Die Baumfeldwirtschaft und die Dörrobstherstellung in Fatschenbrunn haben gute Chancen, als Immaterielles Kulturerbe klassifiziert zu werden. Davon ist Dr. Thomas Büttner vom Büro für Heimatkunde und Kulturlandschaftspflege überzeugt. Diese Erkenntnis ist das Ergebnis der Kulturlandschaftsinventarisation, die in den vergangenen Jahren für den Steigerwald erfolgte.
Um für die Bewerbung neben den rein wissenschaftlichen Erkenntnissen das örtliche Wissen und möglichst auch die eine oder andere Anekdote rund um die „Hutzel“ zu sammeln, waren die Fatschenbrunner in dieser Woche zum „Erzählcafé“ eingeladen.
Thomas Büttner blickte zunächst zurück auf die „Landschaftswerkstätten“. Das waren Treffen mit örtlichen Heimatpflegern und Interessierten der Heimatforschung und Brauchtumspflege im Rahmen der Kulturlandschaftsinventarisation. Bei diesen Treffen wurde viel historisches Wissen gesichert, aber auch viele Eigenarten kamen zur Sprache, von denen vielen Einheimischen nicht bewusst war, dass es teils Besonderheiten sind, die nur hier bewahrt wurden. In Fatschenbrunn ist das die enorme Vielfalt an alten Birnbäumen mit teils extrem seltenen Sorten.
Auch sind hier Reste der früher weiter verbreiteten Baumfeldkultur erhalten. Dabei arbeiteten die Landwirte quasi auf zwei Etagen. Auf dem Acker wechselten Getreide und Kartoffeln im Anbau ab, gleichzeitig standen hier aber auch Obstbäume, die eine zweite Ernte auf gleicher Fläche ermöglichten.
Bei den Erhebungen im gesamten Steigerwald gewann Dr. Büttner mehrere Erkenntnisse: Landschaft und Leben hier sind enorm vielgestaltig. Verschiedene Herrschaften, vor allem die Kirchen und die Reichsritterschaften, haben die Landschaft geprägt. „Und diese Vielfalt, diese Kleinräumigkeit stiftet in sehr großem Maß Heimat“, erklärte er. In den Gesprächen sei immer wieder deutlich geworden, dass Kirche, Vereine und Brauchtum hier noch einen sehr hohen Stellenwert haben.
Um auf solche Werte aufmerksam zu machen, sie zu schützen und ihre Bedeutung zu unterstreichen, wurde das Siegel des immateriellen Kulturerbes geschaffen. „Passender ist eigentlich die österreichische Bezeichnung lebendiges Kulturerbe“, meinte Dr. Büttner.
Drei Themen hätten sich im Steigerwald als Kulturerbe würdig erwiesen, nämlich die Rechtlerwälder, die Bürgerwehren und eben die Baumfelderwirtschaft und Dörrobstherstellung in Fatschenbrunn.
Die Blüte des Obstanbaus erlebte Fatschenbrunn im 19. und 20. Jahrhundert. Alte Karten zeigen einen Baumbestand im Umfeld des Dorfes, wie man ihn sonst kaum finde, erklärte Dr. Büttner, schon gar nicht auf einer Höhenlage von rund 400 Metern über dem Meeresspiegel. „Ein einziges Blütenmeer war das bis Hummelmarter im Frühjahr“, erinnerte sich Gottfried Niesner an seine Schulzeit. Um das Obst haltbar zu machen, war das Dörren, das Herstellen von Hutzeln, ein probates Mittel. Das Trockenobst ging regelrecht in alle Welt, denn vor allem für die Vitaminversorgung von Schiffsbesatzungen war es außerordentlich wertvoll.
Fast in jedem Haushalt in Fatschenbrunn wurde eine Obst-Darre betrieben. Weil dieses Verfahren viel Fingerspitzengefühl und Know-How erfordert, dörrten die Fatschenbrunner in späteren Jahren auch Import-Ware. Lastzugweise seien die Birnen aus Südtirol in den Steigerwald gekommen. Viele Birnen waren es, aber auch Zwetschgen – die allerdings brauchten ganz viel Aufmerksamkeit, vor allem wenn sie einen schönen Glanz bekommen sollten.
Viele Details zum richtigen Hutzel-Dörren konnte Andrea Lorenz, die Mitarbeiterin von Dr. Büttner, niederschreiben.
Die Frage auf die Weitergabe des Wissens war schnell beantwortet: Schon als Kinder sortierten sie die Birnen mit, saugten das Wissen quasi mit der Muttermilch auf. Heute trägt Franz Hümmer dieses Wissen weiter.
Während des Erzählcafés wurden natürlich auch Hutzeln verzehrt. Franz Hümmer dörrt sie so, dass sie in Scheiben schön zu kauen sind. Früher waren die Hutzel viel härter, wurde erzählt. So waren sie auch viel haltbarer. Bevor sie ins Früchtebrot wandern konnten, wurden sie erst wieder eingeweicht.
Auch am Abend kamen noch Fatschenbrunner zur Runde dazu. Kreisheimatpfleger Christian Blenk und Kreisfachberater Guntram Ulsamer waren ebenso aufmerksame Zuhörer und Gesprächspartner wie die Seniorenbeauftragte der Gemeinde Oberaurach Anita Amend oder Hobby-Heimatforscher Gottfried Henfling aus dem benachbarten Fabrikschleichach.
Die rege Beteiligung zeigte Dr. Büttner, dass die Fatschenbrunner eine weitere Voraussetzung für das Kulturerbe-Siegel erfüllen: „Das Siegel lebt davon, dass sich die Menschen vor Ort dafür einsetzen“. Dass sie das tun, zeigt auch die demnächst anstehende Baumpflanzaktion. Aus den vielen alten Birnbaumsorten der Fatschenbrunner Flur wurden nämlich 100 Setzlinge gezogen, die rund um den Ort gepflanzt werden sollen. In Planung sind außerdem ein Kulturweg zu dem Thema und eine Gemeinschafts-Darre.