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ALLERTSHAUSEN: Befreiung von der Gurtpflicht sorgt für Ärger

ALLERTSHAUSEN

Befreiung von der Gurtpflicht sorgt für Ärger

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    Michael Braun aus Allertshausen zeigt Dokumente, die ihm bescheinigen, dass er aus medizinischen Gründen beim Autofahren keinen Sicherheitsgurt tragen muss. Vor ihm auf dem Tisch stehen die Verpackungen von acht Medikamenten, die er jeden Tag einnimmt. Er trägt einen Defibrillator in seiner Brust.
    Michael Braun aus Allertshausen zeigt Dokumente, die ihm bescheinigen, dass er aus medizinischen Gründen beim Autofahren keinen Sicherheitsgurt tragen muss. Vor ihm auf dem Tisch stehen die Verpackungen von acht Medikamenten, die er jeden Tag einnimmt. Er trägt einen Defibrillator in seiner Brust. Foto: Foto: Michael Mößlein

    Wenn Michael Braun im Auto unterwegs ist, legt er nie einen Sicherheitsgurt an. Der 62-Jährige aus Allertshausen möchte damit nicht gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) rebellieren. Medizinische Gründe zwingen ihn, auf den Gurt zu verzichten. Ein amtlicher Ausweis bescheinigt ihm dies. Dennoch hat er deshalb, eigenen Angaben nach, Ärger mit Beamten der Polizeiinspektion bekommen. Dort wird dies bestritten. Nicht der nicht angelegte Gurt sei im konkreten Fall das Problem gewesen, sondern ein anderer Verstoß gegen die StVO.

    Braun ist schwer krank. Sein Herz würde schon lange nicht mehr schlagen, würde in seiner linken Brust kein Defibrillator mit Stromstößen dafür sorgen, dass die Herzmuskeln das Blut durch seinen Körper pumpt. Der Defibrillator, der sich deutlich unter der Haut abzeichnet, arbeitet quasi ständig, so schwach ist Brauns Herz bereits. Es ist das fünfte Gerät, das im eingepflanzt wurde. Das erste erhielt er 1980. Noch eine Operation werden sie nicht wagen, haben Ärzte ihm gesagt. Wenn die Batterien seines Defibrillators leer sind, dann könnte Brauns Leben zu Ende sein.

    Er erzählt dies, ohne sich darüber aufzuregen. Denn wenn er sich über etwas aufregt, dann muss der Defibrillator Schwerstarbeit leisten, dann könnte das Ende ganz nahe sein. Dennoch beschäftigt ihn ein Erlebnis, das er vergangene Woche hatte, schwer. Er sieht sich von Polizisten zu unrecht gedemütigt und ungerecht behandelt. Siegbert Weinkauf, der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion (PI) Ebern, verwehrt sich gegen Vorwürfe, die Braun Beamte der PI erhebt. Er erkennt kein Fehlverhalten seiner Kollegen. Vielmehr hätte sich Braun falsch verhalten. Womöglich handelt es sich aber auch nur um ein Missverständnis – auf beiden Seiten.

    Anlass des Ärgers ist eine Verkehrskontrolle. Zwei Polizisten der PI Ebern haben Braun nahe seines Heimatdorfes angehalten. Der Grund: Am blauen Opel Corsa des 62-Jährigen hing ein Anhänger, der nicht zugelassen war, sagt Weinkauf auf Nachfrage dieser Redaktion. Dass Braun nicht angeschnallt war, das hätten die Beamten vor dem Anhalten gar nicht gesehen, und damit hätten sie sich in diesem Fall auch gar nicht in erster Linie beschäftigt. Deshalb hätten die beiden Polizisten zu Braun auch gesagt: „Interessiert uns nicht“, als dieser ihnen seinen Ausweis vorlegt, der bescheinigt, dass er beim Autofahren keinen Gurt anlegen muss.

    Braun schildert die Situation dagegen so, als ob die Polizisten ihn gleich harsch gefragt hätten, ob er Alkohol oder Drogen konsumiert hätte. Er habe dies verneint. „Ich nehme täglich acht Medikamente“, sagt er, „ich trinke nie Alkohol.“ Als ihm angekündigt wird, dann würde ihm zwangsweise Blut abgenommen, habe er sich dagegen verwehrt. Aus gutem Grund, wie er meint: Er sei Bluter, weshalb eine Blutentnahme bei ihm schwerwiegende Folgen hätte. Ein entsprechendes ärztliches Dokument führt er ebenfalls stets mit. Doch auch dieses hätte die Polizisten nicht interessiert.

    Keine Stunde nach der aus seiner Sicht schikanösen Verkehrskontrolle ist Braun bereits bei der PI Ebern und möchte dort deren Leiter sprechen. Dieser sei nicht da, heißt es. Daraufhin wird er beim Dienstgruppenleiter, dem anwesenden diensthöchsten Beamten vorstellig. Was dann folgt, beschreibt Braun als „eine einzige Schreierei“. Der Dienstgruppenleiter hätte ihn als Querulanten dargestellt, den er am liebsten sofort hinausschmeißen würde. Die Befreiung von der Gurtpflicht, auf die ihn Braun angesprochen hat, gehe ihm am Allerwertesten vorbei. „So etwas habe ich noch nicht erlebt bei der Polizei. Ich habe danach gezittert wie Espenlaub“, sagt Braun, der im Gespräch mit dieser Redaktion trotz Nachfrage auf dieser Version des Geschehens beharrt.

