Seit einiger Zeit setzt sich die Kreistagsfraktion der Jungen Liste für die Einführung der Gelben Tonne ein. Doch dass sie ihre Kollegen im Gremium von dieser Idee überzeugen können, halten die Politiker mittlerweile für ausgeschlossen. Deshalb wollen sie nun einen anderen Weg gehen: Am Mittwochabend saßen vier der fünf Junge-Liste-Kreisräte auf dem Podium, als sich im Hotel Goger in Augsfeld eine Bürgerinitiative gründete. Diese will nun die Einführung der Gelben Tonne per Bürgerentscheid durchsetzen.
„Was wir dabei nie aus den Augen lassen dürfen, ist das Thema Müllvermeidung“, sagte Holger Baunacher. „Man sollte nicht alles zweifach und dreifach verpackt kaufen.“ Dennoch meinte der Kreisrat und Wonfurter Bürgermeister, das werde nichts daran ändern, „dass wir Sachen zu entsorgen haben“.
Sein Fraktionskollege Alexander Ambros sprach anschließend darüber, wie die verschiedenen Arten von Abfall entsorgt werden und wie das finanziert wird. Dabei widersprach er vor allem der von Gegnern der Gelben Tonne häufig angeführten Aussage, durch deren Einführung würden die Müllgebühren steigen. „Wenn ich einen Joghurtbecher kaufe, geht etwa ein Cent davon an die Entsorgung“, erklärte er. Denn in Deutschland ist für die Entsorgung von Leichtverpackungen das Duale System zuständig. Zu diesem gehören mehrere Privatunternehmen, die sich um den anfallenden Verpackungsmüll kümmern. Bezahlt wird ihre Arbeit vom Handel, der die Kosten wiederum auf die Kunden umlegt. Wer also etwas Verpacktes kauft, zahlt dabei schon einen Anteil für die Entsorgung. Von diesem Geld werden die Gelben Säcke und Gelben Tonnen bezahlt, in denen Bürger in vielen Regionen ihre Verpackungsabfälle sammeln. Zusätzliche Müllgebühren fallen bei Einführung eine solchen „Holsystems“, bei dem die Bürger ihren Müll zuhause sammeln, bis er abgeholt wird, also nicht an.
Der Landkreis Haßberge hat dagegen – als einziger Landkreis in Unterfranken – ein Bringsystem, bei dem die Bürger ihre Abfälle selbst zum Wertstoffhof fahren. Dafür erhalten die Abfallbetriebe des Kreises Geld vom Dualen System zurück. Dieser Betrag würde bei einer Einführung der Gelben Tonne tatsächlich wegfallen. Zu einer massiven Steigerung der Müllgebühren würde das allerdings aus Sicht der Jungen Liste nicht führen. Zum einen ginge es dabei um lediglich zehn Euro im Jahr pro Haushalt, während in anderen Jahren schon eine Anhebung der Müllgebühren um 20 Euro oft kommentarlos hingenommen wurde. Zum anderen ließe sich, wenn die Gelbe Tonne eingeführt wird, an den Wertstoffhöfen genug Geld einsparen, um die Gebühren gar nicht anheben zu müssen – beispielsweise könnten dann die Öffnungszeiten reduziert werden. „Die Gelbe Tonne kostet uns keinen Euro“, zeigte sich Holger Baunacher überzeugt.
Doch warum wird dann von den Gegnern des Holsystems oft mit einer Steigerung der Müllgebühren argumentiert? „Im Kreistag hat noch nie ein neutraler Experte gesprochen“, sagte Alexander Ambros. Denn der einzige Fachmann, der zu diesem Thema immer wieder vor den Politikern spreche, sei Wilfried Neubauer, der Leiter des Abfallwirtschaftsbetriebs für den Landkreis Haßberge. Dieser sei gegen die Einführung eines Holsystems, seine Einschätzungen damit nicht objektiv.
Holger Baunacher berichtete, Neubauer sei es auch gewesen, der den Auftrag erhielt, das Institut auszuwählen, das eine Studie zu den Kosten von Hol- und Bringsystem erstellen soll. Noch ist diese Studie in Arbeit, Baunacher zeigt sich aber schon jetzt skeptisch: Das gleiche Institut habe in anderen Landkreisen Untersuchungen zum gleichen Thema angestellt und dabei die Spritkosten für die Fahrten jedes einzelnen Bürgers zum Wertstoffhof völlig ignoriert. So sei auch für den Landkreis Haßberge ein geschöntes Ergebnis zugunsten der Wertstoffhöfe zu erwarten.
Dabei seien die Fahrkosten der Bürger enorm: Holger Baunacher gab die größte Entfernung, die es im Landkreis zwischen einem Wohnort und dem zuständigen Wertstoffhof gibt, mit 14 Kilometern an. Auch das Argument, man könne die Fahrt zum Wertstoffhof ja mit einer Fahrt zum Einkaufen verbinden, womit kaum zusätzliche Kilometer anfallen würden, lässt Baunacher nicht gelten. „Ich fahre danach nicht zum Einkaufen. Ich fasse doch nicht erst Müll an und dann frisches Gemüse!“
„Was wir dabei nie aus den Augen lassen dürfen, ist das Thema Müllvermeidung“
Holger Baunacher, Junge Liste
Alexander Ambros ging auch auf das Argument der Bringsystem-Befürwortet ein, in der Gelben Tonne gebe es zu viele „Fehlwürfe“, also Restmüll, der in den falschen Behälter geworfen wird. Diese gebe es tatsächlich, die Zahlen, die genannt werden, seien aber weit übertrieben. Bei der häufig genannten Zahl von „bis zu 40 Prozent Fehlwürfen“ handle es sich um einen Spitzenwert, der vielleicht „in der schlechtesten Großstadt in Deutschland“ vorkomme, aber sicher nicht im ländlichen Raum. Zudem stellten diese Fehlwürfe kein Problem für die Umwelt und die Wiederverwertung der Abfälle dar: Die Sortiermaschinen funktionierten mittlerweile so gut, dass sich die verschiedenen Bestandteile gut voneinander trennen lassen.
