Bange Blicke zum Himmel, Hoffnung auf zumindest trockenes Wetter und dann pünktlich um 18.05 Uhr einsetzender Regen – einen bescheideneren Start in die Saison hätte sich bei der Stettfelder Freilichtbühne in ihrem 95. Jahr niemand vorstellen können.
Schweren Herzens mussten die Schauspieler die Premiere der Komödie „Fauler Zauber“ am vergangenen Freitag absagen. Doch die Stettfelder Schauspieler wären nicht sie selbst, wenn sie sich von derartigen Kleinigkeiten entmutigen ließen. Schnell war der Mittwoch als Ersatztermin ausgemacht und am Samstag, dem Tag nach der ausgefallenen Premiere, begann ein Theaterwochenende, das den Gästen, die stellenweise aus ganz Bayern, Hessen und Baden-Württemberg angereist waren, noch lange in Erinnerung bleiben wird. Zwar kam es immer wieder zu kurzen Schauern, das tat der Stimmung auf und vor Bühne allerdings keinen Abbruch.
„Fauler Zauber“ war das Motto der diesjährigen Spielzeit und das neue Stück von Autor Christian Ziegler, das unter der Regie von Maria Egglseder erarbeitet wurde, drehte sich um Esoterik in allen Spielarten. Darin brachte Lydia Schneiderbanger (Andrea Ullrich mit herrlich gestelztem Hochdeutsch) den österreichischen Wunderdoktor Victor v. Stein (Christian Ziegler) und seine Assistentin Celeste (Bettina Fösel) mit nach Stettfeld. Schnell wurde klar, dass die beiden Scharlatane einen Plan ausgeheckt hatten, um die Leichtgläubigen um ihr sauber verdientes Geld zu prellen. Von der Esoterik-Hysterie angesteckt waren deshalb auch die Gemeinderäte Richard (David Krüger) und Lieselotte (Christine Krug/Julia Melchior) sowie der Bürgermeister Dieter (Thorsten Kneuer), die Stettfeld schon als Kurbad wähnten. Schließlich hatte Lydia ihnen mitgeteilt: „Ter Herr Professor von Stein klaupt, tass unser Kartenprunnen eine Heilquelle sein könnte!“
Um den Beweis dafür zu erbringen, musste Udo Busch als ihr Ehemann Hartmut allerdings erst eine an-hypnotisierte Krankheit erleiden, um schließlich in einer großen Zeremonie geheilt zu werden. Das mystische Heilwasser traf aber nicht unbedingt seinen Geschmack. „Heilwasser muss so schmecken, probier mal das Rakoczy-Wasser in Bad Kissingen – da weißt du auch gleich, warum das so heißt!“, wies ihn Gemeinderat Richard zurecht.
Der Ortsgeistliche Dr. Theophil Lustbader (Georg Klarmann in einer Paraderolle) und seine bigotte Pfarrgemeinderatsvorsitzende Heiderose Übel (Birgit Amling), hinter vorgehaltener Hand nur „die Sumpfdotterblume“ genannt, wollen ebenfalls ihr Stück vom Kuchen abhaben. Mit gefälschten Kirchenbüchern und angeblichen Reliquien wollen sie Abhilfe schaffen. Denn: „Herr Pfarrer-Doktor, es ist höchste Zeit diesen Heidenmenschen die Heilquelle zu entreißen!“
Nur gut, dass Oma Hildegard (Anne Mantel) und ihre Enkeltochter Sarah (Christina Then) einen kühlen Kopf behalten und alles dafür tun, um die Hochstapler zu entlarven. Einen fingierten Herzinfarkt später, festgestellt von einem „Doktor“ aus dem Publikum, beginnt Hildegard plötzlich zu spuken und führte allen Beteiligten so ihre eigene Dummheit vor Augen. So können Sarah und ihr Freund Lukas (Michael Then in einer Mini-Rolle) schließlich doch noch die guten Neuigkeiten ihrer Hochzeit und Elternschaft verkünden und die Geschichte kommt zu einem guten Ende.