    Stellvertretender PI-Leiter Weinkauf hat die Ereignisse selbst nicht miterlebt. Er hat jedoch mit Kollegen gesprochen, die den Besuch von Braun auf der PI miterlebt haben. Diese schildern einen anderen Ablauf: Der Dienstgruppenleiter hätten Braun den Grund erläutert, weshalb er mit seinem Fahrzeug routinemäßig angehalten worden war – ein Anlass, mit dem sich übrigens noch die Staatsanwaltschaft beschäftige. Am Ende habe Braun sich für die Information bedankt und sei wieder gegangen. Von einer Eskalation könne keine Rede sein, erklärt Weinkauf.

    Aus Sicht der Polizei seien der nicht angelegte Sicherheitsgurt sowie die vorliegende Gurtbefreiung bei dem ganzen Vorgang kein Thema gewesen. Im Übrigen wisse selbstverständlich jeder seiner Kollegen, was ein solches amtliches, von einer Verkehrsbehörde gesiegelte Dokument bedeutet, und jeder würde ein solches fraglos akzeptieren. Weinkauf verweist noch darauf, dass Braun bei der PI Ebern kein Unbekannter sei und dort nicht den besten Ruf genieße.

    Die Schilderungen Weinkaufs beinhalten einen unausgesprochenen Vorwurf: Das Fehlverhalten, das Braun den Polizisten unterstellt, hat es so nicht gegeben. Auf der anderen Seite muss man sich fragen: Warum sollte ein 62-Jähriger, der laut ärztlichem Attest zu 60 Prozent schwerbehindert ist, Geschehenes derart verfälscht wiedergeben, zumal er genau weiß, welches Risiko jede Form von Aufregung für ihn bedeutet? Es steht Aussage gegen Aussage.

    Ausnahmegenehmigungen laut StVO, wie die Befreiung von der Gurtpflicht, aber auch von der Helmpflicht für Motorradfahrer, stellen Städte und Gemeinden aus. Solche Fälle sind jedoch sehr selten, wie eine stichprobenartige Umfrage bei den Kommunalverwaltungen in Hofheim, Maroldsweisach, Ebern, Haßfurt und Untermerzbach ergibt. In der Regel kommt es seltener als einmal im Jahr vor, dass eine Gemeinde eine Gurtbefreiung erteilt. Im Bereich der gesamten Verwaltungsgemeinschaft Hofheim beispielsweise gibt es derzeit ganze drei Gurtbefreiungen. Voraussetzung ist immer ein ärztliches Attest, das das Weglassen des Gurtes aus medizinischen Gründen rechtfertigt.

    Den befragten Kommunen ist kein einziger Fall bekannt, in dem Polizisten ein solches amtliches Dokument nicht anerkannt und bei der lokalen Verkehrsbehörde nachgefragt hätten, ob der Ausweis tatsächlich von ihr ausgestellt worden ist.

    Ausnahmen von der Straßenverkehrsordnung (StVO) Die Straßenverkehrsbehörden können „in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen“. So heißt es in der StVO. Unter Nummer 5b ist dort geregelt, dass dies auch für das vorgeschriebene Anlegen von Sicherheitsgurten und das Tragen von Schutzhelmen gilt. Bis Ende 1998 war für das Ausstellen einer solchen Ausnahmegenehmigung die Verkehrsbehörde des Landratsamtes zuständig. Seitdem ist dies eine Aufgabe der Städte und Gemeinden. Bevor diese eine solche Ausnahmegenehmigung ausstellen, muss ein Arzt auf einem amtlichen Vordruck die medizinische Notwendigkeit bescheinigen. Vereinfacht gesagt gilt dabei: Die möglichen Folgen, die das ständige Tragen eines Sicherheitsgurtes für den Betroffenen nach sich zieht, müssen schwerwiegender sein, als die bei einem – statistisch betrachtet sehr viel unwahrscheinlicheren – Unfall, bei dem derjenige keinen Gurt trägt. Generell gilt weiter: Ohne angelegten Sicherheitsgurt sind die Verletzungen, die bei Unfällen entstehen, deutlich schwerer als mit Gurt. Für die Befreiung von der Gurtpflicht gelten für die Genehmigungsbehörden hohe Maßstäbe, erklärt Stefan Scherrer, Sachbearbeiter Verkehr bei der Polizei in Haßfurt. In manchen Fällen ist eine Gurtbefreiung nur zusammen mit dem Einhalten einer bestimmten Höchstgeschwindigkeit erlaubt, berichtet er. Taxifahrer seien, wenn sie Personen befördern, grundsätzlich von der Gurtpflicht befreit. Text: mim

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