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KREIS HASSBERGE: Borreliose: Winzige Zecken verbreiten große Gefahr

KREIS HASSBERGE

Borreliose: Winzige Zecken verbreiten große Gefahr

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    Engagiert sich seit 2008: Manfred Wolff aus Steinsfeld, Leiter der Borreliose-Selbsthilfegruppe, und seine Frau Martina Wolff.
    Engagiert sich seit 2008: Manfred Wolff aus Steinsfeld, Leiter der Borreliose-Selbsthilfegruppe, und seine Frau Martina Wolff. Foto: Foto: Michael Mösslein

    Borreliose ist die häufigste bakterielle Infektionskrankheit in Deutschland. Dennoch wird die Gefahr, die von ihr ausgeht, viel zu wenig beachtet, sogar verharmlost, findet Manfred Wolff. Er leitet die Haßfurter Borreliose-Selbsthilfegruppe und setzt sich für Borreliose-Erkrankte ein, auch überregional. Die Öffentlichkeit, insbesondere aber Politiker und selbst Ärzte „kehren das Problem massiv unter den Teppich“, lautet Wolffs Vorwurf.

    Wie viele Zecken gibt es in Deutschland? Das weiß kein Mensch. Wohl Hunderte Millionen der Winzlinge leben im Wald, in Sträuchern, Parks und Gärten. Selbst auf Liegewiesen von Schwimmbädern und auf Kinderspielplätzen finden sie sich, flächendeckend verbreitet auf der nördlichen Erdkugel. Viele der Zecken tragen Borrelien in sich, die bakteriellen Erreger von Borreliose. Wenn infizierte Zecken beim Menschen Blut saugen, können sie Borrelien auf den Menschen übertragen – ganzjährig. Denn bei Temperaturen zwischen acht und 26 Grad sind Zecken aktiv, also auch an sonnigen Wintertagen.

    Anders, als bei der deutlich seltener vorkommenden Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), einer von Zecken übertragenen Virenkrankheit, die eine lebensbedrohliche Hirnhautentzündung auslösen kann und gegen die es eine Schutzimpfung gibt, ist ein vorbeugender medizinischer Schutz bei Borreliose nicht möglich. Aber: Eine Abwehr von Zecken, beispielsweise durch lange Kleidung, oder das Absuchen des Körpers nach Zecken nach einem Spaziergang durch Wald und Flur, hilft, Borreliose zu verhindern.

    Ist die Krankheit bei einem Patienten erkannt, hilft Antibiotika. Das Hauptproblem ist jedoch, dass Ärzte Borreliose oft nicht richtig diagnostizieren. Das Krankheitsbild wird – ähnlich wie andere Infektionskrankheiten – in der Ausbildung von Medizinern vernachlässigt, behauptet Wolff. Die Folge: Erkrankte werden falsch behandelt – oder gar nicht. „Die meisten Borreliosekranken in unserer Selbsthilfegruppe haben einen Ärztemarathon hinter sich“, sagt der Gruppenleiter aus Steinsfeld.

    Stammgäste

    Etwa acht Betroffene kommen regelmäßig zu den zweimonatlichen Gruppentreffen im St.-Bruno-Heim in Haßfurt. Wolff leitet die Gruppe seit deren Gründung im Jahr 2008. Neben den „Stammgästen“ kämen zu den Treffen immer wieder Borreliose-Erkrankte, die Informationen „anzapfen“, und dann nicht wieder kämen, wie Wolff schildert. Er nimmt das niemandem übel. Schließlich kennt er das Problem, an zuverlässige Informationsquellen zu Borreliose zu gelangen, aus eigener Erfahrung. Er ist, wie seine Ehefrau Martina, selbst an Borreliose erkrankt.

    Wütend ist Wolff dagegen auf Politiker, die „Vertreter der Krankheit nicht ernst nehmen“. Der Steinsfelder ist seit vergangenem Jahr Vorsitzender des Borreliose und FSME Bunds Deutschland (BFBD), der 1400 Mitglieder vertritt. Dieser setzt sich unter anderem für eine Meldepflicht für alle Borreliose-Fälle ein, die in allen Bundesländern gleichermaßen gilt. In Bayern beispielsweise, erläutert Wolff, gelte seit März dieses Jahres eine Verordnung, die eine Meldung von Borreliose-Patienten vorschreibt. Dies gelte jedoch nur für bestimmte Ärzte, nicht allgemein. In anderen Bundesländern gelten wieder andere Bestimmungen.