Tosender Applaus und zufriedene Gesichter waren der Lohn für die harte und intensive Probenarbeit der vergangenen Monate. „Wir kommen jedes Jahr und es ist immer wieder ein Erlebnis“, freute sich Gerlinde Lang aus Ottendorf über einen gelungenen Theaterabend. Eine Besucherin aus Staffelbach verabschiedete sich mit den Worten: „Ich muss jetzt ham, ich hab Bauchweh vor lauter Lachen“. Solche Komplimente hören die Stettfelder gerne und so wurde auch klar, dass Christian Ziegler seinen Theaterkollegen die Rollen einmal mehr auf den Leib geschrieben hatte. „Ihr seid einfach großartig“, bedankte er sich bei allen Schauspielern.
Auch der Nachwuchs brilliert
Das Märchenstück der „Theater Kids“ stand dem Stück der „Großen“ in keiner Weise nach. Mit Herzblut und Spielfreude ließen die zehn Kinder und Jugendlichen ihr „App ins Märchenland“ – ebenfalls aus der Feder von Christian Ziegler – zum Genuss für Jung und Alt werden. Die Kinder zeigten unter der einfühlsamen Regie von Maria Egglseder großartige schauspielerische Leistungen. Moderne Motive, gemischt mit klassischen Märchen, kleine Seitenhiebe auf den Zeitgeist und eine Geschichte, die für Kinder- und Erwachsene gleichzeitig interessant war, das waren die Zutaten, mit denen die Jungschauspieler zwei zauberhafte Nachmittage gestalteten.
Da den Kindern in der Menschenwelt nur noch wenige Märchen vorgelesen werden, beginnt das magische Königreich immer mehr zu verblassen. Die böse Königin Eloise (Annika Berninger in einer herrlich diabolischen Rolle) fasst deshalb den Plan, die wirkliche Welt zu unterwerfen.
Mit einem verzauberten Handy kommt sie in die kleine Stadt Spielberg und reißt sich den Bürgermeister Erich (von Leo Kneuer mit präziser Autorität verkörpert) unter den Nagel. Auch Frau Achtmann (Christina Schöpplein, wunderbar pedantisch) gerät in ihren Bann. Einzig Erichs Tochter Theresa (eine charmante Rosa Kneuer) und ihre Freunde Max und Ricky (Gianluca Egglseder und Jakob Zehendner in betonter Lässigkeit) merken, dass etwas nicht stimmt und ergreifen Maßnahmen, um die Menschenwelt zu retten. Unterstützung erhalten sie vom zynischen Zauberspiegel Lexi (Christian Ziegler) und den Märchenfiguren Alain (Felix Kuhn als zauberhafter gestiefelter Kater), Rotkäppchen (von Emely Pfister aufgeweckt verkörpert) und Dornröschen (Joanna Egglseder herrlich hochnäsig). Egal ob im Märchenwald oder im Schulunterricht des strengen Fräulein Haberstroh (perfekt dargestellt von Emma Zehendner) – die sechs Helden finden eine Lösung, in dem alle mit ihren eigenen Stärken zusammenarbeiteten. So endet Eloise als Maus im Magen von Alain und die Märchen-Oma (Maria Egglseder) kann mit allen zusammen das klassische Ende eines jeden Märchens sprechen. „Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute“.
„So eine Veranstaltung wäre ohne all die Helfer im Hintergrund nicht möglich“, bedankte sich Maria Egglseder. Egal ob Bühnenbildner Rainer Ullrich, der sich in diesem Jahr selbst übertroffen hatte, Dekorateurin Martina Kneuer mit ihrem stilsicheren Blick fürs Detail oder Maskenbildnerin Jenny Krug, die heuer mit den zahlreichen Kostümwechseln alle Hände voll zu tun hatte; „Alle sind gleich wichtig für eine gelungene Aufführung.“ Das galt auch für die beiden „Nummern-Girls“ Anne Kneuer und Isabell Krug, die mit ihren Schildern das Publikum über die entsprechende Zeit informierten und Gianluca Egglseder, den „Herrn der Spezialeffekte“.
„Wir haben eine super Truppe und einen großartigen Nachwuchs, da ist mir für die Zukunft nicht bange“, lautete Maria Egglseders Schlusswort.