Der Landgasthof „Zum Grünen Baum“ in Jesserndorf erhält den diesjährigen Denkmalschutzpreis des Bezirks Unterfranken für den Landkreis Haßberge. Damit wird das jahrelange Engagement der Besitzer Helmut und Claudia Pfaffenberger gewürdigt. Sie haben 2008 das damals leer stehende Traditionsgasthaus des Karl Andres, bekannt als „Beckn Karl“, erworben. Es gehört zu den ältesten und einflussreichsten Anwesen des Dorfes.
Karl Andres verstarb 2003 kurz vor seinem 94. Geburtstag. Es erfolgte keine Nachnutzung des Anwesens. Jahrelange Versuche der Besitzer, es zu verkaufen, blieben erfolglos, bis das Ehepaar Pfaffenberger Gefallen daran fand.
Drei Jahre dauerten die Renovierungsarbeiten. Zunächst wurde das gesamte Gebäude mit seinen 700 Quadratmetern Grundfläche total entkernt. Alle Räumlichkeiten, von den fünf Kellern bis unter den Dachboden, und die Fassade wurden renoviert. Neue Fenster wurden eingebaut, und die gesamte Dachfläche wurde isoliert. Die denkmalpflegerischen Vorgaben wurden eingehalten. Deswegen gab es auch staatliche Zuwendungen. Mit modernen Fremdenzimmern bietet der Gasthof nun auch Übernachtungsmöglichkeiten in Jesserndorf an. Ein Blickfang ist der Biergarten mit drei Etagen direkt an einem der schönsten Dorfplätze im Landkreis Haßberge.
Im früheren Stall des Anwesens wurde ein gemütliches „Jagdzimmer“ eingerichtet. Die ehemalige Gaststube wurde im Stil der 50er Jahre erhalten. In der Scheune entstand der „Musikantenstadl“, in dem am 11. Juni 2011 die Einweihung mit der kirchlichen Segnung durch Pfarrer Bernd Grosser und Pater Rudolf Theiler erfolgte. Der Wunsch der Geistlichen war, dass der „Grüne Baum wachsen, gedeihen und gute Früchte tragen möge“.
Verantwortlich dafür ist die Familie und das Team, die sich alle Mühe geben, die Gäste zufrieden zu stellen. Helmut Pfaffenberger, ein gelernter Glasbläser und Metallbauer, hat seine Entscheidung für den Beruf des Gastwirts nicht bereut. Auch nicht den finanziellen Aufwand in Höhe eines größeren sechsstelligen Betrages. Zeitweilig helfen neben seiner Frau die Kinder Tina, Helmut, Markus und Elke mit Partnern. Auch Enkel André zeigt sich schon hilfsbereit. Er soll einmal das Lebenswerk weiterführen.
Gut angenommen wurde das „Offene Wirtshaussingen“, das bereits sechsmal stattfand und nach der Sommerpause im Oktober, immer am letzten Freitag des Monats, fortgesetzt wird. Eingeplant ist auch schon der Denkmalschutzpreis: In dem größten der fünf Keller wird ein „Rittersaal“ entstehen mit einem riesigen, offenen Kamin. Der Saal kann dann auch privat gemietet werden.
Helmut Pfaffenberger hat den leer stehenden Gasthof des „Beckn Karl“mit großer Hingabe und Liebe zum Detail zu neuem Leben erweckt und damit das Haßbergdorf Jesserndorf und insbesondere den Dorfplatz aufgewertet. Das rechtfertigt nicht nur den Denkmalschutzpreis, es verdient auch höchste Anerkennung.
Förderpreis des Bezirkes Unterfranken
Zur Erhaltung historischer Bausubstanz vergibt die „Unterfränkische Kulturstiftung“ alljährlich 150 000 Euro für Objekte in sechs verschiedenen unterfränkischen Landkreisen beziehungsweise kreisfreien Städten. Dieser Förderpreis zählt bundesweit zu den höchst dotierten, vergleichbaren Denkmalpreisen. Am 12. Juni hat der Kulturausschuss des Bezirkes Unterfranken in Würzburg die entsprechenden Empfehlungen der Jury einstimmig beschlossen. Der Förderpreis für den Landkreis Haßberge geht demnach an die Dorfwirtschaft „Zum Grünen Baum“ in Jesserndorf. Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Klaus Reder, der das einstimmig beschlossene Ergebnis der Jury vorstellte, betonte, dass alle ausgezeichneten Objekte vorbildlich seien. Bei fünf der sechs Preisträger handle es sich um Privatpersonen. Wichtig sei aus der Sicht des Bezirks immer auch eine „sinnvolle Nachnutzung der historischen Gebäude“. So sei zum Beispiel mit der Dorfwirtschaft „Grüner Baum“ in Jesserndorf die ehemalige „Brauerei Andres“ reaktiviert worden. Alle ausgezeichneten Objekte zeigten, dass der Denkmalpreis des Bezirks den richtigen Weg vorgebe und Signalwirkung über Unterfrankens Grenzen hinaus habe, so Reder. Am 19. Juli wird der diesjährige Förderpreis in der Mildenburg in Miltenberg vergeben.
Chronik des Gasthofes „Zum Grünen Baum“
Das Haus gehörte zu den ältesten und einflussreichsten Anwesen des Dorfes. Es enthielt eine Brauerei, eine Gastwirtschaft, eine Schnapsbrennerei und noch früher auch eine Bäckerei. Zum Anwesen gehörten ein beachtlicher Waldbesitz und Landwirtschaft. Hausherr war um 1800 Adam Kaupert. Seinem Sohn Georg wurde 1841 das Anwesen überschrieben. Dieser hatte keine Söhne. Seine Tochter verheiratete sich 1869 mit dem Bäckermeister Friedrich Andres aus Pettstadt. 1882 war er mit Abstand der höchst besteuerte Bürger Jesserndorfs. Dieser Friedrich Andres hat die evangelische Kirche, die 1858 eingeweiht wurde, mächtig gefördert. Friedrichs Sohn Karl heiratete 1903 Dorothea Lutsch aus Bischwind a. R.; sie hatten drei Kinder: Karl, Ludwig und Maria.
Seitdem existierte der Hausname „Beckn Karl.“ Sein Sohn Karl wurde 1909 geboren, übernahm in den 30er Jahren das Anwesen und heiratete 1939 Olga Müller aus Jesserndorf. Der Hausname wurde beibehalten. Karl kämpfte im Zweiten Weltkrieg an mehreren Fronten und kehrte 1948 aus französischer Gefangenschaft zurück. Nun begann er, seinen Betrieb zu modernisieren. Er hatte den ersten gefliesten Stall und den modernsten Tanzboden mit Tonnengewölbe in der weiten Umgebung. So entstanden in vielen Ortschaften Tanzsäle nach diesem Vorbild. Auch Fremdenzimmer mit fließendem Wasser wurden gebaut, und viele Jahre erholten sich Gäste im traditionellen Gasthof. Die alljährliche Kirchweih war weit über die Grenzen hinaus bekannt. Der „Beckn Karl“ hatte drei Töchter: Heidi, Karin und Ute.
Als 1985 seine Frau Olga verstarb, hörte er mit dem Bierbrauen auf und reduzierte den Gastbetrieb. 1987 stellte er auch das Schnapsbrennen ein und verkaufte das Brennrecht nebst sämtlichen Utensilien an das Museumsdorf in Fladungen, wo heute noch Schnaps gebrannt wird. 2003 starb er kurz vor seinem 94. Geburtstag. Besondere Freude hatte er an seinen zwölf Enkeln und drei Urenkeln.