Helmut Grätsch liegt mit geschlossenen Augen auf der weichen Liege. Der medizinische Bademeister und Masseur ist mit der Hypnosetherapeutin Sandra-Bernadett Grätsch verheiratet und genießt öfters mal selbst eine Behandlung in der Hypnosepraxis. Sein Ziel: totale Entspannung. Eine Duftlampe verströmt eine Geruchsmischung, die nach Weihrauch, Myrre und Zimt riecht, während er wie von weitem eine angenehme Stimme hört: "Du liegst in der Sonne, dir geht es gut, du fühlst dich sicher, du hast keine Angst."
Wie ein lebendig gewordener Traum erscheint den Klienten jede Sitzung mit der Hypnose-Therapeutin Sandra-Bernadett Grätsch. Die findet einen Vergleich für diese Situation: In etwa so könne man Patienten helfen, die unter Angst vor dem Zahnarzt leiden. Das für den Patienten schreckliche Geräusch des Bohrens verwandle sich in angenehme Vogelstimmen.
Die moderne Hexe
Was versteht sie unter Hypnose? "Hypnose basiert auf einem Zustand totaler Entspannung, der durch Fixierung eines Punktes, ruhige verbale Einflüsse, eine Art autogenes Training beziehungsweise über ein positives Körpergefühl erreicht werden kann", antwortet Grätsch. Das funktioniere ganz gut. Die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Hypnosebehandlung psychischer Problemen liege bei 65 bis 80 Prozent. Und böse Anrufe habe sie auch noch keine bekommen. Die Patienten seien wohl zufrieden. Ihr Kundenkreis reiche von Frankfurt bis Regensburg und umfasse alle Altersgruppen und soziale Schichten. Zu den Behandlungkosten möchte sie keine Angaben machen.
Die Therapeutin lebt in Eltmann. Behandlungsräume und Büro befinden sich in Gochsheim. "Ich nenn mich schon mal moderne Hexe", sagt Grätsch mit rauchiger Stimme und ergänzt mit einem Augenzwinkern: "Mein Besen ist ein Motorrad." Sandra-Bernadett Grätsch nennt sich auch "Lady of Glencairn". Weitere Berufsbezeichnungen, die sie sich gibt: Psychologische Beraterin, Seminarleiterin für Hypnose und Entspannungsverfahren, Motivationstrainerin, Parapsychologin, Eheberaterin und geistige Heilerin.
Noch länger ist die Liste dessen, was man laut Anzeigen und Flyer mit ihrer Hilfe erreichen kann: In wenigen Sitzungen ohne Hunger abnehmen, ohne Entzugserscheinungen mit dem Rauchen aufhören, Gefühle von Angst und depressive Verstimmungen abbauen, positiv Denken oder Probleme in Ehe und Familie lösen, steht auf der Liste.
Eine echte Lady
Offensichtlich spricht die Lady, den Titel erwarb sie übrigens durch Landkauf in Schottland, damit nicht wenige Menschen an. "Das ist ein Vollzeit-Job. Ich kann gut von der Arbeit leben", macht "Lady Glencairn" deutlich.
Was macht Sandra-Bernadett Grätsch? Täglich hält sie rund vier Sitzungen ab mit Personen, die sich von allen möglichen Lastern per Hypnosetherapie befreien lassen wollen. Sie hilft nach eigenen Angaben Menschen, psychische Probleme zu erkennen und letztlich auch zu bekämpfen. Für diejenigen, die einfach mal ein bisschen Erholung brauchen, gebe es sogar eine "Wellness-Hypnose". Dabei werde der Klient "im Trancezustand auf eine Südseeinsel entführt". Er sehe und fühle dabei, wie er unter Palmen am Strand liege und könne für die Zeit der Hypnose seine ganzen Sorgen vergessen. Das sei quasi ein Kurzurlaub für 60 Euro die Stunde.
