„Wir fühlen uns verarscht“, fasste Dr. Dieter Volk, Verkehrsclub Deutschland, die Gedanken der weit über 100 Demonstranten zusammen, die sich am Freitagnachmittag zu einem Sternmarsch mit Kundgebung am PR-Parkplatz Breitenau getroffen haben. Oberbürgermeister Andreas Starke und Stadtrat würden die Öffentlichkeit ganz bewusst „höchstens zur Hälfte“ über die konkreten Vorhaben und Fortschritte beim zivilluftrechtlichen Genehmigungsverfahren des Flugplatzes Breitenau informieren.
Mensch und Natur schützen
Das soll ein Ende haben. „Wir sagen Ja zur Brose-Ansiedlung, aber Nein zu mehr Fluglärm“, sind sich die Bürger vor Ort einig. Sie wollen Mensch und Natur schützen. Und zwar durch „eine beschränkte Flugfrequenz, ein striktes Nachtflugverbot und die Ausweisung des Gebiets rund um den Flugplatz Breitenau als Naturschutzgebiet“.
Doch der Reihe nach: Bekanntermaßen zieht das amerikanische Militär seine in Bamberg stationierten Truppen derzeit sukzessive ab. Dieses Vorhaben soll bis 2014 abgeschlossen sein. Dann wird auch der Flugplatz Breitenau nicht mehr genutzt. Doch die weitere Verwendung ist schon geplant.
Die weltweit agierende Brose-Gruppe mit Stammsitz in Coburg kaufte am 25. Mai vergangenen Jahres zunächst ein 75 000 Quadratmeter großes Grundstück zwischen dem Berliner Ring und der Memmelsdorfer Straße. Plärrer-Platz, Parkhaus P+R Breitenau sowie das Sportgelände TSV Eintracht weichen den neuen Verwaltungs- und Produktionsgebäuden. Das bringt Bamberg viele Arbeitsplätze.
Doch Diplom-Biologe Martin Bücker, Bund Naturschutz, ist sich sicher: „Es entstehen keine neuen Arbeitsplätze in Bamberg. Das ist eine Lüge!“ Dazu äußerte sich Jens Korn, Unternehmenskommunikation Brose Gruppe, wie folgt: „Am Standort Bamberg nehmen nach Fertigstellung des ersten Bauabschnittes zunächst mehr als 500 Mitarbeiter ihre Tätigkeit auf, die entsprechenden Funktionen werden zum größten Teil aus Coburg und Hallstadt dorthin verlegt. In der Endausbaustufe sind Kapazitäten für rund 1 200 Beschäftigte geplant. Bamberg wird daher der Standort in der Region sein, welcher am stärksten vom zukünftigen Wachstum der Brose-Gruppe profitiert.“
Zudem wird der naheliegende Flugplatz erweitert. „Am Anfang stehen die Verbreiterung der Landebahn um zirka 50 Prozent und der Bau einer Abfertigungshalle“, erklärte Bücker im Rahmen der Demo. Zudem ist immer wieder von einem neuen Tower die Rede. „Das kostet zwölf Millionen. Aber für neue Wandfarbe in unseren Schulen ist kein Geld da“, empörte sich der Diplom-Biologe weiter.
Doch die enormen Kosten spielen „nur“ eine Nebenrolle. Vielmehr hat die Bevölkerung – allen voran die Bewohner der Stadtteile Gartenstadt, Kramersfeld und Bamberg Ost sowie der Gemeindeteile Lichteneiche, Gundelsheim und Weichendorf – Angst, dass Fluglärm und -frequenz mit der zivilen Anschlussnutzung enorm zunehmen könnten. Zumal Brose durch eine Service-Fluggesellschaft auch Flüge für andere Firmen anbieten könnte.
„Wir haben viel Geld für unsere Grundstücke in einer ruhigen Wohnlage in Gundelsheim und der Lichteneiche bezahlt. Nun sollen künftig regelmäßig Flugzeuge über unsere Häuser fliegen. Das kann doch nicht wahr sein!“, sind sich zwei betroffene Anwohnerinnen einig. „Der Jet ist so laut, dass man aus seinem Bett fällt, wenn er das Haus überfliegt.“
Nach Expertenmeinung sei das vorliegende Schallimmissionsgutachten wertlos. „Es berechnet eine Prognose der Flugbewegungen für das Jahr 2022 auf Basis des Vergleichsjahres 2011 – beziehungsweise der Flugbewegungen 2001 bis 2011“, erläuterte Heinz Jung, Kreisgruppen-Vorsitzender Bund Naturschutz Bamberg (BN), der federführend die Kundgebung organisierte.
