Staatsministerin Dorothee Bär will am Freitag „kein weiteres Öl ins Feuer gießen“. Die Standpunkte seien klar, so die stellvertretende Parteivorsitzende aus Ebelsbach (Lkr. Haßberge). Die CSU stehe geschlossen hinter der Asylpolitik ihres Parteichefs, Bundesinnenminister Horst Seehofer. Die Zurückweisung von Asylbewerbern, die bereits in anderen EU-Staaten registriert sind, sei „eine politische Notwendigkeit“, um dem Vertrauensverlust in der Bevölkerung zu begegnen, so Bär. Werde jetzt nicht gehandelt, stärke dies nur die AfD. Europäische Lösungen seien nicht in Sicht. „Wir müssen da hart bleiben.“
Platzt die Koalition?
Am Montag will sich Seehofer seine Linie vom CSU-Vorstand absegnen lassen. Was danach passiert, darüber möchte Bär öffentlich nicht spekulieren. Denkbar ist, dass die Bundeskanzlerin den Innenminister entlässt, wenn er seinen Asyl-Masterplan auf eigene Faust durchsetzt. Die Große Koalition wäre damit nach nicht einmal hundert Tagen im Amt geplatzt, Angela Merkel vermutlich Geschichte – und Neuwahlen wahrscheinlich.
Optimistisch, doch noch eine Einigung zwischen Merkel und Seehofer hinzubekommen, zeigt sich derweil Bärs Parteifreund, Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich (Hof). Ein Kompromiss könne sein, dass Seehofer die Grenzkontrollen im Masterplan zwar ankündige, mit der konkreten Umsetzung aber 14 Tage warte. Das wäre die Frist, die sich Merkel zum Finden einer EU-weiten Lösung gewünscht habe, so Friedrich im ARD-Morgenmagazin. Bär will den Vorschlag nicht kommentieren. Sie freue sich stattdessen auf die Wochenendtermine im Wahlkreis, allen voran auf den Besuch des Kindergartenfestes ihres Sohnes in Ebelsbach.
Einige Abgeordnete schweigen lieber
Fragt man andere CSU-Bundestagsabgeordnete aus der Region, wie sie die dramatischen Sitzungen der vergangenen Tage erlebt haben, reagieren diese arg zurückhaltend. „Habe keine Informationen“, antwortet einer auf Nachfrage. „Auch keine Meinung?“, lautet die Nachfrage. Antwort: Fehlanzeige. Auch eine Parteifreundin, die sich sonst immer wieder gern zu allerlei Aktivitäten in Presse und Internet äußert, bevorzugt es diesmal zu schweigen.
CSU-MdB Alexander Hoffmann (Retzbach) verweist darauf, dass er aus wichtigen privaten Gründen dieser Tage gar nicht in Berlin ist. Auf Facebook schreibt er gleichwohl: „Die Menschen erwarten zurecht, dass wir endlich ein funktionierendes Asylsystem ohne Pannen und falsche Anreize aufbieten.“ Dazu gehöre die Zurückweisung bereits registrierter Flüchtlinge an den Grenzen.
Ex-Minister Sinner: Merkel näher bei Strauß als Seehofer
Neben Zustimmung erntet Hoffmann mit seinem Kommentar auch Widerstand aus seiner Partei, von einer prominenten Stimme. Eberhard Sinner (Lohr), der von 2001 bis 2008 mehrere Ministerposten im bayerischen Kabinett inne hatte, fürchtet, dass durch die Einführung von Grenzkontrollen an den EU-Binnengrenzen der freie Verkehr von Waren und Personen in Europa „abgeschafft“ werde. „Eine wesentliche Errungenschaft, die Grundlage unseres Wohlstands und der sozialen Sicherheit ist“ werde so ruiniert. Während der Hauptreisezeit werde der Dauerstau zum politischen Programm gemacht, so Sinner, der, so berichtet er bei Facebook, gerade erst von einer vierwöchigen Baltikum-Reise zurückgekehrt ist.
Der Ex-Minister schreibt, bei einer humanitären Katastrophe mit Millionen Flüchtlingen wie in Syrien seien die Staaten an der EU-Außengrenze „massiv überfordert“. Würden sie die Menschen registrieren, hätten sie diese bei einer Umsetzung des Seehofer-Vorschlags „an der Backe“. Insofern sei die Versuchung groß, die Flüchtlinge statt zu registrieren einfach bis Bayern durchzuwinken. Sinner: „Damit haben wir das Chaos von 2015 wieder.“ Für den 73-Jährigen gibt es nur eine „europäische Lösung“. Und er beruft sich dabei auf CSU-Urvater Franz Josef Strauß. Schon der habe einst geschrieben, es sei eine für das Wohl der europäischen Völker „bedrohliche Zeitverschwendung“, wenn man sich mit den „Problemen der nationalstaatlichen Organisation und Reorganisation“ beschäftige, anstatt politische Entscheidungen in Europa „einzig unter dem Gesichtspunkt einer Harmonisierung“ zu treffen. Sinner: „Merkel ist viel näher bei Strauß als die gegenwärtige CSU-Führung, die im Panikmodus tickt.“
Celina: CSU lenkt vom eigenen Versagen ab
Reichlich Kritik an den Christsozialen kommt aus den anderen Parteien. „Diese CSU mit ihrer Wahlkampagne für die AfD ist unerträglich“, schreibt Kerstin Celina, die Spitzenkandidatin der unterfränkischen Grünen für die Landtagswahl. Bisher habe sie sich gefragt, wo das „C", das Christliche, und wo das „S", das Soziale, in der CSU geblieben seien. „Jetzt frage ich mich auch, wo das ,U' geblieben ist, denn die Union mit der Schwesterpartei will die wildgewordene CSU offensichtlich aufs Spiel setzen.“ Dabei müsse sie wissen, so Celina, „dass ein Sturz von Merkel die ,Merkel muss weg'-Skandierer erst recht darin bestärken wird, die AfD, das rechtsextremistische Original zu wählen, statt den rechten CSU-Abklatsch“.
Wenn Ministerpräsident Markus Söder in Interviews diffamierende Begriffe wie „Asyltourismus" und „Asylgehalt" verwende, um allen Flüchtlingen, die an unsere Grenzen kommen, nur finanzielle Motive zu unterstellen, lenke er vom eigenen Versagen ab. Das Bundesamt für Migration sei jahrelang vom Bund kaputtgespart worden, auch Polizei und Justiz hätten einem Spardruck unterlegen, so dass Verfahren nicht abgeschlossen werden konnten und auch die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern nicht funktionierte. Statt Rassismus und Rechtsextremismus zu fördern, sollte die CSU christliche und europäische Werte verteidigen.