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KREIS HASSBERGE: Die unsichtbare Qual macht Menschen mürbe

KREIS HASSBERGE

Die unsichtbare Qual macht Menschen mürbe

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    Zum Schreien: Die Ursachen von Schmerzen sind oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Das Symbolbild soll dies verdeutlichen.
    Zum Schreien: Die Ursachen von Schmerzen sind oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Das Symbolbild soll dies verdeutlichen. Foto: Foto: Jupiterimages

    Wer sich seinen Arm verbrüht, schreit vor Schmerzen. Seine Haut wird knallrot. Blasen überziehen den Arm und jeder sieht sofort, woher der Schmerz rührt. Doch es gibt höllische Schmerzen, deren Ursache niemand sieht. Bei Rheuma ist das beispielsweise der Fall, oder bei Bandscheibenvorfällen. Solche Schmerzen zermürben Menschen auf Dauer. Sie rauben ihnen am Ende oft die Lebenslust. Im Landkreis Haßberge gibt es zwei Selbsthilfegruppen für Menschen mit chronischen Schmerzen, in Haßfurt und Ebern. Dort erfahren Schmerzpatienten Verständnis und Hilfe.

    „Es geht ja nicht nur um den Schmerz an sich“, sagt Edith Keß aus Haßfurt, „Schmerz zieht dich runter und nimmt dir die Lebensqualität.“ Seit 15 Jahren hat die 60-Jährige Rheuma. Seit sie die Selbsthilfegruppe besucht, habe sie das Gefühl, „nicht mehr alleine dazustehen“. Edeltraud Schneiderbanger aus Wülflingen leidet ebenfalls unter Rheuma. Sie bestätigt: „In der Gruppe bin ich bestens aufgehoben.“ Sie habe dort genau das gefunden, wonach sie gesucht hat. Erst, als eine Nachbarin sie auf einen Terminhinweis in der Tageszeitung aufmerksam gemacht hatte, war sie zur die Selbsthilfegruppe gestoßen.

    „Draußen“ – damit meint sie außerhalb der Gruppe – begegneten ihr der Familie und im Alltag „nur Gesunde“. Für sich genommen, ist das nichts Negatives, im Gegenteil. Doch einen von Dauerschmerzen gepeinigten Menschen, erklärt Schneiderbanger, kann das zusätzlich belasten: Schließlich möchte niemand ständig über Krankheit und Schmerz reden. Das gilt auch für den Schmerzgeplagten selbst.

    Austausch und Vorträge

    In der Selbsthilfegruppe trifft ein Besucher auf Menschen, denen es genauso geht wie ihm selbst. Um dort Rückhalt zu erfahren und Ratschläge zu hören, ist es gerade nicht nötig, ständig über Schmerz zu reden. „Wir sprechen lieber über sehr vieles andere“, sagt Waltraud Burger (57) aus Haßfurt, die die Gruppe mit Heidrun Wagner (75) aus Haßfurt und Angelika Dittrich (60) aus Westheim leitet. Die etwa zehn Besucher, die zu den monatlichen Gruppentreffen erscheinen, tauschen sich im Gespräch aus, hören Fachvorträge, unternehmen etwas gemeinsam und geben einander Ratschläge – bieten aber keine medizinische Hilfe. Das bleibt Sache der Ärzte.

    Apropos Ärzte. Die meisten Menschen mit chronischen Schmerzen haben eine wahre Odyssee hinter sich, bis sie einen Arzt finden, der erkennt, woher ihre Schmerzen tatsächlich kommen, und diese gezielt behandelt. Eine Besucherin der Selbsthilfegruppe, die anonym bleiben möchte, berichtet von ihrer „Rennerei von Arzt zu Arzt“, bis ihr einer wirksame Medikamente gegen ihre Nervenschmerzen (Neuralgie) verschrieben hat. Einen Spießrutenlauf machen Schmerzpatienten auch oft dann durch, wenn sie von ihren Mitmenschen als wehleidige Jammerlappen abgestempelt werden. „Es besteht die Gefahr, dass man sich aus sozialen Beziehungen zurückzieht“, schildert die Frau.

