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RECKERTSHAUSEN: Ab durch die Mitte: Mit dem Fahrrad quer durch Australien

RECKERTSHAUSEN

Ab durch die Mitte: Mit dem Fahrrad quer durch Australien

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    Irreal und fantastisch: Ein Nachtlager mitten in der riesigen Salzpfanne des Lake Hart.
    Irreal und fantastisch: Ein Nachtlager mitten in der riesigen Salzpfanne des Lake Hart. Foto: Fotos: Michael Wöhning

    Rund 4500 Kilometer in fünf Wochen. Per Fahrrad. Zieht man je zwei Tage für die An- und Abreise ab, bleiben noch knappe 31 Tage. „Eine Herausforderung, aber machbar“, sagte sich Michael Wöhning. Australien von Norden nach Süden zu durchqueren, war sein ehrgeiziger Plan.

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    Kann man allerdings unterwegs dem Ruf des Abenteuers nicht widerstehen, dann kommen dank zahlreicher Abstecher schnell mal 5600 Kilometer zusammen. Da gibt selbst der 52-jährige Extremradler aus Reckertshausen zu: „Es war viel, und stets hart an der Grenze zwischen Spaß und anstrengendem Sport.“

    Alle zwei Jahre erobert Wöhning einen anderen Kontinent mit dem Fahrrad. Er tauchte ein in die einsame Wildnis Alaskas, bezwang in Peru und Bolivien die atemberaubende Welt der Anden.

    Tief beeindruckte den Radfahrer die Gastfreundschaft in Indien, wo er die Gebirgsketten des Himalaya überwand. Nach dem Gipfelsturm des Kibo in den eisigen Höhen des Kilimandscharo-Massivs, brachte ihn die afrikanische Steppe mit sengender Hitze ins Schwitzen.

    Und nun, ab durch die Mitte Australiens. Doch anstatt den direkten Weg auf dem Stuart-Highway vom nördlichen Darwin zum südlichen Port Augusta zu nehmen, trieb es Wöhning gleich zu Beginn seiner Reise etwa 300 Kilometer nach Osten zum Kakadu-Nationalpark. Rasch war klar, warum außer ihm niemand in der herrlichen Landschaft unterwegs war. Temperaturen über 40 Grad und eine schier unerträgliche Luftfeuchtigkeit – ideal für Stechmücken und Buschfliegen.

    „Man muss mindestens 20 km/h fahren, sonst kriechen sie dir in jede Körperöffnung, egal ob Augen, Nase oder Ohren.“ Aber von wegen Abschütteln. „Sie fahren auf der Gepäcktasche mit und sobald man langsamer wird oder anhält, fallen sie wieder über einen her.“ Da hilft nur fahren, fahren, fahren und nichts wie raus aus dem klimatischen Hexenkessel.

    Zurück auf dem Stuart-Highway warteten auf den Radler knapp 3000 Kilometer Asphalt und die klare trockene Luft des australischen Outback. Benannt ist der Highway nach dem Schotten John McDouall Stuart, dem es 1862 als erstem Europäer gelang, Australien von Süden nach Norden zu durchqueren. Der seit Mitte der 1980er durchgehend asphaltierte Highway verbindet den tropischen Norden über das Red Centre Australiens mit dem gemäßigten Süden.

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    „Eigentlich waren da nur die Roadtrains und ein einsamer Radfahrer unterwegs“, scherzt Wöhning. Bis zu 54 Meter lang und 130 Tonnen schwer sind die gigantischen Lastzüge. „Zehn Minuten bevor er kam, hörte ich den Laster schon.“ Gefährlich seien die Roadtrains vor allem für Kängurus, wie die vielen toten Tiere am Straßenrand bezeugten. „Aber ab acht Uhr am Abend herrscht absolute Stille im Outback.“

    Übernachten neben der Straße – kein Problem. Gefährliche Raubtiere gibt es keine. Giftige Schlangen allerdings. „Der Mensch gehört nicht zu ihrem Beuteschema“, wiegelt Wöhning ab. „Man darf sie nur nicht reizen.“ Spinnen dagegen sind unvermeidlich. „Die muss man vor dem Schlafengehen aus dem Zelt kehren und schnell alles von innen dichtmachen.“

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    Die Entfernungen in Australien sind gewaltig. Mehrere hundert Kilometer zwischen Ortschaften sind keine Seltenheit. Dazwischen liegen Rastplätze; manche ausgestattet mit Wassertanks. Die galt es für den Radler ausgiebig zu nutzen – sich waschen, möglichst viel trinken, schon mal den Reis oder die Nudeln fürs spätere Abendessen kochen und vor allem die Trinkvorräte wieder auf sechs Liter auffüllen. „Etwa alle drei Tage erreichte ich ein Roadhouse, eine Art Raststätte.“ Zur Abwechslung stand dann ein prächtiger Hamburger auf Wöhnings Speisekarte.

