Schafbesitzer Eberhard Kirchner bestellt den professionellen Schafscherer einmal jährlich, um seine Herde von der dichten Wolle befreien zu lassen. Diese Schur ist wichtig, damit die Wolle nicht verfilzt. Zudem kommt bei zu dichter Wolle keine Luft mehr an die Haut, was auch zu Krankheiten führen kann. Und zudem ist es für die Tiere eine Erleichterung, vor dem Sommer von ihrem dicken Wollmantel befreit zu werden. Mit knapp einem Jahr kommen die Schäfchen das erste Mal unter den Rasierer.
Eberhard Kirchner erinnert sich: „Eigentlich habe ich mir nur zwei Schäfchen angeschafft, um ein paar Obstbäume vor dem Fällen zu bewahren.“ Auf einer abschüssigen Wiese, die er verpachtet hatte, sollten die Bäume weg. „Das gefiel mir nicht“, erklärt er schmunzelnd. „Und so beschloss ich, die Wiese selbst zu bewirtschaften und habe die Schafe darauf gestellt.“
Mittlerweile sind aus den zwei Schafen eine kleine Herde geworden. „Das Ganze ist für mich ein Hobby. Ich verdiene nichts damit“, lacht der Gastwirt. „Doch die Schäfchen pflegen die Wiesen und grasen in der Obstanlage, die schlecht zu mähen wäre. Außerdem werden sie auch für die Gaststätte geschlachtet.“ Zirka 40 Lämmer kommen jedes Jahr hinzu, was den biologischen Rasenmäher sichert und Feinschmecker-Gaumen freut.
Die kleine Herde stellt für Schafscherer Gerhard Hümmer keine große Herausforderung dar. Er schert bayernweit und da sind auch schon mal Herden mit bis zu 1200 Tieren dabei. „Wir haben viel zu tun“, berichtet er. Wie anstrengend das Schafscheren ist, sieht man ihm an. In Strömen fließt der Schweiß über die Stirn. „Dieser Job ist knallhart“, während er mit geübten Griffen die Schafe schert. „Doch wenn man es kann, kommt man von dieser Arbeit nicht mehr los“, sagt er lachend. Er ist selbst schon 46 Jahre dabei.
Doch auch er braucht Helfer beim Scheren. Eberhard Kirchner führt seine Coburger Füchse, Merino- und Schwarzkopfschafe rückwärts an ein flaches Podest. Dort befreit Hümmer die Schafe von der dichten Wolle. Erst am Rücken und den Hals hinauf, dann eine Seite bis runter an die Beine und den Schwanz. Dann folgt ein Seitenwechsel, bis das Schaf komplett von seiner Wolle erlöst ist. Immer wieder muss der Scherer das Tier drehen und in Position rücken, was einen immensen Kraftakt bedeutet, zumal ein Schafbock bis zu 180 Kilogramm wiegen kann.
Die meisten Schafe lassen diese Schererei gelassen über sich ergehen, doch es gibt auch immer wieder mal einen Zappelphilipp, der dem Schafscherer einiges an Kraft und Ausdauer abverlangt. „Denn man möchte die Tiere ja nicht verletzen“, sagt er. „Und dazu muss ich sie fest im Griff haben.“ Doch trotz aller Vorsicht und Übung kommt es immer mal zu kleineren Schürfwunden, wenn die Schafe allzu sehr zappeln.
Doch nicht nur die Schafe können verletzt werden. „Vorsicht vor den Beinen“, warnt der 12-jährige Daniel, der seinen Großvater in den Ferien bei seiner Arbeit begleitet und selbst Schafscherer werden will. „Wenn die Tiere beim Zappeln treffen, kann das ganz schön weh tun.“ Und nicht nur er will die Familientradition fortführen, auch der Sohn des Schafscherers arbeitet in diesem Beruf und nimmt sogar an Schaf-Scher-Meisterschaften teil.
Nach zirka drei Minuten hat der Scherer das Schaf von ungefähr drei bis vier Kilo Wolle befreit. Die Wolle wird in große Säcke sortiert und von Gerhard Hümmer mitgenommen. Ein Händler holt die Wolle dann von ihm ab und bringt sie direkt in die Wäscherei, bevor sie weiterverarbeitet wird. „Verdient ist an der Wolle nichts“, erzählt der Schafscherer. „Denn der Wollpreis ist momentan sehr niedrig und deckt nicht einmal die Auslagen der Schafbesitzer, wie zum Beispiel die Scherkosten.“
Doch das stört Eberhard Kirchner recht wenig. Er bleibt seinem Hobby und somit seinen Schäfchen treu und schiebt das nächste zum Scherer, um ihm einen schicken Sommerlook verpassen zu lassen.