    Menschen gehen sehr unterschiedlich mit Schmerzen um. Für manche sind Medikamente, oft starke Hämmer, der einzige Weg, um überhaupt noch ein halbwegs normales Leben führen zu können. Andere verzichten trotz ihrer Leiden darauf, auch deshalb, weil viele Schmerzmittel unangenehme Nebenwirkungen haben. Genau aus diesem Grund versucht Agnes Niesner aus Fatschenbrunn so wenig Medikamente zu nehmen wie möglich. Obwohl ihr die angehende Osteoporose und eine Arthrose schwer zu schaffen machen. Da hilft es ihr, wenn sie sich in der Selbsthilfegruppe zu Therapiemöglichkeiten austauschen kann.

    Schmerzmittel abgelehnt

    Als „Gegner von Medikamenten“ bezeichnet sich Ernst Pengler aus Haßfurt. Früher ist der Rentner jeden Tag 30 Kilometer mit dem Fahrrad gefahren. Heute schafft er das nicht mehr. Sein kompletter Bewegungsapparat schmerzt. Pillen lehnt er dennoch ab. „Der Körper hilft sich selbst durch die Schmerzen“, behauptet er. Auch solche Meinungen haben ihren Platz in der Selbsthilfegruppe. Nicht alle müssen sie teilen.

    So wie die Frau, die seit fast 30 Jahren an Gelenkschmerzen leidet. Ohne starke Medikamente könnte sie den Alltag nicht bewältigen, wie sie zugibt. „In der Gruppe habe ich erfahren, dass es nicht allein mir so geht“, sagt sie. „Ich muss mich dort nicht verstellen.“ Wenn jemand sie dort fragt „Wie geht es dir?“, dann weiß sie: Das ist ehrlich gemeint, dahinter steckt echtes Interesse. Zu oft verkommt diese Frage sonst zu einer hohlen Floskel, findet sie.

    Eine weitere Besucherin der Gruppe, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, weist darauf hin, dass Menschen mit chronischen Schmerzen nicht selten nicht nur körperlich leiden. Psychische Probleme können ebenso belasten, wenn der Dauerschmerz sich in den Körper eines Menschen hineingefressen hat und ihn nicht mehr loslässt. Für die Frau Ende 50, deren Wirbelsäulenerkrankung akut wurde, als sie Ende 20 war, war die Gründung der Selbsthilfegruppe in Haßfurt im Jahr 2006 eine große Hilfe. Sie hat dort einen neuen Halt für ihr Leben gefunden. Zuvor hatte sie sich schon an die im Jahr 2005 in Ebern gegründete Selbsthilfegruppe gewandt.

    Notizen zur SHG „Menschen mit chronischen Schmerzen“

    Über die Gruppe: Menschen mit chronischen Schmerzen jeder Art fühlen sich oft allein gelassen und unverstanden. In der Gruppe sollen Betroffene Wege finden zur Verbesserung ihres Gesundheitszustandes und ihres Selbstwertgefühls. Während der Gruppentreffen geht es vor allem um Erfahrungsaustausch, gegenseitige Unterstützung und Informationen. Darüber hinaus werden Vorträge und Besichtigungen, zum Beispiel von therapeutischen Einrichtungen, angeboten. Die Selbsthilfegruppe in Haßfurt trifft sich jeden dritten Donnerstag im Monat von 18.30 bis 20.30 Uhr im Alten- und Pflegeheim Sankt Bruno in Haßfurt, im Brunotreff (nächstes Treffen: 20. März).

    Die Gruppe in Ebern trifft sich jeden dritten Donnerstag im Monat um 18 Uhr im Seniorenheim St. Elisabeth in Ebern, im Seniorencafé. Beide Gruppen treffen sich auch regelmäßig zum gegenseitigen Austausch. Kontakt zur Gruppe: Ansprechpartnerin für die Gruppe Haßfurt ist Waltraud Burger, Tel. (0 95 21) 13 53. Ansprechpartnerin für die Gruppe Ebern ist Waltraud Schneider, Tel. (0 95 31)9 43 68 68. Weitere Infos: Deutsche Schmerzliga, Adenauerallee 18, 61440 Oberursel, Tel. (0 61 71) 28 60 59, E-Mail: info@schmerzliga.de, Internet: www.schmerzliga.de

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