"Jeder, der zu mir kommt, muss die Hypnose allerdings auch wirklich wollen, es zulassen. Er muss Vertrauen haben", macht Grätsch deutlich. Er werde auch im Hypnosezustand nichts gegen seinen Willen tun. Hier handele sie nach eindeutigen ethischen Grundsätzen. Die berücksichtige sie auch, wenn sie als Heilerin arbeite. Dabei bringe sie bei körperlichem Unwohlsein durch Handauflegen "die Energieflüsse wieder zum Laufen". Wie sie das macht, das wisse sie selbst nicht so genau. "Das Heilen durch Handauflegen bedeutet die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren, zu unterstützen," erklärt sie. Jeder Mensch verfüge über diese Kräfte. Bei den meisten seien sie aber verkümmert und benötigten gewissermaßen einen Anschub.
Warnung vor Scharlatanen
Als Heilerin begebe sie sich hier auf ein Gebiet, das von vielen Menschen belächelt oder verspottet wird. "Hypnose, wie ich sie betreibe, ist nicht böse und gefährlich", distanziert sich Sandra-Bernadett Grätsch von Scharlatanen, die vor großem Publikum Menschen scheinbar die unmöglichsten Dinge machen lassen. Deshalb macht Grätsch auch ihre Grenzen deutlich: "Einem schwer Krebskranken oder bei schweren psychischen Erkrankungen kann ich nicht helfen." Auch bei allen Hilfesuchenden frage sie zuerst nach der Diagnose des Arztes.
Seit einem Jahr haben es demnach die geistigen Heiler in Deutschland leichter, sich auf gesetzlich sicherem Boden zu bewegen. Das Bundesverfassungsgericht entschied am 2. März 2004, dass ihr Tun künftig auch ohne Heilpraktikererlaubnis möglich ist. Dieses Urteil war auch für Sandra-Bernadett Grätsch von großer Bedeutung. Die 51-Jährige, die jetzt schon seit knapp neun Jahren als Hypnosetherapeutin arbeitet, macht zwar erst diesen Herbst ihre Prüfung zur Heilpraktikerin im Bereich Psychotherapie, aber sie darf durch diese gesetzliche Regelung schon jetzt auch als geistige Heilerin arbeiten.
Zudem habe sie schon gespürt, dass sie eine große Wirkung auf Menschen habe und sich bereits in jungen Jahren sehr für Psychologie und Parapsychologie interessiert. Bücher von Freud, Rogers und weiteren bekannten Forschern gehörten und gehören zu ihrer Lektüre.
Kartenlegen als Lebenshilfe
Eine weitere Lebenshilfe bietet sie durch Kartenlegen und Pendeln, wobei sie betont, dass das nicht das Schicksal beeinflusse, sondern nur eine Entscheidungshilfe in bestimmten Situationen darstelle. Außerdem betreibe sie "weiße Magie", das heißt für ihre Klienten fertige sie bei Vollmond spezielle Glücks- und Liebesbeutel.
Ihr Mann Helmut Grätsch bietet in der Praxis in Eltmann und Gochsheim außerdem Massagen und Lymphdrainagen an. Der wiederum genießt selbst die Behandlung seiner Frau und hört wieder die rauchig-zärtliche Stimme auf der weichen Liege: "Du liegst in der Sonne, dir geht es gut, du fühlst dich sicher, du hast keine Angst . . ."
Stichwort
Hypnose
Bereits die alten Germanen kann-
ten die Hypnose. Hypnose gibt es
inzwischen fast 4000 Jahre. 1700
Jahre vor Christi Geburt wird die
Hypnose in Schriften erwähnt. Im
17. Jahrhundert von dem Arzt
Franz Anton Mesmer wieder ent-
deckt, lebte diese Therapieform
wieder auf. Das Wort Hypnose lei-
tet sich von dem griechischen Wort
"hypnos" für "Schlaf" ab. Mit der
medizinische Form der Hypnose
werden zum Teil schwere psychi-
sche Krankheiten behandelt.