„Es sind drei harte Tage im Jahr“ – Ludwig Klarmann lacht verschmitzt und man merkt sofort, dass er es nicht ernst meint. Aber ein bisschen Ausnahmezustand herrscht bei den Klarmanns in Hofheim immer wieder kurz nach Pfingsten dann doch. Der Grund wird auf der überdachten Veranda sichtbar: Dort zieht seine Frau Luitgard Klarmann mit dickem Stift Linien nach, tüftelt konzentriert und legt probeweise Blüten auf das riesige Blatt Papier. Auch wenn dort lediglich Konturen zu sehen sind – am Donnerstag soll es seine volle Pracht entfalten. Dann wird daraus ein Blumenteppich. Wie in vielen Ortschaften halten auch in Hofheim Frauen diese Tradition an Fronleichnam aufrecht. Luitgard Klarmann ist eine von ihnen.
Es ist schon einige Monate her, dass die Geburtsstunde ihres Motivs schlug. Mit einer Reisegruppe waren die Klarmanns in die Ukraine unterwegs, als Luitgard Klarmann in Budapest in der berühmten Fischerbastei ein Relief entdeckte – ein umranktes Lamm. Sofort war für sie klar, dass es ihr Motiv für den Blumenteppich am Altar vor dem Fränkischen Hof in Hofheim werden würde. „Auch wenn ich eigentlich das ganze Jahr über auf der Suche nach Motiven bin.“
Die weitere Umsetzung lief dann als Familienarbeit. Ihr Mann Ludwig machte ein Bild vom Relief. Sohn Horst vergrößerte das Bild per Projektor auf die Größe, die denn auch der Blumenteppich haben sollte. Und so kommt nun das Budapester Lamm zu Ehren in der Hofheimer Hauptstraße. Und die ersten Stunden Arbeit sind bereits in das Bild geflossen, ohne dass überhaupt die späteren Hauptakteure – die Blumen nämlich – ins Spiel gekommen wären.
Nicht immer ist die Motivauswahl so einfach wie in diesem Jahr, berichtet Klarmann. Meist war es bislang so, dass ihr eine Idee kam und sie dann selbst dazu Skizzen anfertigte, bis dann der fertige Entwurf vor ihr lag.
Ist die Entwurfsarbeit in diesem Jahr einfacher, hat Klarmann diesmal ganz andere Schwierigkeiten zu bewältigen: Woher die Blumen nehmen? Gleich zwei Faktoren machen es den Blumenteppich-Gestaltern in diesem Jahr alles andere als leicht: Fronleichnam wird zu einem späten Zeitpunkt gefeiert, da sind schon viele Blüten vergangen. Und auch unter der lange anhaltenden Trockenheit hatte die Blütenpracht gelitten. Zudem hat es in den vergangenen Tagen auch noch in die verbliebenen Blüten geregnet.
Auf jeden Fall werden die Rosen der Klarmanns in diesem Jahr dran glauben müssen. Sie werden wohl der rote Kranz um das sitzende Lamm werden. Bitter: Die Pfingstrosen-Blüte ist längst vorbei und die hatten immer besonders viele Blütenblätter und kräftige Farben gebracht. Die Farben der Blumenteppiche nämlich sollen leuchtend sein, aber in sich auch wieder harmonisch. Was bedeutet: Wichtig wäre eine große Blüten-Auswahl.
Jedes Jahr wieder genügend Blüten beizubekommen wird allerdings nicht einfacher, berichtet Klarmann, die zusammen mit ihrem Team schon seit vielen Jahren den Blumenteppich in der Hofheimer Hauptstraße gestaltet. Die Leute, die wie selbstverständlich auf sie zukommen und Blumen für den Blumenteppich anbieten werden weniger, berichtet sie. Dennoch gibt es noch Leute, für die es selbstverständlich ist, dass Klarmann am Tag vor Fronleichnam einfach im Garten nach Blüten Ausschau halten kann.
