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HASSFURT: Ein guter Song verträgt auch mal einen falschen Ton

HASSFURT

Ein guter Song verträgt auch mal einen falschen Ton

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    Er hat sie alle kennengelernt: Stars wie James Brown, Prince oder Diana Ross. Jetzt hat Fritz Egner ein Buch geschrieben: „Mein Leben zwischen Rhythm & Blues“. Daraus liest der bekannte Radio- und Fernsehmoderator im Rahmen des Haßfurter Literaturfestivals am Freitag, 29. April, in der Stadthalle Haßfurt. Mit uns sprach Fritz Egner im Interview unter anderem über sein Leben im Zeichen der Musik und über seine Erfahrungen als Musikjournalist und Moderator.

    Sie haben 20 000 CDs und 25 000 Langspielplatten. Wo haben Sie die denn alle untergebracht?

    Fritz Egner: Das sind Schränke in einem sehr großen Raum, in dem habe ich das Ganze akribisch und nach bestimmten Kriterien geordnet, sodass ich eigentlich alles innerhalb weniger Minuten oder gar Sekunden finde. Die Zahl ist aber mittlerweile nicht mehr ganz richtig. Mittlerweile sind es etwa 50 000 CDs und noch 10 000 LPs.

    Heißt das, Sie haben Platten weggeschmissen?

    Egner: Ich habe da einige digitalisiert und dann weggegeben.

    Stichwort digitalisiert: Das heißt, Sie kommen wohl inzwischen nicht mehr darum herum, ab und zu auch mal eine MP3-Datei zu hören, oder?

    Egner: Ja, das ist schon aus praktischen Gründen gar nicht mehr anders möglich. Und im Sender kann ich ohnehin mit Platten, CDs oder sowas gar nicht mehr ankommen. Da muss alles digitalisiert eingespielt werden. Sonst könnte ich gar nicht arbeiten.

    Wenn Sie die Wahl hätten, würden Sie dann vielleicht doch lieber auch Platten abspielen im Radio? Es heißt ja, eine Platte anzuhören ist vom Gefühl her etwas anderes als eine CD.

    Egner: Ja, das stimmt schon. Das Ritual ist sicherlich eher ein psychologischer Faktor. Weil ab einem bestimmten Alter hört man keine Töne mehr oberhalb von zehn Kiloherz und ich glaube, das schafft jede CD. Ich spiele alles komprimiert als MP3 auch im Radio ab, allerdings auf der höchsten Qualitätsstufe. Und es hat sich noch nie ein Hörer beklagt. Denn selbst bei den digitalisierten Sachen von Vinyl, bei denen man die Knackser, die statischen Geräusche noch wahrnehmen kann, da sagen die Leute: „Toll, dass Sie mal wieder ne Vinylplatte gespielt haben!“ Obwohl es eine MP3-Datei war. Ich glaube, es ist eher das Haptische und das schöne Gefühl, sich hinzusetzten und eine Platte aufzulegen, als die wirkliche Tonqualität.

    Was war die letzte Platte oder das letzte Album, das Sie sich gekauft haben?

    Egner: Das ist ganz schwer zu sagen, weil ich dauernd irgend welche Platten kaufe. Das Letzte, das ich gekauft habe, war eine Sammlung von Platten, allerdings auf CD, von Harry Belafonte.

    Was hören Sie denn im Auto? MP3 oder Radio?

    Egner: Im Auto beides. Da springe ich vom einen Medium zum nächsten. Da habe ich auch noch einen CD-Spieler drin. Aber das hängt von der Stimmung ab oder davon, worauf ich mich gerade vorbereite.

    Das heißt, Sie arbeiten auch während der Fahrt, indem Sie bestimmte Musik anhören?

    Egner: Das ist der hauptsächliche Grund. Oder aber auch mal, um meine Stimmungslage zu verbessern. Dann höre ich, was mir gerade einfällt. Da habe ich immer meine zwei, drei I-Pods dabei, die alle voll sind.

    Haben Sie einen Lieblingssong? Aktuell oder einen All-Time-Favorite, falls Sie so was haben?

    Egner: Ich habe jetzt 43 000 Titel auf meiner Mediathek. Da zu sagen, einer ist besonders hervorstechend, das ist schwierig. Aber es gibt einen Song, den ich von seiner prophetischen Aussage her und seiner Intonation und so weiter ganz toll finde. Das ist von Sam Cooke: „A Change is gonna come“. Das ist ein Titel aus den frühen Sechzigern, als die Zuordnung noch nicht so richtig geklappt hat. Man könnte Soul dazu sagen. Sam Cooke war ein außerordentlicher Sänger, unverwechselbar und höchst glaubwürdig und authentisch. Das ist mir generell wichtig in der Musik.

