„Mit so viel Interesse haben wir gar nicht gerechnet“, sagt Klaus Förtsch und strahlt, als er weitere Stühle quer durch den Kolpingsaal in Eltmann trägt. Viele Bürger haben sich einladen lassen zum Willkommens-Café für Asylanten, dem auf Anregung von Bürgermeister Michael Ziegler demnächst ein Frühlingsfest folgen soll, um noch mehr Raum für persönliche Kontakte zu haben.
Die Idee für diese Veranstaltung wurde am Kolping-Gedenktag geboren. Reiner Dümpert freute sich, dass auch andere Gruppen und Einzelpersonen in das Vorhaben einstiegen, denn viele Menschen engagieren sich in Eltmann bereits für die Flüchtlinge.
Akribisch vorbereitet hatte sich Katharina Panitz, die Rechtsanwältin stellte die Länder vor, aus denen die rund 100 Asylbewerber kommen, die in Eltmann und Stadtteilen untergebracht sind. Die deutschen Gäste, aber auch Flüchtlinge aus anderen Regionen erfuhren, warum so viele Menschen ihre Heimat hinter sich lassen, die letzten Ersparnisse Schleppern geben, um dann auf einem Seelenverkäufer im Mittelmeer zu landen. So erzählte Katharina Panitz, dass Eritrea das „Nord-Korea Afrikas“ genannt wird. Die Situation dort erklärt, warum ein Großteil der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die derzeit von der Kinder- und Jugendhilfe St. Josef Eltmann betreut werden, Jungs aus Eritrea sind. Viele Eltern schicken ihre Söhne weg, um sie vor dem Kriegsdienst zu bewahren. Ein grundsätzliches Problem in allen Herkunftsländern sind die religiösen Auseinandersetzungen, nicht nur dort, wo die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) wütet. In Afghanistan regieren die Warlords, Stammesinteressen gehen in vielen Ländern vor Staatsinteressen. In Somalia zerfällt die Staatsordnung, eine Million Binnenflüchtlinge irren durch das Land.
Zu den Informationen von Katharina Panitz kamen Schilderungen von Flüchtlingen. Siza Zaby, die seit 16 Jahren in Deutschland lebt, stammt aus Syrien, sie übersetzte für die arabisch-sprachigen Gäste. Einige von ihnen, wie Ali, sprechen zwar schon gut Deutsch, doch um vor so viel Zuhörern ihre Geschichte zu erzählen, griffen sie doch lieber auf ihre Muttersprache zurück. So erfuhren die Zuhörer von Ali aus dem Süd-Iran, dass er nach seinem Übertritt zum Christentum quasi vogelfrei war. Jeder hätte ihn straffrei ermorden dürfen. „Jeder, der hier ist, ist dankbar für die Aufnahme, aber jeder liebt auch sein Heimatland“, betonte Ali.
Auch Setaveh stammt aus dem Iran. Durch ihre Weigerung, zum Islam überzutreten und sich zu verschleiern, wurde ihr die Fortsetzung ihres Studiums verweigert. Sie eröffnete eine Boutique, in der sie ständigen Repressalien und Diebstählen ausgesetzt war. Schließlich wurde sie inhaftiert und ausgepeitscht. Ihrer Familie gelang es, ihr die Flucht zu ermöglichen. Intensiv kümmert sich Siza Zaby um die Familie Madani, die aus Syrien flüchtete. „Hier Tod, dort vielleicht Tod“, so habe die Entscheidung gelautet, nachdem in Damaskus Bomben in direkter Nachbarschaft einschlugen, erzählte der Vater von drei Kindern zwischen sieben und fünf Jahren. Als er die dramatische Flucht schildert, muss er weinen. Das Flüchtlingsboot war so überfüllt, dass es kenterte, die Familie musste über einen Tag lang im Wasser um das Überleben kämpfen, bis sie von italienischen Hubschraubern entdeckt und dann gerettet wurde. Bis nach Libyen hatten sie sich zuvor durchgeschlagen, als Illegaler gelang es ihm, die 7500 Dollar für die Fluchthelfer zu erarbeiten.
Diplom-Pädagoge Peter Rödelmaier gab Einblick in die Situation der minderjährigen Flüchtlinge, die ohne Eltern hier ankommen und von St. Josef in Eltmann in mittlerweile fünf Wohngruppen betreut werden. 16 Jungs aus sieben Ländern, manche komplett von ihren Eltern abgeschnitten, andere können hin und wieder per E-Mail nachfragen, wie es der Familie geht. Besonders diese Teenager suchen Kontakt zu Gleichaltrigen, nehmen jedes Angebot von Vereinen dankbar an. Die Sportvereine seien da sehr aufgeschlossen so Rödelmaier und auch der Kinder- und Jugendchor machte beim Willkommens-Café deutlich, dass neue Sängerinnen und Sänger herzlich willkommen seien.
„Die Schule zu besuchen ist für sie ein hohes Gut“, erzählt Rödelmaier im Gespräch mit unserer Zeitung. „Die haben alle einen Plan im Kopf“, deshalb sind sie auch sehr intensiv beim Deutsch-Unterricht dabei. Nicht alle Asylbewerber haben schnell Anspruch auf einen Sprachkurs, viele von ihnen haben in Eltmann das Glück, dass Ehrenamtliche, meist ehemalige Lehrer, sie besuchen und ihnen Unterricht geben.
Günther Lehnhart ist einer von ihnen. Er spricht zwar Englisch und Französisch, jedoch nicht arabisch. Aber er kann die arabische Schrift lesen, was hilfreich ist. Das Gespür für die Sprache schärft er außerdem, indem er im Internet arabisch-sprachige Medien nutzt. „Auf Al-Jazeera können Sie sich den Text vorlesen lassen und dann die Übersetzung“, erzählt er.
Am Kuchenbuffet, das von allen Besuchern des Willkommens-Cafés bestückt wurde und damit eine kleine Weltreise bot, kamen viele Gespräche zustande, für die noch mehr Raum sein soll bei einem Frühlingsfest, das Bürgermeister Michael Ziegler anregte. „Wir leben alle auf einer Welt und wir haben Verantwortung dafür“, sagte der Bürgermeister. Viele Gäste füllten einen Fragebogen aus und meldeten Interesse an, sich ebenfalls zu engagieren.