Erst vor zwei Wochen wurde vor dem Amtsgericht verhandelt – wegen Beleidigung. Ein Autofahrer (23) soll laut Anklage einem anderen Verkehrsteilnehmer auf dessen Kotflügel gespuckt haben (wir berichteten). Um als weitere Zeugin die 14-jährige Tochter des Beleidigten zu hören, war damals die Sitzung unterbrochen worden. Nun ging es in einem Fortsetzungstermin weiter. Wegen Beleidigung wurde der „Autospucker“ zu einer 1200-Euro-Geldstrafe verurteilt.
Der Beschuldigte hat sich zwischenzeitlich mit Horst Soutschek einen Rechtsanwalt gesucht. Der Verteidiger meldete sich gleich zu Wort und erklärte anhand von ausgedruckten Karten, dass der zeitliche Ablauf, von dem man bislang ausgegangen war, „so gut wie unmöglich“ sei. Staatsanwalt Markus Englich erinnerte jedoch daran, dass der beleidigte Autofahrer im Zeugenstand sehr glaubwürdig gewesen sei, und Amtsrichterin Ilona Conver war überzeugt, dass „niemand eines solche Geschichte erfindet“.
Bevor das Mädchen aussagen konnte, präsentierte der beschuldigte Kfz-Mechatroniker eine neuerliche überraschende Version. Er behauptete, dass nicht er selber, sondern seine 18-jährige Freundin – während eines Überholvorganges – aus dem geöffneten Fenster auf den anderen Wagen gespuckt habe. Der Anklagevertreter schenkte dem aber keinen Glauben, weil nach geltender Rechtsordnung, wie er ausführte, ein Angeklagter vor Gericht ungestraft „alles mögliche“ erfinden und behaupten dürfe.
Die Schülerin schilderte sodann, dass sie an dem Samstag des 9. August dieses Jahres auf dem Beifahrersitz platziert gewesen sei und alles genau mitgekriegt habe. Der Angeklagte, erläuterte sie, sei von hinten „angeschossen“ gekommen, habe dann in provokanter Weise überholt und sei kurz vor ihnen wieder eingeschert. Sie bestätigte auch den Kernvorwurf mit den Worten: „Dann hat er auf unser Auto gespuckt.“
Der Staatsanwalt ließ keinen Zweifel daran, dass er von der Schuld des „Autospuckers“ überzeugt ist. „An jenem schönen Sommertag“, sagte er in seinem Plädoyer zum Hintergrund, „wollte der junge Mann mit seiner Freundin zum Schwimmen fahren“. Das Motiv lag für ihn ebenfalls auf der Hand: Mit der rasanten – von dem Mechatroniker wohl als sportlich angesehenen – Fahrweise wollte er offensichtlich seiner langhaarigen, attraktiven Freundin imponieren.
Negativ für den Angeschuldigten fiel ins Gewicht, dass er bereits zweimal wegen Verkehrsdelikten eine Strafe erhalten hatte. Mit der Spuckerei habe der Angeklagte „der Frechheit die Krone aufgesetzt“, so der Staatsanwalt. Als Geldstrafe beantragte er 50 Tagessätze á 30 Euro. Rechtsanwalt Soutschek dagegen forderte einen Freispruch. Das Hohe Gericht reduzierte das vom Vertreter des Staates geforderte Strafmaß nur geringfügig auf 40 Tagessätze á 30 Euro.
Im Nachhinaus muss man feststellen, dass der Verurteilte weit besser weggekommen wäre, hätte er den Strafbefehl vom 6. Oktober über 25 Tagessätzen á 30 Euro einfach bezahlt. Jetzt muss er zusätzlich zu der höheren Strafe noch die Gerichtskosten und seinen Anwalt bezahlen. Und was noch schwerer wiegt: Gegen seine Freundin, die ihn im ersten Termin als Zeugin entlasten wollte, hat der Staatsanwalt bereits ein Ermittlungsverfahren wegen Falschaussage eingeleitet.