Antje Yael Deusel hat 1979 ihr Abitur in Haßfurt abgelegt und im November 2011 ihr Amt als erste in der Bundesrepublik Deutschland geborene und ausgebildete Rabbinerin in der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg angetreten. Nach guter Tradition des Herrenhofbundes als Vereinigung Ehemaliger des Regiomontanus-Gymnasiums Haßfurt hielt sie in der Reihe „Biographisches“ einen Vortrag mit dem Thema „Die Bamberger jüdische Gemeinde in den letzten 1000 Jahren“.
Gemeinsam mit 30 interessierten Bürgern hieß die Vorsitzende des Herrenhofbundes, Ursula Mohr, Antje Deusel in der alten Münze im Sparkassengebäude in Haßfurt willkommen. Die Vorstellung des Gastes übernahm der Haßfurter Stadtarchivar, Thomas Schindler, der mit Antje Deusel den ersten und einzigen Hebräisch-Kurs am Gymnasium absolviert und im selben Jahr wie sie das Abitur geschrieben hatte. Antje Deusel, die ursprünglich aus Nürnberg stammt, studierte Medizin in Erlangen und arbeitet seit 1988 als Fachärztin für Urologie am Bamberger Klinikum. Bereits vor ihrem Studium am Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam gestaltete sie als zweite Vorsitzende der Kultusgemeinde und als Kulturreferentin das jüdische Leben in Bamberg aktiv mit.
Ein Jahr bevor sie selbst als Rabbinerin eingeführt wurde, nahm sie an einer Ordinationsfeier teil. Als Gemeindemitglieder das von der Presse veröffentlichte Foto sahen, staunten sie nicht schlecht: Antje Deusel war die einzige Frau unter Männern. „Sie sind eine Heldin“, sagten sie zu Antje Deusel. Doch die wehrte ab: „Der Grund, warum ich studiert habe, ist der, dass ich meine zum Großteil aus Russland stammende Gemeindemitgliedern im Glauben und in der Tradition unterrichten wollte“. Bevor sie auf ihre Gemeinde zu sprechen kam, skizzierte die Rabbinerin in ihrer erfrischenden Art, die Geschichte der Juden in Bamberg. Ihre Ausführungen über die Höhen und Tiefen der jüdischen Gemeinde machte sie dabei an der Errichtung der sieben Synagogen fest. „1989 bestand unsere Gemeinde aus rund 35 Personen“, gab sie an, „doch nach der Grenzöffnung begann die Zuwanderung aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, so dass wir nun über 900 Mitglieder zählen.“ Die israelitische Kultusgemeinde Bamberg begreife sich als Einheitsgemeinde „Das heißt, dass Juden aller Denominationen darin zu finden sind: streng Orthodoxe, Konservativ-Traditionelle und einige Liberale.“ Man verfüge über eine funktionierende Infrastruktur. Es würden alle Feiertage gehalten, es gebe regelmäßig Gottesdienste am Freitagabend und Schabbatmorgen, einen Seniorenclub, zwei Theatergruppen, ein Literaturcafé, ein jüdisches Lehrhaus, eine Bibliothek, eine russisch-sprachige Religionslehrerin, einen eigenen Friedhof, eine Verwaltung und einen gut funktionierenden Sozialdienst. Deusel erzählte auch, dass sie wie schon zuvor im Medizinstudium, bei der Ausbildung zur Urologin und dann als Fachärztin mit ihrem Rabbinatsstudium in eine Männerdomäne eingebrochen sei. Doch mittlerweile sei sie unter den Ärzten anerkannt und in der jüdischen Gemeinde habe man sie ja schon vorher als Rabbinerin angesehen. Die orthodoxen Juden hingegen würden keine Frauen ordinieren – und Rabbinerinnen würden in Israel nicht anerkannt seien. Dass Frauen beispielsweise hinten im Bus sitzen müssen, sei schlimm. Doch „die Frauen beginnen, sich zu wehren. Es ist wie bei einem Dampfkochtopf: irgendwann, wird der Druck zu groß!“
Auf die Frage von Godehard Maruschke, wieso Synagogen immer verschlossen seien, antworte sie: „Das ist von der Polizei und vom Innenministerium so gefordert.“ Auch in Bamberg stehe bei Gottesdiensten immer ein Streifenwagen vor der Synagoge, sagt Deusel und berichtet von einem Vorfall, der die Sicherheitslage deutlich mache: „Eines Abends saß ich gemütlich vor dem Fernseher, als es an der Tür klingelte. Eigentlich wollte ich nicht aufmachen. Ich fragte dennoch nach, wer vor meiner Türe stehe. Es waren Polizisten, die sich nach meinem Wohlergehen erkundigten. Denn man hatte mein Auto, das ich in meiner Autowerkstatt wähnte, verlassen auf der Autobahn gefunden.“ Später stellte sich heraus, so Deusel, dass der Automechaniker nachts mit dem Auto eine Probefahrt gemacht hatte. Als das Auto streikte, ließ er es stehen und lief zurück, um den Pannendienst zu holen. „Auch unser Sicherheitsbeauftragter rief bei mir an, um festzustellen, dass mir nichts passiert war. Gar nicht auszudenken, welch Suchaktion gefolgt wäre, wäre ich nicht an die Tür gegangen.“
Was Deusel von den Stolpersteinen hält, die der Künstler Gunter Demnig zur Erinnerung an die Opfer an verschiedenen Orten ins Trottoir eingelassen habe? „Stolpersteine finde ich besser als andere Gedenktafeln, die nur eine Giraffe entdecken kann, weil sie viel zu weit oben angebracht sind!“ – sagt die lockere Rabbinerin.