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KÖNIGSBERG: Auf Platte wie Ururoma bei ihrer Hochzeit

KÖNIGSBERG

Auf Platte wie Ururoma bei ihrer Hochzeit

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    „Fotografieren ganz ohne Strom. Das ist echte Handwerkskunst.“ Wovon die beiden Künstler Peter Kubala und Clarissa van Amseln vom „Atelier Q-nst“ in Königsberg schwärmen, ist die ursprüngliche Art der Fotografie mit der Holzkamera, bei der die Fotos direkt auf einer Glas- oder Metallplatte entwickelt werden. Beim Weihnachtsmarkt in Königsberg am Sonntag, 8. Dezember, haben Besucher erstmals die Gelegenheit, sich ab 14.00 Uhr auf die Art fotografieren zu lassen wie einst ihre Ururgroßeltern.

    „Wir haben die Anfänge der Fotografie für uns wiederentdeckt, die ganz alte Technik, die ab 1851 angewandt wurde“, erklärt Clarissa van Amseln. Damals musste der Fotograf noch eine große Holzkamera mit sich herumschleppen und verschwand zum Scharfstellen unter einem schwarzen Tuch. „Wenn wir heute so fotografieren, haben die Bilder den verzaubernden Charme des 19. Jahrhunderts und wirken wie ein Zeitspagat mit den Portraits der heutigen Menschen. Sie sind absolute Unikate und ihre authentische Ausstrahlung ist einmalig und auch nicht digital nachzuahmen.“

    Clarissa van Amseln und ihr Lebenspartner Peter Kubala haben sich mit großer Leidenschaft der alten Technik angenommen. Sie haben eine Holzkamera aus Russland aus der Zeit kurz vor 1900 angeschafft und sich in Experimenten damit vertraut gemacht, wie aus der Belichtung von Glas- oder Metallplatten schöne Bilder entstehen. Bei der Ambrotypie werden die Glasplatten zunächst gründlich gereinigt und dann beschichtet. „Die Beschichtung mit einer Mischung aus Nitrocellulose, Äther, Alkohol, Brom- und Jodsalzen und die anschließende Sensibilisierung der Schicht im Silbernitratbad erfordert großes Geschick, weil es um Milligramme bei den Zutaten und um Sekunden bei den Abläufen geht“, erläutert der Fotograf Peter Kubala. „Denn die Platte muss im feuchten Zustand, nicht zu feucht und nicht zu trocken, in einen lichtdichten Kasten eingelegt werden, der von hinten auf die Kamera aufgesetzt wird.“ Zum Belichten wird dann einfach der Objektivdeckel der Kamera abgenommen und zwischen drei und zehn Sekunden belichtet.

    Um optimale Ergebnisse zu erzielen, muss die belichtete Platte noch nass in der Dunkelkammer entwickelt werden und nach dem Fixieren eine Weile wässern, um die Haltbarkeit zu gewährleisten. „Was man dann aber nach etwa 30 Minuten in Händen hält, ist umwerfend“, sagt Clarissa van Amseln. „Es sind hauchfeine, silbern schimmernde und ätherisch anmutende Glasnegative, die durch eine optische Besonderheit zum (Schein)-Positiv werden, wenn man sie beispielsweise mit schwarzem Stoff hinterlegt.“

    Weil die porträtierte Person ein paar Sekunden stillhalten und konzentriert in die Kamera blicken muss, erhalten das Bild und vor allem der Blick der Augen eine große Intensität und Authentizität. Außerdem wirken die Bilder, die auf Dauer lichtecht sind, fast dreidimensional. Clarissa van Amseln und ihr Partner bieten auch selbst angefertigte Rahmen mit Abstandshaltern an, in denen die Glasplatte vor dem dunklen Hintergrund schwebt und ihren Zauber entfalten kann.

    Die Ferrotypie oder Tintypie ist ein ähnliches Verfahren, nur dass hierbei Metallplatten verwendet werden und das Bild seitenverkehrt erscheint. Während man bei der Ambrotypie im Edeldruckverfahren Abzüge von der Glasplatte auf Aquarellpapier als bläuliche Cyanotypie oder gelblichen Salzdruck erzeugen kann, sind Tintypes reine Unikate und ebenfalls lichtecht. Auf Wunsch werden Originale der Ambrotypie auch eingescannt und als Fine-Art-Print mit einem Spezialdrucker angeboten. Auch Tintypes können eingescannt und als digitale Datei zur Verfügung gestellt werden. Rahmen für Tintypes fertigt das Künstlerpaar zudem selbst an.

    Das „Atelier Q-nst“ bietet zunächst Porträtaufnahmen in der Ambrotypie und Tintypie an. „Wir wollen diese Technik aber auch künstlerisch weiterentwickeln“, verrät Clarissa van Amseln. Außerdem möchte Peter Kubala noch eine weitere Holzkamera bauen, mit der größere Bilder als bisher angefertigt werden können. Zurzeit sind nur Aufnahmen bis zu einer Größe von 18x24 Zentimetern möglich.

    „Wir sind, soweit uns bekannt ist, das einzige Studio-Atelier in Deutschland, wahrscheinlich sogar in Europa, das diese alte Technik professionell anbietet“, sagt Clarissa van Amseln stolz. „Das nächstgelegene Studio mit diesem Angebot ist in San Francisco!“

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