Im Gegenteil: Mit der Gelben Tonne lasse sich verhindern, dass viele Verpackungen einfach im Restmüll landen, weil manchen Menschen der Weg zum Wertstoffhof zu umständlich ist. Das belegen auch Zahlen: Der Kreis Haßberge ist der einzige Landkreis in Unterfranken, der noch kein Holsystem hat und gleichzeitig der Landkreis mit geringsten Wertstoff-Müllmenge pro Einwohner. Beispiele aus anderen Regierungsbezirken zeigten darüber hinaus, dass in Landkreisen, die von einem Bringsystem auf ein Holsystem umstellen, diese Müllmenge schlagartig ansteigt. „Da kann mir keiner erzählen, dass die vorher kein Plastik gekauft haben“, sagte Alexander Ambros.
Auch auf die vielfach geäußerte Kritik, die Tonne nehme Platz weg, hatte Ambros eine Antwort: Wer den Müll für den Wertstoffhof sauber trennt, hätte bisher acht verschiedene Behälter gebraucht. „Wenn jetzt einer fragt, wo er die Tonne hinstellen soll, dann frage ich: ,Wo habt ihr denn bisher diese acht Behälter hingestellt?'“
Kritisiert wurde auch, dass gegen das Holsystem immer noch mit veralteten oder längst widerlegten Argumenten gekämpft werde. So haben sich die Befürworter eines Wechsels schon lange auf die Gelbe Tonne anstatt des Gelben Sacks festgelegt – unter anderem, weil sie dem „Einweg-Sack“ eine „Mehrweg-Tonne“ vorziehen. Dennoch brächten Holsystem-Gegner immer wieder Argumente, die zwar gegen den Gelben Sack, nicht aber gegen die Gelbe Tonne einen Sinn ergeben. So werde immer noch mit dem Horrorbild von zerrissenen Säcken und auf der Straße verteiltem Müll argumentiert.
„Im Kreistag hat noch nie ein neutraler Experte gesprochen“
Alexander Ambros, Junge Liste
Auch einige der rund 30 Besucher der Veranstaltung hatten Gründe, sich über das bisherige System im Landkreis zu beschweren. Unter anderem beklagten einige, dass man als Bürger, der seinen Müll zum Wertstoffhof bringt, häufig von den Mitarbeitern angemault werde, wenn etwas nicht richtig sortiert ist.
Eine Möglichkeit, die anderen Fraktionen umzustimmen, sehen die Vertreter der Jungen Liste nicht: Dafür fehlte es an Informationen, andere seien nicht bereit, sich einzugestehen, dass es zu einem System, das sie mit eingeführt hatten, eine bessere Alternative gibt. So kritisierte die Junge Liste auch, dass „Parteien, die sonst immer für direkte Demokratie sind“, eine Bürgerbefragung zum Gelben Sack abgelehnt hatten – wohl aus Angst, dass diese anders ausgehen könnte, als sie sich das wünschten. Ein Lob hatte Alexander Ambros allerdings für die ödp, die zwar gegen die Gelbe Tonne sei, aber eine Bürgerbefragung dennoch befürwortete.
Die Vertreter der Jungen Liste sind allerdings überzeugt, dass sich die Mehrheit der Menschen im Landkreis einen Wechsel des Systems wünschen. „Wir merken, dass die Bürger das wollen“, sagte Isabell Zimmer. Nun soll ein Bürgerbegehren die Einführung der Gelben Tonne erzwingen. Die Zeit dafür drängt: Die Verträge zwischen einem Landkreis und dem Dualen System über die Entsorgung laufen jeweils für drei Jahre. Der aktuelle Vertrag läuft noch bis Ende 2019. Ziel der Bürgerinitiative ist es, eine Entscheidung herbeizuführen, bevor der neue Vertrag für die Zeit ab 2020 abgeschlossen wird. Sollte das nicht gelingen, müssten die Befürworter des Holsystems weitere drei Jahre auf die nächste Chance warten. Ziel ist es daher, die Unterschriftenlisten bis Dezember einzureichen.
Nötig sind dafür die Unterschriften von sechs Prozent der Wahlberechtigten im Landkreis, also rund 4100. Bereits jetzt haben die Befürworter der Gelben Tonne 4500 Mitglieder in ihrer Facebook-Gruppe, darunter sind allerdings auch Gegner, die die Freunde des Holsystems in die Gruppe gelassen haben, um mit ihnen diskutieren zu können. Dennoch spreche die große Zahl an Mitgliedern in der Gruppe für ein breites Interesse und biete eine gute Basis, um genügend Unterschriften zusammenzubekommen. Die Unterschriftenlisten sollen innerhalb der nächsten vier Wochen fertig werden. „Eigentlich wollten wir heute schon welche mitbringen“, sagte Holger Baunacher. Doch die Initiatoren wollen sich mehr Zeit lassen, um die Listen wirklich rechtssicher zu machen – immerhin habe der Fall von Rainer Gottwalds Bürgerbegehren gegen die Sparkassenfusion gezeigt, auf wie viele Punkte man achten muss, um zu verhindern, dass ein Bürgerbegehren wegen Formfehlern eingestellt wird.