Schnell muss es gehen mit dem Foto. Denn Troja hält nichts von Stillsitzen. Zwar hat er sich ins Freigehege locken lassen. Doch sein Herrchen kann die Aufmerksamkeit des Leoparden nur kurz gewinnen. Kein Wunder, Troja und Paris warten eigentlich auf ihr Mittagessen.
Neben der Haustür sitzt ein großer schwarzer Panther. Die Skulptur aus Holz erinnert an Zeus, der Herbert de Larott über 20 Jahre lang ein treuer Gefährte war und dem sich der Zauberkünstler besonders verbunden fühlte. Mehrfach war Zeus dem Tode nahe gewesen, erzählt der 63-jährige gebürtige Wiener, „und immer wieder hab' ich ihn durchgebracht. Das hat ein Band geknüpft zwischen dem Panther und mir“. Vor drei Monaten ist Zeus an Altersschwäche gestorben, mit 22 Jahren.
Weniger die Liebe zu Tieren als vielmehr die aufkommende Konkurrenz aus Osteuropa hatte den Illusionisten mit dem Künstlernamen Monsieur de Larott vor knapp 30 Jahren bewogen, sich zu spezialisieren. Auf die Idee mit den Raubkatzen kam er durch seine berühmten Kollegen in Amerika: Siegfried und Roy waren damals auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. So wurde de Larott einer der wenigen Illusionisten in Europa, die Raubkatzen verschwinden lassen. „Ich habe es nie bereut“, sagt er.
Sicherer als Autofahren
Ursprünglich hatte er an Geparden gedacht, die relativ leicht zu handhaben sind, doch schließlich wurden es Leoparden, die schwierigste Raubkatzenart. Einige Jahre besaß er zudem einen Tiger, größer als die Panther, aber leichter im Umgang. Die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat er sich größtenteils selbst angeeignet. Das Wichtigste: „Ich muss so weit wie möglich eine Vertrauensbasis aufbauen.“ Das ist umso schwerer, als Leoparden von Natur aus Einzelgänger sind. Selbst wenn die Tiere unter seiner Obhut aufgewachsen sind – zwölf Leoparden hat de Larott selbst gezüchtet – „befreit das nicht vom Risiko“.
Anders als der Dompteur führt der Illusionist die Tiere an der Leine. Damit kann den Zuschauern nichts passieren, nur für ihn selbst könnte es gefährlich werden, wenn sich das Tier erschreckt. „Wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, ist es sicherer als im Auto“, erläutert de Larott. Und wenn etwa eine platzende Lampe oder gar ein Stromausfall die eingeübte Routine unterbricht, gilt es, Nerven zu bewahren. Die Raubkatze soll ihr Herrchen nicht als Feind wahrnehmen, sondern als Schutz. „Solange ich nichts draus mache, bleibt das Tier auch ruhig.“
Einer der Höhepunkte in de Larotts Laufbahn war der Auftritt bei der TV-Gala „Stars in der Manege“ zusammen mit Nachrichtensprecher Claus Kleber vor einigen Jahren. Die Herausforderung dabei: dass der Panther den Fremden in seinem Territorialbereich duldet, einem Radius von drei bis vier Metern. Die Lösung beschreibt de Larott so: „Claus musste stehen und ich musste mit dem Panther in seinen Territorialbereich gehen.“
Kleber habe seine Sache sehr gut gemacht. Nun ja, Larott hat ihn nach eigenem Bekunden auch ziemlich rangenommen, in der Vorbereitung. „Ich kann doch schon alles“, habe Kleber zwischendurch beteuert. Aber de Larott machte ihm klar, dass er vor Publikum alles vergessen haben werde, was nicht richtig sitze, weil es dann vor allem auf das äußere Auftreten und die Konzentration ankomme. Die Begegnung mit vielen anderen Prominenten hinter den Kulissen hat de Larott nicht weniger genossen. Neben Marianne und Michael, Uschi Glas, Heiner Lauterbach traf er unter anderem den inzwischen verstorbenen Johannes Heesters.
Von hinten in die Wade gebissen
Ebenfalls noch sehr gut erinnert sich der Zauberkünstler an den ersten Auftritt mit einer Raubkatze, bei einer Open Air-Veranstaltung 1989 in einem Hotel in Wien. Im weißen Smoking betrat er mit dem schwarzen Panther durch ein Tor in einer Hecke die Bühne. Das plötzliche Scheinwerferlicht erschreckte das junge Tier, „Es machte einen Riesensatz in die Hecke und ich hinterher“, erzählt de Larott. „Die Hecke hat gewackelt und ich bin rausgekommen als Wurzelmann.“ Das Publikum reagierte – nach der leichten Panik im ersten Moment – mit Heiterkeit, der Auftritt wurde doch noch ein Erfolg.
Weniger lustig war ein Zwischenfall bei Dreharbeiten für einen Werbespot vor einigen Jahren – das einzige Mal, dass de Larott angegriffen wurde. Die Drehphase war etwas länger ausgefallen als üblich. Zudem hatte Larott beim Führen etwas vorauslaufen müssen, um den Panther nicht zu verdecken. Da biss ihm das Tier von hinten die Wade durch. Es sei kein bösartiger Angriff gewesen, sondern stressbedingt, betont der Zauberkünstler. Jedenfalls galt es, den Schmerz zu ignorieren, um den Panther nicht weiter zu verunsichern. Erst nachdem er das Tier in seine Transportbox gebracht hatte, kümmerte sich de Larott um seine Wunde.
Der 63-Jährige, der seit 1996 in Sulzbach lebt, ist mit seinen Raubkatzen viel herumgekommen. Davon zeugen die vielen Bilder und Plakate im Haus. Auftritte und Engagements in ganz Europa – und so manche Auszeichnung: de Larott gewann das 25. Golden Circus Festival in Rom ebenso wie den Europakongress 1992 in Baden-Baden. Gerade ist er in Frankreich unterwegs, zehn große Vorstellungen, seine Abschiedstournee mit den Leoparden. Als angehender Rentner will er etwas kürzertreten. Troja und Paris wird er behalten, aber nur noch Auftritte ohne Tiere machen. Zu seinem neuen Konzept gehören Lesungen. Denn de Larott ist unter die Autoren gegangen. „Mein Leben mit Zeus, Hera, Ares & Co.“ heißt sein erstes Buch, das dieses Jahr erschienen ist. An einem zweiten Manuskript arbeitet er gerade. Verschiedene Begebenheiten jeweils aus der Sicht von Zeus und aus seiner eigenen zu schildern, lautet die Idee.
Apropos Zeus. Es fehlt noch die Masterfrage: Wie lässt man einen Leoparden verschwinden? „Schnell und unauffällig“, sagt de Larott schmunzelnd. Und sein kleiner Einblick macht deutlich, dass auch bei Illusionsnummern mit Raubkatzen vieles Routine ist – solange nichts Unvorhergesehenes passiert.