Neues Lärmgutachten gefordert
Die Krux an der Geschichte: „Es stammt vom 30. Mai 2012. Erst knapp einen Monat später, am 26. Juni, zog der Brose-Business-Jet Cessna Citation dauerhaft von Coburg nach Bamberg.“
Dadurch hätten sich die Voraussetzungen maßgeblich geändert. „Wir fordern ein neues Lärmgutachten, da angezweifelt wird, dass das vorhandene Gutachten den Jet-Lärm überhaupt enthält“, sagte Dietmar Beck, pensionierter Fluglotse und Sprecher der Bürgerinitiative Lichteneiche.
Ähnliches gilt für die Flugfrequenz. Viele Bürger, wie auch Stadtrat Wolfgang Grader (GAL), fordern Transparenz. „Das Vertrauen der Bürger in die politischen Entscheidungen ist sehr wichtig.“ Beck: „Wir wollen verlässliche, nachvollziehbare Zahlen über das zu erwartende Flugaufkommen. Eine etwaige Steigerung um 14 Prozent in den kommenden zehn Jahren steht im Raum – aber wovon?“
Dietmar Volk geht noch weiter. Die Untersuchung des Aero-Clubs enthalte die neue Nutzung nicht. „Sonst würde doch keiner den Aufwand der Erweiterung betreiben. Für wie blöd halten die uns denn?“ Eine Frequenzerhöhung um 500 Prozent sei möglich. Und daher eine Frequenzreglementierung unabdingbar. Es dürften weder nachts – zwischen 22 und 6 Uhr – noch in der gesetzlich vorgeschriebenen Mittagsruhe – zwischen 12.30 und 14.30 Uhr – Maschinen starten oder landen. „Wenn ein Gartenbesitzer in dieser Zeit seinen Rasen mäht, muss er mit einer Anzeige rechnen. Flugzeuge dürften aber starten. Wo liegt da die Logik?“, fragte Beck.
Da sich der Flugplatz Breitenau in einem „Hot Spot der Artenvielfalt befindet“ (Bücker) seien neben den Menschen auch Tiere und Pflanzen in Gefahr. Durch die exponierte Bodenbeschaffenheit und Lage bietet dieses Kleinod der heimischen Flora und Fauna einen ökologisch perfekten Lebensraum.
Die Experten nannten viele Beispiele: 1000 Pflanzensippen beziehungsweise -arten, davon kommen bayernweit 190 nur noch am Flugplatz vor, vier sind vom Aussterben bedroht. 54 Vogelarten, darunter 32 brütende, 17 stehen auf der Roten Liste. 300 Nachtfalterarten, über 60 werden auf der Roten Liste aufgeführt.
All diese Lebewesen könnten durch die Ausweisung der Flächen rund um den Flugplatz als Naturschutzgebiet gerettet werden. Zudem biete laut Diplom-Biologe Bücker diese Entscheidung auch einen riesigen Vorteil für die Bevölkerung. Derzeit stellt nämlich lediglich ein einfacher Stadtratbeschluss das besagte Gebiet unter Schutz. Sollte die Brose-Gruppe später ihre Erweitungsoption für weitere Bauten nutzen, könnten die Vertreter der Stadt jederzeit ihren Beschluss aufheben.
„Nur der Status ,Naturschutzgebiet‘ kann dies verhindern“, ist sich Bücker sicher. Eine ähnliche Sichtweise vertritt auch Anette Jung, Hallstadt: „Wir sollten eine Lösung im Sinne der Anwohner und des Artenschutzes finden.
Alle Bamberger sollten sich solidarisch zeigen.“ Dann bestehe die Möglichkeit, eine für alle Beteiligten tragbare Lösung zu finden – wie es auch schon im Berggebiet der Fall gewesen sei.