    „Hunderte von Kilometern: nichts. Nur ich.“ Vor allem mental habe ihn das sehr angestrengt, beschreibt Wöhning seine Empfindungen im Outback. Die kurzen Etappenziele, wie die nächste Stadt oder Sehenswürdigkeit, fehlten. „Manchmal überlegte ich schon, wie ich auf so eine Idee kommen konnte.“ Zur Abwechslung gönnte sich Wöhning eine Dusche unter den Edith-Falls im Nitmiluk Nationalpark und genoss das warme Wasser der Thermal-Quellen im Elsey Nationalpark. Weniger angenehm, aber dennoch faszinierend waren die Flughunde, die sich lärmend zu Tausenden dort versammelt hatten. „Es regnete Kot und stank fürchterlich, aber es war sehr eindrucksvoll“, berichtet Wöhning.

    Uluru, der Ayers Rock.
    Uluru, der Ayers Rock.

    Nach weiteren 1100 Kilometern mit nichts als unendlicher Weite, schließlich Alice Springs, die einzige größere Stadt im Outback. Doch welch ein Schock: 468 Kilometer bis zum Ayers Rock verkündet ein Straßenschild. „Ich dachte, der Fels ist gleich in der Nähe der Stadt.“ Doch was hilft‘s: Tief durchatmen und schneller treten.

    Denn den Uluru, wie das Wahrzeichen Australiens von den Aborigines genannt wird, rechts liegen lassen – undenkbar. „Drei Tage später stand ich pünktlich zum Sonnenuntergang am Fuße des Uluru.“ Der 350 Meter hohe Inselberg ist ein spirituelles Heiligtum der Aborigines.

    Unverständlich ist Wöhning das Verhalten der unzähligen Touristen. „Obwohl die Aborigines auf Hinweisschildern darum bitten, ihr Heiligtum nicht zu besteigen, klettern viele trotzdem hoch.“ Nach einem gigantischen Farbenspiel während des Sonnenuntergangs leerten sich die Parkplätze für Autos und Busse rasch. Doch Wöhning wusste genau: „Heute ist Vollmond“, und blieb. Belohnt wurde er mit einem weiteren tollen Schauspiel. „Durch die glasklare Luft wurde es wieder richtig hell, als der Mond neben dem Uluru zum Vorschein kam. Einfach unbeschreiblich.“

    Übernachten in Stollen des Opalabbaus
    Übernachten in Stollen des Opalabbaus

    In Coober Pedy übernachtete der Radfahrer in einer zur Backpacker-Unterkunft umfunktionierten ehemaligen Mine. In der kleinen Ortschaft werden über 80 Prozent aller weißen Opale weltweit gefunden. Die durch den Abbau der Edelsteine entstandenen Stollen dienen den Einwohnern als unterirdische Wohnungen. „Aus den Felsen schauen überall Antennen oder Satellitenschüsseln raus“, beschreibt Wöhning den ungewöhnlichen Anblick.

    Im Herzen Australiens liegen mehrere riesige Salzpfannen, die sich nur alle paar Jahre nach massiven Regenfällen mit Wasser füllen. „Das ist mein Zeltplatz für die nächste Nacht“, war dem Abenteurer sofort klar, als er das glitzernde Weiß des Lake Hart sah. Bei Sonnenuntergang fuhr Wöhning weit hinaus auf die von der Sonne beleuchtete Fläche. „Total irre. Unwirklich. Kein Mensch weit und breit. Grenzenlose Freiheit“, versucht er das Erlebnis in Worte zu fassen.

    Von Port Augusta aus, am Ende des Stuart-Highways, hätte es eigentlich auf dem kürzesten Weg nach Melbourne gehen sollen. Doch trotz Umwegen hatte der flotte Radler ein paar Tage herausgeholt. Kurzentschlossen setzte Wöhning nach Kangaroo Island über und durchquerte die Insel bis zu den markanten Felsformationen an der Küste des Südpazifiks. Was sind schon schlappe 300 Kilometer?

    Die Insel ist seit 10 000 Jahren vom australischen Festland getrennt. Flora und Fauna konnten sich ungestört entwickeln. „Delfine, Seelöwen, Warane, Ameisenigel, Koalas und natürlich Kängurus, sogar zwei in einem Boxkampf verwickelte. Es ist dort wie in einem Zoo ohne Zaun.“ Gern wäre Wöhning hier noch länger geblieben, aber die Zeit bis zum Rückflug verrann unaufhaltsam.

    Auf der Great-Ocean-Road ging es entlang der Südküste nach Melbourne. Mit einem grandiosen Blick auf Surfer, Wellenreiter und beeindruckenden Felssäulen, verabschiedete sich der Kontinent von Michael Wöhning.

    Tierische Begegnung.
    Tierische Begegnung. Foto: Michael Wöhning

    Das Fazit des Extremradlers: „Das war von all meinen Reisen die anstrengendste.“ 200 Kilometer täglich, Spitze 270 Kilometer am Tag – das will erst mal gefahren sein. „Was man den Aborigines angetan hat, liegt wie ein Schatten über dem Land“, empfindet Wöhning. Das sei nicht wieder gut zu machen. Und dennoch: „Das Land ist absolut faszinierend. Es vereint Zivilisation und Wildnis in sich. Hier könnte ich leben.“

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