    Solchen Umständen ist es geschuldet, dass es keine verlässlichen Angaben zur Zahl der Borreliose-Kranken in Deutschland gibt. Das Robert-Koch-Institut spricht seit etlichen Jahren von maximal 100 000 Neuerkrankungen pro Jahr. Der BFBD dagegen rechne laut Wolff mit jährlich etwa einer Million Neuerkrankungen und stützt sich dabei auf Zahlen von Krankenkassen.

    Die treffsichere Diagnose von Borreliose ist schwierig. Zum einen müssen Symptome nicht unmittelbar nach einer Infizierung auftreten; zum Teil können Infizierte jahrelang beschwerdefrei sein. Zum anderen ist Borreliose per Bluttests – für die es zur Borreliose-Erkennung keine einheitlichen Standards gibt – nicht sicher zu bestimmen. Ein negativer Bluttest heißt im Umkehrschluss nicht, dass ein Patient borreliosefrei ist.

    Das einzige wirklich sichere Erkennungszeichen für Borreliose ist die Wanderröte (Erythema migrans), ausgehend von der Einbissstelle der Zecke. Diese bildet sich aber nur bei jedem zweiten Infizierten aus. Eine halbwegs zuverlässige Erkennungsmethode ist zudem eine sorgfältige klinische Diagnose, meint Wolff, also ein Arzt-Patienten-Gespräch, in dem ausführlich auf die Umstände einer Ansteckung und mögliche Symptome der Krankheit eingegangen wird. Doch das kostet Ärzten viel Zeit, und Zeit ist bekanntlich eine Mangelware im Gesundheitssystem, weil sie Geld kostet.

    Die Frage: Wie erkenne ich, ob ich Borreliose habe? sei immer eine der drängendsten Sorgen, die Menschen zur Selbsthilfegruppe mitbringen, berichtet Wolff. Das Erkennungszeichen gibt es ohnehin nicht. Im Gegenteil. Borreliose zählt zu den Krankheiten, deren Auswirkungen vielfältiger kaum sein könnten. Müdigkeit, Sehstörungen, Konzentrationsstörungen, Nachtschweiß, Kopfschmerzen, Schwindel und Gliederschmerzen sind nur ein Bruchteil möglicher, oft wechselnder Symptome, die Borrelien durch das Auslösen von Entzündungen im Körper hervorrufen. Diese Symptome sollte man im Kopf haben, wenn man von einer Zecke gebissen wurde, rät Wolff.

    Keine Panik schüren

    Ihm geht es nach eigenen Worten keineswegs darum, Panik zu verbreiten und Menschen dazu zu veranlassen, nach jedem Zeckenbiss Antibiotika zu nehmen. Nur dürften die schwerwiegenden Folgen für Borreliose-Erkrankte nicht verdrängt werden. Um diese Anerkennung gehe es der Selbsthilfegruppe auch, neben Erfahrungsaustausch und Aufklärung. Es würde den Erkrankten auch ein Teil ihrer psychischen Belastung genommen, wenn sie von ihrer Umwelt nicht ständig als Jammerlappen abgestempelt werden, die heute über dieses, morgen über jenes Zipperlein klagen. Wolff: „Wer Borreliose hat, ist ernsthaft krank. Ein bisschen borrelioseinfiziert gibt es genauso wenig, wie ein bisschen schwanger sein.“

    Notizen zur Borreliose-Selbsthilfegruppe Haßfurt

    Über die Gruppe: In der offenen Gesprächsgruppe haben sich Betroffene, deren Angehörige, besonders Gefährdete und Interessierte organisiert, um ihre Erfahrungen im Umgang mit der Infektionskrankheit auszutauschen. Weiter geht es bei den Treffen um Informationen zum Erscheinungsbild, zu Diagnose- und Behandlungsmethoden von Borreliose. Die Treffen sind an jedem zweiten Dienstag der ungeraden Monate (Januar, März, Mai . . .) um 19 Uhr im St.-Bruno-Heim in Haßfurt. Neben der Haßfurter Gruppe gibt es eine Borreliose-Selbsthilfegruppe in Ebern, die jeden ersten Mittwoch im Monat um 19.30 Uhr zusammenkommt, im Seniorencafé des Seniorenzentrums St. Elisabeth in Ebern. Beide Gruppen im Haßbergkreis stehen im Austausch. Kontakt zur Gruppe: für die Gruppe Haßfurt: Manfred Wolff, Tel. (0 95 21) 9 48 90, E-Mail: info@m-m-orchid.com; für Ebern: Horst Häfner, Tel. (0 95 33) 87 46. Weitere Infos: Borreliose und FSME Bund Deutschland, Tel. (0 61 62) 96 94 43, E-Mail: info@borreliose-bund.de, Internet: www.borreliose-bund.de, www.borreliose-forum.de

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