ist 144 – eine biblische Zahl. Und wer 144 mit acht multipliziert, kommt auf besagte 1152 Rosen.

    Die Väter der Präparanden holen aus dem Wald am Donnerstag vor der Konfirmation nicht nur die Fichten-Bäumchen, sondern auch Wedel. Dazu später mehr. Zunächst einmal treten die Mütter der Präparanden auf den Plan. Sie schmücken am Samstag, dem Tag vor der Konfirmation (die in diesem Jahr am 12. April war) ab dem Morgen die Bäumchen und auch die Kirche. Wenn ein Bäumchen fertig ist, tragen die Präparanden – begleitet von Kindern aus dem Ort – das Bäumchen zum Haus eines Konfirmanden.

    Brotzeit als Dankeschön

    Als Dankeschön erhalten die Präparanden von den Konfirmanden eine Brotzeit. Und auch die Eltern, die währenddessen fleißig weiter die Bäumchen schmücken, müssen nicht hungern und dürsten – „für die gibt es auch immer etwas“, sagt Robert Koch.

    Bis spätestens 16 Uhr sollen alle Bäumchen verteilt und die Kirche muss fertig geschmückt sein. Zum Kirchenschmuck zählt auch eines der mit Rosen behangenen Bäumchen, das auf dem Läutboden, der obersten Ebene der Empore, aufgestellt wird. Auch dies gehört zum überlieferten Brauch dazu. Ebenso das Auslegen der Wedel am Morgen des Konfirmationstags. Das ist Aufgabe der Präparanden-Väter. Sie verzieren mit den Wedeln den Weg zwischen der Kirche und dem Alten Rathaus.

    Wer in Rügheim auf dem Laufenden ist, dürfte sich jetzt fragen, warum in diesem Jahr acht Bäumchen geschmückt wurden. Es gab doch nur fünf Konfirmanden. Koch kennt die Lösung: Nicht nur die evangelischen Konfirmanden aus dem Ort haben ein Bäumchen erhalten, sondern auch ein Mädchen, das katholisch ist, und in diesem Jahr Erstkommunion gefeiert hat, hat, quasi im ökumenischen Schulterschluss, ein Bäumchen bekommen. Hinzu kommt das Bäumchen für die Kirche.

    Wer mitgezählt hat, kommt aber dennoch erst auf sieben Bäumchen. Das achte Bäumchen wurde sozusagen exportiert, nach Aidhausen. Dort feiert die Tochter einer früheren Rügheimerin an diesem Sonntag Erstkommunion. Und die hat sich – in Erinnerung an die alte Tradition ihres Heimatortes – ebenfalls ein Bäumchen gewünscht. Ein Wunsch, der sich erfüllt hat.

    Auslöse

    Die Konfirmanden stellen die geschmückten Bäumchen bei sich daheim am Haus auf. Dort stehen sie noch einige Tage nach der Konfirmation – vorausgesetzt sie wurden vorher nicht geklaut.

    Denn das gehört ebenfalls zum Brauch dazu: Am Abend des Konfirmationssonntags ziehen die älteren Jugendlichen aus dem Ort durch Rügheim und lassen die Bäumchen verschwinden, wenn ihnen die Familien der Konfirmanden keine „Auslöse“ für Bäumchen ausgeben. Ein hingestellter Kasten Bier genügt normalerweise als Schutzgeld. Wessen Bäumchen bis Montag nicht wieder aufgetaucht ist, der hat es versäumt, sich mit der Dorfjugend auf guten Fuß zu stellen.

    Am Rande bemerkt: Die Präparanden haben in Rügheim nicht nur die Aufgabe, die Konfirmanden mit Bäumchen zu versorgen. Laut eines Dienstplans müssen sie während der Gottesdienste die Lied-Nummern auf der Anzeige anstecken und den Klingelbeutel herumreichen. Zum Erntedankfest schmücken sie die Kirche und basteln die Erntekrone.

    Mit Beginn des neuen Schuljahrs im Herbst zählen sie als Konfirmanden. Und spätestens dann dürfen sie sich selbst auf die schmucken Bäumchen freuen, die sie im folgenden Frühjahr von den nachfolgenden Präparanden erhalten.

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