Mehr als 270 Zeitzeugengespräche mit Holocaust-Überlebenden führte Birgit Mair 15 Jahre lang während ihrer Arbeit für das Institut für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung in Nürnberg. Seit 2013 führt Mair mehr als einhundert Veranstaltungen mit Eva Franz durch. Mit ihr sprach Mair auf Einladung der Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie im Landkreis Haßberge in der Haßfurter Rathaushalle. Ergänzend zum Gespräch zum Thema "Gegen das Vergessen" war anhand einer Ausstellung die Lebensgeschichte von Franz Rosenbach zu sehen. Er war einer der Nürnberger Sinti, der Verfolgungen, Konzentrationslager und einen Todesmarsch überlebt hatte.
Zeitzeugin Eva Franz, geborene Christ, ist eine der Überlebenden, die als Kind mit ihrer Familie zusammen in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Neben zahlreichen Dokumenten, anvertraut durch die Zeitzeugin, ist es gelungen, eine Kopie des Stammbaums zu erhalten, den die Nationalsozialisten von der Familie Christ erstellt hatten. Mehr als vierhundert Namen hatten die rassistischen Bürokraten bis ins Jahr 1812 zurück gehend ausgekundschaftet.
Nur zwei von elf Kindern überlebten
Eva Franz erblickte am 31. August 1940 in Gablonz an der Neiße das Licht der Welt. Ihr Vater Emil Christ ernährte die Familie durch seine Tätigkeit als Pferdehändler. Wie viele andere Sinti-Männer war er bei Kriegsbeginn noch bei der Wehrmacht eingesetzt. Ein Foto, das im Besitz der Zeitzeugin ist, und das während der Veranstaltung an die Wand projiziert wurde, zeigt drei Brüder ihres Großvaters in Wehrmachtsuniformen. "Von denen hat nicht einer überlebt, die sind weggekommen nach Ausschwitz", berichtete Eva Franz bewegt mit stockender Stimme und Tränen in den Augen den Anwesenden.
Evas Großeltern väterlicherseits lebten mit einem Teil ihrer Kinder in einem kleinen Haus im hessischen Fulda. Im Jahr 1943 wurde dieser Teil der Familie vom Stadtschloss aus nach Ausschwitz deportiert. Eva Franz erinnert sich an die Erzählungen der Großmutter Franziska Christ aus der Nachkriegszeit: Die zum Zeitpunkt der Deportation 65-Jährige habe vergeblich versucht, eines ihrer Enkelkinder unter ihrem Rock zu verstecken. Als alle auf die Lastwagen verladen worden waren, habe die Oma mitkommen wollen. "Nein, du nicht, weil du bist eine Arische", hätten die SS-Männer ihr gesagt. Die Großmutter habe sich an den Lastwagen gehängt und sei ein Stück mitgeschleift worden, bis sie losgelassen habe. Von ihren elf Kindern überlebten nur zwei, Evas Vater Emil Christ und eine Schwester.
Häftlingsnummer auf den Unterarm tätowiert
Eva Franz verbrachte die ersten zweieinhalb Jahre ihres Lebens in der Kleinstadt Teplitz-Schöngau im damaligen Sudetenland. Im Frühjahr 1943 wurde Eva Franz gemeinsam mit ihrer Familie in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort wurde ihr die Häftlingsnummer 4167 in den linken Unterarm eintätowiert. Die Zeitzeugin trägt die Nummer bis heute. Ihre Schwester kam in Auschwitz ums Leben, ebenso die Großeltern mütterlicherseits sowie ihre Mutter, die vor der Befreiung starb.
Gegen Kriegsende wurde Eva in das Frauen KZ Ravensbrück und in das KZ Bergen-Belsen deportiert. In letzter Minute fand ihr Vater, der in der Naziideologie eine "arische" Mutter hatte, sein Kind und brachte es zur Großmutter nach Fulda. Eva sollte von Belsen aus zur Adoption ins Ausland gebracht werden, deshalb musste sie auch einige Wörter Englisch während dieser Zeit lernen, wie sie in ihren bewegenden Ausführungen über eine schwere Kindheit erzählte.