(sn) Bereits mit dem letztjährigen Pfingstauszug der historischen „Bürgerwehr 1848 Königsberg in Franken“ legte Reinhold Dellert sein Amt als Oberleutnant nieder. Nun wurde er für sein langjähriges Engagement für die Königsberger Tradition im Rahmen des diesjährigen Auszugs feierlich in den Ruhestand verabschiedet.
So früh es nur ging – mit der Vollendung des 14. Lebensjahres – trat Reinhold Dellert 1964 in die Bürgerwehr ein. Bis auf eine kurze Abwesenheit zwischen 1968 und 1973, nach seiner Ausbildung zum Finanzbeamten, blieb er ihr stets treu, bis er nun aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr mitmarschieren kann.
Über 30 Jahre machte sich Reinhold Dellert zudem als Leutnant um die Königsberger Tradition verdient. Es war im Jahr 1977, als er während seiner Arbeit im Finanzamt Zeil aus heiterem Himmel einen Anruf von Heinz-Gundolf Schmoll erhielt: „Wir haben uns mal die ganzen Züge angeschaut und da bist du uns aufgefallen - du musst Leutnant machen“, erklärte der Hauptmann.
Ins kalte Wasser geworfen
„Als Bürger bin ich ohne Vorwarnung Leutnant geworden“, erinnert sich Reinhold Dellert, der, anders als üblich, kein anderes Amt im Kommando der Bürgerwehr bekleidete. Nicht zuletzt war es ein größerer Umbruch, der 1977 im Kommando vollzogen wurde, so dass nach fähigem Nachwuchs gesucht werden musste. Doch bevor er das erste Mal als Offizier in Erscheinung trat, wurde vorab unter der Anleitung von Walter Burkard ausgiebig trainiert: „Wir sind einzeln marschiert und es wurde auf Fuß–, Bein– und die gesamte Haltung geschaut.“
Ein fähiger Marschierer war Reinhold Dellert allemal, dank seines Rhythmusgefühls als Musiker und seiner durch das Turnen angeeigneten Körperspannung. Schon bei der Bundeswehr sei er womöglich als guter Marschierer aufgefallen und wurde im Standort Veitshöchheim in die Ehrensektion berufen, die ab und an zu politischen Anlässen angefordert wurde. Der Stechschritt war dort allerdings nicht gefragt: „Da gibt es keinen Parademarsch – den gibt es nur in der Bürgerwehr“, erzählt Dellert schmunzelnd.
1993 übernahm Reinhold Dellert die Führung der Fahnen- beziehungsweise Ehrenkompanie. Als 2003 das Amt des Oberleutnants vakant wurde, verzichtete Reinhold Dellert auf eine Beförderung. „Da ich so gerne marschiere, bin ich lieber Fahnenleutnant geblieben“, erklärt er. Dass ihm der Parademarsch am Herzen lag, zeigte sich nicht nur an seiner perfekten Körperhaltung mit nahezu rechtwinklig angewinkeltem Bein, welches mit der durchgestreckten Fußspitze stets mit gerader Linie durch die Luft schnitt, sondern auch bei den Auftritten der Ehrenkompanie bei auswärtigen Festivitäten: „Dann konnte ich mal richtigen Parademarsch machen“, erzählt er. Selbst um Kurven, bergauf und bergab, sei man im Stechschritt marschiert. „Da haben manche bös' geblasen“, erinnert er sich augenzwinkernd. Und so wollte sich Reinhold Dellert nur ungern vom Amt des Fahnenleutnants trennen. Erst 2007 ließ er sich dazu breitschlagen Oberleutnant zu werden.
Heimattreue statt Klamauk
16 Jahren als Leutnant, 14 Jahren als Fahnenleutnant und vier Jahren als Oberleutnant übergab Dellert nun sein Amt an Michael Burkard – gäbe es die gesundheitlichen Bedenken nicht, er hätte nur zu gerne noch ein paar weitere Jahre angehängt, denn die Bürgerwehr ist für ihn Ausdruck der Heimatverbundenheit. „Das darf man trotz allem Klamauk nicht übersehen“ – obgleich die Zuschauer lustige Situationen förmlich erwarten würden.
„Ich habe einmal als Fahnenleutnant Schuhe angehabt, bei denen sich immer die Bändel lockerten“, erinnert er sich. Dann musste ich dem Hauptmann Meldung erstatten, wozu der Fahnenleutnant im Stechschritt auf jenen zumarschieren muss. „Da sehe ich, dass mein Schuh sich dermaßen geöffnet hat – wenn ich da marschiert wäre, hätte ich dem Hauptmann den Schuh entgegengeschleudert“, lacht Dellert. Dass er spontan entschied, das Prozedere zu unterbrechen und seinen Schuh neu zu binden, empfand er im Nachhinein als deplatziert: „Der Hauptmann war dann richtig ärgerlich.“ Ein zweites Mal ist ihm ein solches Malheur natürlich nicht passiert.
Fortan wird er den Umzügen der Bürgerwehr mit wesentlich mehr Gelassenheit entgegenfiebern. Vorbei ist es mit der Anspannung, die ihn sogar vom jährlichen, feierlichen Auszug an Pfingstdienstag träumen ließ.
Um die Zukunft der Bürgerwehr ist es Reinhold Dellert jedenfalls nicht bange: „Es wird immer was Brauchbares nachkommen“, sagt er schmunzelnd. Einzig das fehlende Verständnis und Traditionsbewusstsein bei vielen Zugezogenen findet er etwas schade. Umso verwurzelter hingegen ist die Tradition bei „echten“ Königsbergern, deren Heimatverbundenheit sich zu den jährlichen Pfingstfeierlichkeiten äußert. Und all jene stimmen ohne Zögern ein, wenn Reinhold Dellert sagt: „Es wäre schade, wenn es die Bürgerwehr einmal nicht mehr gäbe.“