Und dann ist auch wieder Ehemann Ludwig gefragt: Seit Jahren immer am Mittwochnachmittag vor Fronleichnam heißt es für ihn: Die Hecke vor dem Haus schneiden. Denn auch die jungen Heckentriebe werden gebraucht.
Ernst wird es dann für Luitgard Klarmann und die vielen anderen Blumenteppich-Künstlerinnen am Morgen des Feiertags Fronleichnam. Um 6 Uhr trifft sie sich mit ihrem Team am Fränkischen Hof um aus dem Motiv den prächtigen Blumenteppich werden zu lassen.
Der Altar wird aufgebaut und geschmückt und dann wird Klarmanns Blumenteppich-Vorlage vor dem Altar auf dem Boden befestigt und darauf dann die Blütenblätter drapiert. Zwei bis zweieinhalb Stunden dauert dies. Hört sich lange an, ist aber vergleichsweise kurz zur Blumenschmuck-Arbeit am Fronleichnamstag in ihrer früheren Heimat Thundorf, berichtet Luitgard Klarmann. Dort wird nicht nur vor den Altären geschmückt, sondern Blumenschmuck-Motive zieren den gesamten Weg der Fronleichnamsprozession – etliche hundert Meter.
Ist das Kunstwerk vollendet, wird es noch einmal ganz fein angegossen, berichtet Klarmann weiter. Zum einen hilft das in heißen Jahren, dass die Blütenpracht bis zur Prozession hält. Zum anderen wirkt dies dem ärgsten Feind der Künstler entgegen: dem Wind.
Bange Blicke in Richtung Wetter wird es am Fronleichnamstag in diesem Jahr auf jeden Fall geben. Unbeständiges Wetter haben die Meteorologen vorausgesagt. Auch vor zwei Jahren war dies ähnlich: Damals hatten die Künstlerinnen ihre Blumenteppiche zwar gelegt. Die Prozession allerdings musste abgesagt werden. Würde es in diesem Jahr ähnlich, käme das Lamm-Relief aus Budapest vermutlich dennoch zu Ehren: Luitgard Klarmann überlegt, ob sie das Motiv nicht auch zu Erntedank in Körnern nachbildet.
Warum sie so viele Stunden in diese Arbeit steckt? „Ach Gott, es macht einfach Spaß. Und es ist auch ein wenig Meditation und Gottesdienst zugleich, denn man beschäftigt sich einfach intensiv mit dem, was man da darstellt.“ Und Klarmann würde sich freuen, wenn zur Prozession dann nicht nur die Altäre geschmückt wären, sondern vielleicht sich auch manche Anwohner des Prozessionswegs nacheifern und doch wieder das Anwesen mit Fähnchen, Heiligenfiguren oder Bilder schmücken.
In Hofheim beginnt die Feier des Fronleichnamsfestes um 9 Uhr mit dem Gottesdienst (bei schönem Wetter vor der Kirche). Anschließend Prozession mit den Altären am Fränkischen Hof, der Schreinerei Hau, in der Sennigstraße und vor der Kirche.
Fronleichnam
Jeweils am Donnerstag der zweiten Woche nach Pfingsten feiert die katholische Kirche das Fronleichnamsfest. Das Wort „Fron“ bedeutet „Herr“, das Wort „Leichnam“ bedeutet „Leib“. So bedeutet Fronleichnam das Fest vom „lebendigen Leib des Herren“, berichtet Michaela Wüchner von der katholischen Pfarrei St. Johannes in Hofheim. Das Fest gibt es schon seit rund 700 Jahren. Juliane von Lüttich, eine Klosterfrau, betete eines Tages vor dem Tabernakel. Da soll sie eine Erscheinung gehabt haben: Im Kirchenjahr fehle ein Fest, an dem Jesus im Sakrament des Altars besonders verehrt werde. Zusammen mit einem Priester sorgte sie dafür, dass ein solches Fest in ihrer Heimatstadt Lüttich begangen wurde. Papst Urban IV. führte daraufhin das Fest Fronleichnam für die ganze Kirche ein.