    Woher kommt denn bei Ihnen die Begeisterung für diese Art von Musik? Waren vielleicht Ihre Eltern schon sehr musikaffin?

    Egner: Das ist eine Frage, die ich mir selber oft stelle, denn es kam nicht aus der Familie. Ich hatte zwar Klavierunterricht, aber mit einer inkompetenten Pädagogin. Es war eher vielleicht eine Rebellion gegen die Musik, die meine Eltern gehört haben. Das waren Operetten und volkstümliche Sachen. Vielleicht ist dadurch eine Entscheidung gefallen, sich anders zu orientieren. Dabei hat mir ein Radiosender sehr geholfen: der amerikanische Sender AFN.

    Bei dem haben Sie den Beruf des Studiotechnikers gelernt...

    Egner: Genau. Der Sender hatte mich schon als Kind sehr stark mit seiner Musikvielfalt beeinflusst. Der hat alles gespielt von Country bis Rhythm and Blues. Und es war fast in jedem Musikgenre etwas dabei, das mir gut gefallen hat. Das war der amerikanische Militärsender, der eigentlich für die Soldaten eingerichtet wurde in Deutschland. Der war so gestaltet, wie ein amerikanischer Radiosender in den Sechziger- und Siebzigerjahren aufgebaut war. Er musste allen ethnischen Gruppen, die in der Armee vertreten sind, etwas bieten. Daher kam diese unglaubliche Vielfalt. Das fände ich auch heute noch gut, wenn ein Sender dieses absolut breite Musikangebot hätte. Aber alle spielen heute das Gleiche.

    Sie haben zwei Kinder. Haben die Ihre Musikbegeisterung geerbt?

    Egner: Ja, das kann man schon sagen. Meine Tochter ist mittlerweile 19, die hat jetzt natürlich ihre eigene Musik zusätzlich für sich entdeckt. Mein Sohn ist sieben, der muss in Sachen Musik noch durch einiges durch. Es ist natürlich bei einem Vater wie mir schwer, aus der Musik rauszukommen. Die Kinder haben meine Musik natürlich mitgehört. Aber was mich daran erstaunt, ist, dass meine Kinder nie sagen, „das ist alt oder neu“, sondern „das ist gut oder schlecht“.

    Machen Sie auch selber Musik?

    Egner: Nein, eben nicht, weil die Klavierlehrerin damals versagt hat. Ich hätte schon ganz gerne Klavier gelernt. Aber sie zwang mich zu Musik, die ich nicht empfinden und nicht fühlen konnte. Ich musste bei ihr immer nur deutsche Volksweisen spielen. Rock 'n' Roll hätte geholfen, mich zu begeistern.

    Aber ist Rock 'n' Roll auf dem Klavier zu spielen nicht schon ein wenig die hohe Kunst?

    Egner: Boogie und Rock 'n' Roll ist eigentlich immer auf dem Klavier gespielt worden. Das geht schon mit ein bisschen gutem Willen.

    In Ihrem Buch erzählen Sie Geschichten aus Ihrem Leben mit der Musik. Was ist denn die vielleicht schrägste oder kurioseste Geschichte, die Ihnen mal passiert ist?

    Egner: Die Begegnungen mit Musikikonen sind immer etwas seltsam und auch fast schon schwierig zu vermitteln. Da spielen Gefühl und Emotion eine große Rolle. Das sind ganz außergewöhnliche Menschen, die man in einer Anekdote gar nicht so richtig erzählen kann – sei es Mick Jagger oder Rod Stewart, sei es James Brown oder Stevie Wonder. Das sind außergewöhnliche Menschen und ich bin dankbar, dass ich die persönlich kennen lernen durfte bei oft mehreren Begegnungen. Aber kurios ist da fast jede Begegnung gewesen.

    Mit welchem großen Künstler hätten Sie gerne mal ein Interview geführt, der bereits verstorben ist?

    Egner: Definitiv mit Ray Charles. Und natürlich hätte ich gerne mit Elvis Presley ein Interview gemacht. Ich bin nicht direkt ein Fan von irgend einem ganz Bestimmten. Aber Elvis Presley war in meiner Kindheit und Jugendzeit einer, der die Welt der Musik verändert hat. Da hätte ich gerne ein bisschen mehr gewusst, als das, was üblicherweise über ihn geschrieben und gehört wird.

    Und welchen lebenden Künstler würden Sie gerne mal treffen?

    Egner: Eine Riesenlücke, die ich da noch habe, ist Aretha Franklin. Sie wird bei allen Umfragen als beste Sängerin aller Zeiten benannt. Sie hat außerdem ein sehr bewegtes und sehr dramatisches Leben hinter sich. Aber da bin ich noch dran. Das ist nicht ausgeschlossen, dass ein Treffen demnächst klappt.

