Den Wohnsitz an- und abmelden, Kinder- und Elterngeld beantragen, ein Gewerbe anmelden oder das Auto zulassen: Geht es nach Dorothee Bär, der Staatsministerin für Digitalisierung, könnte dies bereits im Herbst über ein Behördenportal via Internet funktionieren. Der Weg ins Amt wäre dann in vielen Fällen überflüssig. Endlich. Deutschland hinkt bei der digitalen Verwaltung nämlich im Vergleich vor allem zu skandinavischen und baltischen Staaten hinterher.
„E-Government muss in dieser Wahlperiode durchstarten“ sagte Bär am Donnerstag beim Besuch dieser Redaktion. Im Oktober werde der Bund gemeinsam mit vier Bundesländern ein Pilotprojekt auf den Weg bringen. „Bayern ist natürlich dabei“, so die CSU-Politikerin. Dann könnten Bürgerinnen und Bürger erste Verwaltungsleistungen online erledigen. Voraussetzung sei, dass die Kommunen mitmachen und die digitalen Möglichkeiten auch bewerben. Bär: „Der Erfolg liegt in der Zusammenarbeit über alle Ebenen hinweg.“
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Die CSU-Politikerin ist angekommen im neuen Job. Seit 50 Tagen arbeitet Dorothee Bär als erste Staatsministerin für Digitalisierung. Eine Pionieraufgabe für die Unterfränkin, die seit Jahren zu den internetaffinsten Politikern in Berlin gezählt wird – nicht nur, aber auch wegen ihrer Präsenz in den sozialen Netzwerken. Ihr Büro im sechsten Stock des Bundeskanzleramts hat die 40-Jährige bezogen, neue Mitarbeiter sind eingestellt. Wichtigste Aufgabe sei, so sagt sie, die Kollegen in den Ministerien für die Notwendigkeit des digitalen Aufbruchs zu sensibilisieren. Und gleichzeitig den Menschen draußen im Land die Ängste zu nehmen, sie könnten den Herausforderungen nicht gewachsen sein.
Gerangel um Zuständigkeiten
Zuletzt war in den Hauptstadt-Medien immer mal wieder von einem Gerangel um die Zuständigkeiten bei der Digitalisierung zu lesen. Dass die Bundeskanzlerin mit Eva Christiansen eine ihrer engsten Vertrauten zur Leiterin einer neuen Abteilung für Digitalisierung gekürt hat, hatten einige Beobachter als Affront gegen die CSU-Frau aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge) gewertet. „Ach was“, sagt Bär, „Eva Christiansen und ich arbeiten hervorragend zusammen“. Sie sei froh, dass die Kanzlerin die Spitze dieser Abteilung so prominent besetzt habe. „Es geht um die Sache, und die kommt so am Besten voran.“
Die Staatsministerin räumt ein, dass ihre Nominierung bei den Koalitionspartnern CDU und SPD nicht nur auf Zustimmung gestoßen ist. Die „letzten Wunden der Koalitionsverhandlungen“ seien aber mittlerweile verheilt. Viele Fachminister hätten die Chance erkannt, mit ihr im Kanzleramt eine Fürsprecherin für den digitalen Aufbruch zu haben. Dass die Entscheidungskompetenzen auf mehrere Ressorts verteilt sind, müsse kein Nachteil sein, sagt Bär. Im Gegenteil: Ein Wettbewerb nach dem Motto „Wer ist der Klassenbeste im Digitalen?“ werde dem Land helfen.
2000 Bürger haben geschrieben
Derweil ist die neue Staatsministerin auch für viele Bürger erste Ansprechpartnerin in Sachen Digitalisierung. Allein in den ersten zwei Wochen nach der Amtsübernahme hätten sich über 2000 per Mail und Brief bei ihr gemeldet. Die Fragen reichten von der digitalen Ausstattung von Schulen bis hin zur Sorge um den Arbeitsplatz, wenn immer häufiger Algorithmen die Steuerung von Prozessen übernehmen. Und immer wieder geht es um die Grundversorgung mit schnellem Internet. Dass Deutschland da vor allem auf dem flachen Land in vielen Ecken hinterherhinkt, ist Bär bewusst. Die Politik habe den Breitbandausbau „zu lang nur dem Markt überlassen“, dabei gehöre er zur Daseinsvorsorge wie Straßenbau, Strom und Wasser.
In den vergangenen vier Jahren als Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur habe sie den Ausbau deutlich beschleunigt, ein „Sättigungsgefühl“ werde sich gleichwohl nie einstellen. Dafür schreite der technische Fortschritt zu stark voran. „Wir werden nie da sein, wo ich sein will.“ Probleme gebe es aktuell wegen fehlender Tiefbaukapazitäten, bereits bewilligtes Geld könne so vielerorts nicht zeitnah abgerufen werden. Auch die Telekom und ihre Wettbewerber seien in der Pflicht sich mehr zu engagieren, für die umstrittene Kupferkabel-Übertragung gebe es künftig keine Förderung mehr.