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Bamberg: Ausgrenzungen tun weh: Der Bamberger Beirat für Menschen mit Behinderung tut was dagegen – seit 20 Jahren

Bamberg

Ausgrenzungen tun weh: Der Bamberger Beirat für Menschen mit Behinderung tut was dagegen – seit 20 Jahren

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    Der Vorstand des Beirats für Menschen mit Behinderung kämpft – nicht nur am ZOB - für Barrierefreiheit, Teilhabe, Mobilität: (von links) Markus Loch, Volker Hoffmann und Claudia Ramer mit Kando.
    Der Vorstand des Beirats für Menschen mit Behinderung kämpft – nicht nur am ZOB - für Barrierefreiheit, Teilhabe, Mobilität: (von links) Markus Loch, Volker Hoffmann und Claudia Ramer mit Kando. Foto: Marion Krüger-Hundrup

    Wenn Claudia Ramer ein Taxi braucht, muss sie ihren braven Blindenführhund Kando mit anmelden. Und wartet dann in der Regel eine DreiviertelssStunde und länger, bis ihr Wunsch erfüllt wird. Vorausgesetzt, es findet sich überhaupt ein Taxifahrer, der bereit ist, den Labrador mitzunehmen.

    Dabei ist Claudia Remer – seit ihrem 30. Lebensjahr erblindet – auf den treuen Gefährten angewiesen. "Ich will nur mein Bürgerrecht und sicher von A nach B kommen, ich will nichts Außergewöhnliches", sagt sie.

    Und das erwartet die 56-Jährige natürlich nicht nur für sich: Seit Gründung des Beirats der Stadt Bamberg für Menschen mit Behinderung im Sommer 2004 – erste Vorsitzende war Jutta Sturm-Heidler (verstorben 2010) - engagiert sie sich ehrenamtlich für Barrierefreiheit, Inklusion und Teilhabe. Sie ist jetzt auch wieder stellvertretende Vorsitzende dieses Beirats.

    "Lösungen sind genug da, diese müssten in Bamberg nur umgesetzt werden", erklärt Claudia Ramer vehement. Vorsitzender Volker Hoffmann betont zwar, dass der Beirat in den vergangenen 20 Jahren einiges bewegen und umsetzen konnte. Doch die zwei vollen Jahrzehnte ist für ihn "kein Anlass zum Jubeln angesichts der langsamen Fortschritte, es geht nicht richtig voran", beklagt der 71-Jährige als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM) und damit für chronisch Kranke im Beirat. Dritter im Vorstandsbunde ist Markus Loch (57), nach einem Unfall vor 34 Jahren querschnittsgelähmt und Rollstuhlfahrer.

    "Ich will nur mein Bürgerrecht und sicher von A nach B kommen."

    Claudia Ramer, stellvertretende Vorsitzende

    Das rührige Vorstandsteam weiß nur zu gut, dass Menschen mit Behinderungen zufrieden, ja glücklich leben können. Ausgrenzungen aber tun weh: Barrieren in der Umwelt oder Mitmenschen, die auf Einschränkungen, die jeden treffen können, keine Rücksicht nehmen. Vorsitzender Hoffmann zitiert so manche, die sagen: "Ich bin nicht behindert, ich werde behindert." Sicher sei: "Ohne Barrierefreiheit ist Inklusion und Teilhabe nicht gewährleistet."

    Diese Sichtweise ist zumindest teilweise auch im Bamberger Rathaus angekommen. Dankbar äußert sich der Vorstand über das Interesse von Oberbürgermeister Andreas Starke, Zweiten Bürgermeister und Sozialreferenten Jonas Glüsenkamp und etlichen Stadträten an den Belangen behinderter Mitbürger. Auch die städtische Behindertenbeauftragte Nicole Orf verdiene für ihren hohen Einsatz ein extra Lob.

    Doch es hapere am Entgegenkommen der Bau- und Finanzreferate: "Bis jetzt sind keine Haushaltsmittel für einen barrierefreien Domplatz, der unter städtische Zuständigkeit fällt, bereit gestellt", bringt Volker Hoffmann ein markantes Beispiel und würdigt das Erzbistum Bamberg, das einen barrierefreien Zugang in den Dom und in andere Bamberger Kirchen sowie induktive Höranlagen geschaffen habe.