    Was war das kürzeste Interview, das Sie jemals geführt haben?

    Egner: Das war mit Don Johnson (Anm. d. Red: amerikanischer Schauspieler, der unter anderem durch die TV-Serie Miami Vice bekannt wurde). Der hatte auch mal eine Platte aufgenommen, mich dann allerdings beim Interviewtermin so lange warten lassen, dass es beim Händeschütteln geblieben ist. Ich habe mich bedankt, aber mehr nicht. Ich hatte die Lust auf das Interview verloren.

    Das ging also von Ihnen aus?

    Egner: Ja, das ging von mir aus. Auf andere Künstler habe ich auch schon mitunter lange gewartet, wenn ich die unbedingt interviewen wollte. Aber Don Johnson als Sänger hat mich nicht so beeindruckt. Da waren keine Fragen mehr offen, ich war dann recht verärgert. Und arrogant war er obendrein.

    Im Radio laufen tagsüber gefühlt vielleicht 50 Songs in Dauerschleife. Ist der Geschmack der Radiohörer Ihrer Meinung nach wirklich so eintönig? Wünschen Sie sich mehr Mut von den Radiosendern, auch mal was zu spielen, was nicht jeder hören will?

    Egner: Natürlich wünsche mir das. Aber ich bin halt auch nicht der Standardhörer. Die Sender richten sich nach Standardhörern und die haben eine Verweildauer von vielleicht 20 Minuten und schalten dann um. Das ist heutzutage sehr schwierig geworden, weil es sehr viele Sender gibt, die allerdings alle ähnlich klingen. Jeder Sender versucht, eine gewisse Zielgruppe zu erreichen. Und er muss das mit Musik versuchen. Andere Möglichkeiten gibt es nicht. Da kommt eine gewisse Gleichförmigkeit auf. Ich beneide die Programmdirektoren von Radiosendern nicht, weil es außerordentlich schwierig ist, ein Publikum gezielt zu erwischen. Das hat zum Beispiel auch mit der Werbung zu tun. Da gibt es so viele Kriterien, die sie beachten müssen, dass es wahrscheinlich gar nicht sehr viel anders geht. Ich würde auch gar nicht vom Mut reden, sondern vom Selbstbewusstsein. Ich würde den Programmmachern mehr Selbstbewusstsein wünschen und mehr Musikkenntnis. Die Hörer sind dankbar, wenn sie mal was bekommen, was sie nicht jeden Tag hören. Das merke ich an meiner Sendung. Aber das kann man wahrscheinlich auch nicht verallgemeinern, denn die Leute schalten bei mir wohl gezielter ein als woanders. Und im Tagesprogramm sind die Hörer meist nur zufällig gerade da oder nicht so gezielt auf eine Musik eingestellt. Die wollen unterhalten werden und sich berieseln lassen.

    Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Noten. Sehen Sie das Problem, dass jede Harmonie irgendwann einmal gespielt worden ist und dass es dann nichts Neues mehr gibt?

    Egner: Das ist eigentlich schon so weit. Es ist alles schon mal da gewesen. Deswegen kommt es einem wie mir, der die Musik schon 50 Jahre lang verfolgt, immer wieder so vor als hätte er das schon mal gehört oder als wiederholt sich etwas schon zum vierten Mal. Das ist Tatsache. Aber was sich nicht wiederholen und duplizieren lässt, das sind Emotionen. Und Musik soll ja Emotionen bewegen. Mit Stimmen, mit Ausdruck, mit neuen Instrumenten und mit einer bestimmten Art von Einsatz der Instrumente kann man schon nach wie vor noch neu Emotionen wecken. Die Gefahr ist nur, dass die Technik zu glatt produziert und kaum mehr wirklich emotionale Sachen zulässt. Denn auch eine falsch gesungene Note kann mal emotional etwas auslösen. Es gibt keine Formel dafür, aber alles, was so perfekt und glatt ist, ist emotional eher begrenzt.

    Wo wir gerade bei Wiederholungen sind: Beim Eurovision Song Contest gibt es regelmäßig den Vorwurf an Künstler, dass die Musik „geklaut“ ist. Was halten Sie vom ESC?

    Egner: Das ist die Urform des Castings. Das hat mich noch nie besonders beeindruckt. Da werden Standards abgespielt und auf relativ einfache Art wird versucht, die Leute zu begeistern. Das wird immer schwieriger, weil auch nationale Interessen bei der Wahl mit reinschwingen. Das ist eine nette Veranstaltung ohne Tiefgang. Wenn da ein außergewöhnlicher Musiker auftritt, wird er entweder belächelt oder gar nicht wahrgenommen. Das hat nicht viel mit dem zu tun, was ich unter musikalischer Emotion verstehe.

