Seit über 50 Jahren besteht die Buchhandlung Glückstein in Haßfurt. Franz Wölfel, der das Geschäft vor knapp 25 Jahren von der früheren Besitzerin Paula Glückstein übernahm, sieht sich auch für die Zukunft gerüstet.
Vor der Neueröffnung des Buch & Medienhauses Hübscher im September dieses Jahres in der Hauptstraße in Haßfurt ist ihm nicht bange. „Bücher kosten aufgrund der Buchpreisbindung in allen Buchhandlungen gleich viel“, sagte er bei einem Gespräch. „Wir setzen der Konkurrenz daher unsere Stärken entgegen.“
Dazu zählt Wölfel die Tradition der Buchhandlung Glückstein, seine Unabhängigkeit, eine fachkundige Beratung, die umfassende Kundenbetreuung inklusive eines Bestell-, Versand- und Verpackungsservices sowie die antiquarische Recherche.
Seine engagierten Angestellten Anette Haas und Jutta Gillich seien wie er ausgebildete Buchhändler und verfügten mit ihm über 65 Jahre Berufserfahrung und fundierte Kenntnisse. „Wir haben im Lauf der Jahre eine enge Bindung zu unseren Kunden erworben, kennen ihre Wünsche genau und können sie individuell beraten“, betonte Wölfel.
Die große Auswahl an allen gängigen Neuerscheinungen, das angenehme Ambiente in seiner stets aktuell dekorierten Buchhandlung. Die zur Verfügung stehenden Sitzplätze und die Kinderspielecke führte er als weitere Pluspunkte an. Schließlich gehöre die unverwechselbare, inhabergeführte Buchhandlung zum kulturellen Leben in Haßfurt und sei auch in Kindergärten und Schulen sowie bei Lesungen mit Ausstellungen präsent. „Die Aussage 'Wir leben Bücher' ist nicht nur unser Motto, sondern entspricht dem innersten Gefühl aller Mitarbeiter“, so der Inhaber.
Wie sich die Buchhandlung über die Jahrzehnte hinweg entwickelt hat, erzählt die frühere Besitzerin Paula Glückstein. Die heute 97-jährige Buchhändlerin blickt gerne auf die Zeit zurück, als sie in der Kreisstadt Bücher und Kunsthandwerk verkaufte. „Alles, was wir wissen wollen, steht in Büchern geschrieben“, hatte ihre einstige Freundin Eva Hecker erzählt und sie zu einer Ausbildung zur Buchhändlerin überredet. Diese Entscheidung hat Paula Glückstein bis heute nicht bereut.
1913 in Greiz im Vogtland geboren und in Halle aufgewachsen, wollte sie nach dem Abitur 1931 eigentlich Archäologie studieren. Doch weil ihre Eltern das Studium nicht finanzieren konnten, machte sie auf Vorschlag ihrer Freundin eine Lehre in der Universitätsbuchhandlung in Halle. Nachdem sie 1934 ihre Prüfung mit Auszeichnung abgelegt hatte, arbeitete sie zunächst in der Buchhandlung Hansen in Schweinfurt. Sie heiratete 1939 Josef Glückstein, der bei FAG Kugelfischer beschäftigt war, und übernahm 1943 die Leitung der Technischen- und Werkbücherei bei Kugelfischer.
Erlaubnis von der Militärregierung
Nach dem Krieg eröffnete Paula Glückstein 1946 eine eigene Buchhandlung und eine Leihbibliothek in Gerolzhofen. „Um die Erlaubnis dafür zu erhalten, musste ich 13 Fragebögen der Militärregierung ausfüllen“, berichtete sie. „Als ich aber lange Zeit keine Antwort erhielt, fuhr ich ins Hauptquartier der Amerikaner nach Würzburg und verlangte von dem zuständigen Offizier eine Entscheidung.“ Ihr resolutes Auftreten bescherte ihr daraufhin die entsprechende Urkunde der Nachrichtenkontrolle.
Die Leihbibliothek konnte sie zwar mit ihren eigenen Büchern ausstatten, doch neue Bücher bekam sie damals nur gegen Papierscheine. Sie reiste mehrmals im Jahr unter den abenteuerlichsten Bedingungen quer durch Deutschland, um Bücher „einzukaufen“. Da sie die meisten Verleger bereits kannte, fiel es ihr nicht schwer, die von ihr gewünschte Literatur zu erhalten. 1957 übernahm sie schließlich die Buchhandlung ihrer Freundin Hildegard Schnüttgen im ehemaligen Zollhaus in der Brückenstraße in Haßfurt.
„Ich hatte sehr viele Kunden im Landkreis, darunter Lehrer vom Gymnasium in Haßfurt und Mitglieder der adeligen Familien“, erinnert sich Paula Glückstein. Neben den Büchern offerierte sie erstklassiges Kunsthandwerk, Gläser und Porzellan. Gerne bewirtete sie ihre Kunden auch mit Kaffee und war für ein kleines Schwätzchen immer zu haben.
Als das Zollhaus abgerissen werden sollte, zog sie 1960 an den Floriansplatz und wechselte 1965 in die Obere Vorstadt. Selbst sehr belesen, versuchte sie, ihre Kunden für anspruchsvolle Literatur zu begeistern. Max Frisch, Uwe Johnson, Peter Handke, Thomas Mann, Honoré de Balzac, Stendhal und Marcel Proust sind einige ihrer Lieblings-Schriftsteller. Paula Glückstein, die bis heute sehr vielseitig interessiert ist, resümiert: „Ich hatte ein tolles Leben. Es war aufregend und hat mich immer wieder von neuem gefordert. Wenn ich nur meine Bücher um mich habe, bin ich glücklich!“
Als sie Franz Wölfel aus Zeil kennenlernte, riet sie ihm ebenfalls zu einer Ausbildung zum Buchhändler. Daraufhin ging er in der Buchhandlung Gondrom in Bayreuth in die Lehre und arbeitete ab 1976 in der Buchhandlung Glückstein, die er im Januar 1986 erwarb.
Im Laufe der Zeit veränderte sich nicht nur das Geschäft in Folge von Renovierungen und Erweiterungen, sondern auch das Waren- und Kassensystem. Statt des Kunsthandwerks präsentiert Franz Wölfel neben einem breit gefächerten Angebot an Büchern auch hochwertige Grußkarten, schön gestaltete Notiz- und Adressbücher, erlesenes Geschenkpapier und Kleinigkeiten für die Kinder. Nach zwei Renovierungen und Umbauten sowie einer Erweiterung 1987 und 1998 strahlt das Geschäft in dem denkmalgeschützten Haus heute eine gemütliche Atmosphäre aus.
„Buchgenuss nach Ladenschluss“
„In Zukunft können Bücherliebhaber sogar ganz ungestört nach Ladenschluss in der Buchhandlung stöbern“, so Franz Wölfel. Jeden ersten Freitag im Monat sind bis zu zehn Personen eingeladen, von 18 bis 21 Uhr in der Buchhandlung bei kleinen Snacks und Getränken nach Lust und Laune zu schmökern. Der erste „Buchgenuss nach Ladenschluss“ findet am Freitag, 1. Oktober, statt.
Anmeldungen sind unter Tel. (0 95 21)13 03 erbeten.