    Claudia Ramer hat ein weiteres negatives Beispiel parat: Nach Straßenbauarbeiten würden neue Ampeln wie etwa in der Zollnerstraße ohne Akustiksignale installiert. Oder Bushaltestellen wie am Schillerplatz seien alles andere als barrierefrei. Dabei könnten taktile Elemente wie Rillensteine Abhilfe schaffen: "Die gibt es am ZOB, aber so dicht an denn haltenden Stadtbussen, dass man sich an deren Außenspiegeln den Kopf anschlagen kann." Die blinde Frau macht klar, dass behinderte Menschen "nichts Neues verlangen, sondern nur eine Berücksichtigung bei laufenden Baumaßnahmen".

    Einen Minuspunkt vergibt Rollstuhlfahrer Loch dem Dauerthema "behindertengerechte Toiletten": "Bei Bestandbauten tut sich nichts, auch selten in Lokalen." Schlimm für ihn sei das verbreitete Kopfsteinpflaster in Bamberg: "Da werde ich im Rollstuhl richtig durchgeschüttelt."

    Froh sei er, so Markus Loch, über die "gut eingerichteten Fahrstreifen in der Sandstraße, sofern die nicht vollgestellt werden". Wie auch Behindertenparkplätze, die einfach von nicht behinderten Autofahrern belegt werden, ein Ärgernis seien.

    "Freie Arztwahl für Behinderte gibt es nicht."

    Volker Hoffmann, Vorsitzender

    Die Negativliste des Vorstands lässt sich noch erweitern um unüberwindbare Barrieren in Kultureinrichtungen wie dem Alten Rathaus mit der Sammlung Ludwig oder der Städtischen Galerie Villa Dessauer, Veranstaltungssäle mit hoher Bühne ohne Rampe. Oder Aufzüge im Bahnhof, die ausfallen oder ihnen von Radfahrern mit ihrem Drahtesel vor der Nase weggeschnappt und deshalb Züge verpasst werden. Oder Ärzte mit Praxen in oberen, nur mühselig oder gar nicht erreichbaren Stockwerken: "Freie Arztwahl für Behinderte gibt es nicht, besonders bei Kinder- und Fachärzten sieht es schwierig aus." Ebenso bei Apotheken, Geschäften: "Eine generelle Bewusstseinsbildung ist in der Gesellschaft nötig", meint Vorsitzender Hoffmann.

    Zumal allein schon die Zahlen eine deutliche Sprache sprechen und ausdrücken, dass behinderte Menschen alles andere als eine Minderheit sind – auch nicht in Bamberg. Weltweit leben etwa 15 Prozent, also eine Milliarde Menschen, mit einer Behinderung. In Deutschland sind es rund 9,4 Prozent (10,4 Millionen Menschen) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50 und mehr. Laut Zensus von 2022 leben in Bamberg 16, 37 Prozent (11.909) Menschen mit einem GdB von 50 plus.

    "Die Dunkelziffer der Betroffenen ist höher", erklärt Hoffmann. Denn gerade Senioren würden sich oftmals schämen, einen Antrag auf Feststellung des GdB zu stellen oder wüssten nicht, dass ein solcher möglich ist. Obendrein habe jeder behinderte Mensch Angehörige, die mittelbar betroffen seien – so wie er selbst durch seine inzwischen verstorbene erste Ehefrau: "Die Familie bekommt ebenfalls die Auswirkungen der unzulänglichen Beachtung der Interessen dieses Personenkreises zu spüren."

    Außer den drei Vorständen gehören stimmberechtigte Vertreter der "Bamberger Arbeitsgemeinschaft chronisch kranker und behinderter Menschen e.V." (ARGE der Selbsthilfegruppen) dem Beirat an, je ein Vertreter von psychisch behinderten Menschen, der Lebenshilfe, des VdK und der Wohlfahrtsverbände sowie Stadträte. Beratende Mitglieder sind Sozialreferent Glüsenkamp und die Behindertenbeauftragte Orf.

    Ein eigenes Jubiläumsfest wird der Beirat für Menschen mit Behinderung nicht organisieren. Er nimmt beim Familienfest am 28. September teil, das der Familienbeirat zu dessen 20-jährigem Geburtstag auf dem Maxplatz feiert. Auch die ARGE-Selbsthilfegruppen wollen sich mit vielen Infos präsentieren.

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