    Moderator beim Radio oder TV – Was machen Sie lieber?

    Egner: Eindeutig Radio! Im Fernsehen ist man auf die Zuarbeit und Unterstützung von vielen Menschen angewiesen. Deshalb ist das Resultat nur ein kleines Stück von einem selbst. Der Zuschauer empfindet die Rolle des Moderators vor der Kamera immer als die entscheidende. Aber da spielen so viele andere Dinge mit, die man gar nicht beeinflussen kann als Moderator. Wenn man viel Glück hat – wie in meinem Fall – bekommt man den Applaus auch für die Arbeit der anderen. Doch wenn es insgesamt nicht stimmt, dann kriegt man auch die negative Seite ab. Beim Radio ist man für 99 Prozent dessen, was man vermittelt, selbst verantwortlich und man ist selbst der Steuermann. Das ist der große und wesentliche Unterschied. Da ist es auch wirklich so: Wenn man Erfolg hat, kann man sich den selber zuschreiben. Wenn es ein Misserfolg ist, kann man es aber auch keinem anderen in die Schuhe schieben.

    Sie sind jetzt 67 Jahre alt. Haben Sie für die Zukunft Ruhestandspläne, die Sie unseren Lesern verraten wollen?

    Egner: Da würde ich vielleicht noch mal irgend welche Reisen machen, aber ich würde nicht sehr viel ändern. Radio kann man machen, bis man umfällt – solange jemand das Mikrofon hinstellt und man geistig einigermaßen flexibel bleibt. Die Hörer wachsen ja mit einem und werden auch älter. Wenn ich jetzt mehr Zeit hätte, würde ich gerne mehr lesen, vor allem Biografien. Da habe ich zu wenig Zeit mit Kindererziehung, Familie und Job. Aber ansonsten sind keine Wünsche offen, die ich mir unbedingt noch erfüllen will.

    Letzte Frage: Kennen Sie Haßfurt?

    Egner: Nur vom Namen her. Der ist mir immer schon vertraut gewesen, aber ich war noch nie dort. Das ist noch eine offene Reiselücke. Ich bin schon gespannt, wie sich Haßfurt mir gegenüber zeigt. Ich freue mich auf jeden Fall darauf.

    Festivalprogramm • 20. April, 19.30 Uhr, Stadthalle: Martin Walser, „Statt etwas oder Der letzte Rank“ • 21. April, 16.00 Uhr, Stadthalle: Paul Maar „Schiefe Märchen und schräge Geschichten“ • 21. April, 19.30 Uhr, Stadthalle: Klaus Peter Wolf, „Ostfriesentod“ • 22. April, 19.30 Uhr, Stadthalle: Bas Böttcher, „Die verkuppelten Worte“ • 23. April, 15.00 Uhr, Stadthalle: Finn-Ole Heinrich, „Frerk der Zwerg“ • 24. April, 10.00 Uhr, Grundschule: Finn-Ole Heinrich, „Die erstaunlichen Abenteuer der Maulina Schmitt“ • 25. April, 10.00 Uhr, Grundschule: Ursula Poznanski, „Elanus“ • 25. April, 19.30 Uhr, Stadthalle: Axel Hacke, „Das kolumnistische Manifest“ • 26. April, 19.30 Uhr, Stadthalle: Heiner Geißler, „Was müsste Luther heute sagen“ • 27. April, 19.30 Uhr Stadthalle: Benedict Wells, „Vom Ende der Einsamkeit“ • 28. April, 19.30 Uhr, Stadthalle: Amelie Fried „Ich fühle was, was Du nicht fühlst“ • 29. April, 19.30 Uhr, Stadthalle: Fritz Egner, „Mein Leben zwischen Rhythm & Blues“ • 30. April, 15.00 Uhr, Stadthalle: Alexandra Helmig, „Kosmo und Klax“ Karten für alle Veranstaltungen im Rahmen des Literaturfestivals gibt es in der Geschäftsstelle des Haßfurter Tagblatts, Brückenstraße 14 in Haßfurt, Tel. 09521/17 14.

    Haßfurter Literaturfestival In diesem Jahr veranstalten die Stadt Haßfurt und der Veranstaltungsservice Bamberg zum ersten Mal das Haßfurter Literaturfestival. Zwischen dem 20. und 30. April werden namhafte Schriftsteller in der Stadthalle aus ihren Werken vorlesen. Einige Kinderbuchautoren lesen zudem in der Haßfurter Grundschule. Das Haßfurter Tagblatt stellt im Vorfeld die beteiligten Schriftsteller vor.

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