80 Milchkühe stehen im Stall von Klaus Dietz, rund 2000 Liter Milch geben sie am Tag – und die wanderten am gestrigen Dienstag nicht wie gewohnt zur Molkerei, sondern in die Güllegrube. „Das tut weh“, sagt Klaus Dietz, aber dennoch steht Dietz hinter dem Boykott, denn man könne sich einfach nicht mehr alles gefallen lassen.
Und was sich die Milchbauern nicht mehr gefallen lassen wollen, das sind vor allem drei Punkte: Zum einen der Preis. Rund 35 Cent erhält Dietz als Basispreis, 43 Cent hat der BDMals Mindestpreis errechnet, damit man wieder in wirtschaftliche Bereiche vorstoßen könne. Weiter fordert der BDM: Die Bauern wollen in Zukunft bei der Preisgestaltung mitreden und auch bei der Steuerung der Milchmenge, die auf den Markt kommt.
Dass Streik-Bereitschaft unter den Landwirten vorhanden war, das hatte bereits der Montag gezeigt. Was mit einer Großkundgebung mit 9000 Teilnehmern in Freising am Montagvormittag begann, setzte sich am Abend auch im Landkreis Haßberge fort: Unter dem Motto „Milchpreisoffensive 2008“ entschlossen sich Mitglieder des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM) zu einem Lieferstopp und folgen so ihrem Bundesvorsitzenden Romuald Schaber (wir berichteten).
Gekontert hat inzwischen die Milchindustrie: Im Ausland gebe es Übermengen an Milch, mit denen der Lieferboykott aufgefangen werden könnte. Von wegen, hält der Vorsitzende des BDM-Teams Schweinfurt/Haßberge, Florian Schuler aus Gädheim, dagegen: Die Löcher, die der Boykott reiße, könnten nicht durch das Ausland geschlossen werden.
Zudem, so hieß es auf der Versammlung in Augsfeld: Positive Signale, sich ebenfalls am Lieferstopp zu beteiligen, kämen bereits von Landwirten, die nicht im BDM organisiert seien, und auch das benachbarte Ausland, insbesondere Holland und Österreich, signalisieren Zustimmung.
Aber die Landwirte wollten auch eines klarstellen: „Wir wollen mit dem Lieferstopp keinesfalls eine Aktion gegen die Verbraucher führen, sondern gegen die Milchwirtschaft und deren Preisdumping. Das Maß ist voll“, sagte Florian Schuler. Und der Vorsitzende weiter: „Mein Milchtank bleibt so lange sauber, bis wir nicht mehr durchhalten können, oder die abnehmende Hand zu Zugeständnissen bereit ist“.
„Es tut weh, die mit Herzblut gemolkene Milch wegzuschütten“, berichteten die Landwirte am gestrigen Dienstag. Die Oma sei kopfschüttelnd davongelaufen, konnte es nicht mitansehen.
Martin Gleichmann (Friesenhausen) verdeutlicht, warum die Landwirte auf den Boykott setzen: „Unsere Milch kostet immer noch das gleiche wie vor 20 Jahren, der Preis für Diesel hat sich allein in den vergangenen Jahren vervierfacht.“
Alles was sie wollen, so die 30 Teilnehmer bei der Streik-Auftakt-Veranstaltung in Augsfeld, seien kostendeckende Preise, um konkurrenzfähig bleiben zu können. Man wehre sich dagegen, dass sich Konzerne auf Kosten der Milchviehhalter „die Taschen voll stopfen“. Schuler: „Wir haben bisher an jedem möglichen Kosten-Schräubchen gedreht, jetzt sind wir am Ende angelangt. Und wie bei jeder Schraube droht am Ende des Gewindes: Abriss“.
Verständnis für die boykottierenden Milchbauern zeigte auf Nachfrage des Bote vom Haßgau auch der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, Klaus Merkel: „Der Streik ist eingeleitet, wer es verantworten kann, sollte es unterstützen. Je mehr teilnehmen, desto höher sind die Erfolgsaussichten.“
Wird es auch zu einem Boykott-Aufruf des BBV kommen? Merkel dazu: „Wir werden uns mit dem Thema beschäftigen“. Fast deckungsgleich seien die Positionen von BBV und BDM, so Merkel weiter: „Wir brauchen 45 Cent“, so der Kreisobmann, denn die Produktionskosten seien weiter gestiegen. Existenziell seien die Probleme, mit denen die Milchbauern konfrontiert seien. „Die Milchviehbetriebe stehen mit dem Rücken zur Wand.“
Und so erging es wie am Dienstagmorgen in Rügheim manch anderem Fahrer von Milchsammelfahrzeugen: Sie standen ziemlich überrascht vor so manchem Milchtank, und bekamen bescheinigt, dass die Milch innerbetrieblich verwertet wird, und ab sofort auf die Abholung verzichtet werden kann.
Direktor Ludwig Weiß von den Milchwerken Oberfranken West, zu der auch die Lendershäuser Molkerei gehört, zeigte sich am Dienstagvormittag zuversichtlich, dass kaum Milch fehlen werde. Seine Bilanz am späten Nachmittag: Acht Lieferanten für Lendershausen hätten nicht geliefert, mit einer Menge von 5000 Litern – das sind zwei Prozent der Tagesverarbeitungsmenge.