Der Strom an Flüchtlingen nach Ebern reißt nicht ab. Knapp 115 wohnen bereits hier. Am Donnerstag haben elf Menschen aus Syrien und dem Kosovo ein Wohnhaus in der Max-Reger-Straße bezogen. Das Landratsamt Haßberge hat das Haus zunächst für zwei Jahre angemietet.
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen, steigt stetig. Es sind wahre Menschenströme, die täglich über die Landesgrenzen treiben, mit der Hoffnung, in Deutschland ein besseres Leben zu haben. „Das hat sich inflationär entwickelt“, formuliert es Dieter Sauer, Sachgebietsleiter für Soziales und Senioren am Landratsamt Haßberge, und verweist auf die neuesten Zahlen: Im Monat Februar nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 22 775 Asylerstanträge entgegen – mehr als doppelt so viele wie im Februar 2014.
Viele der asylsuchenden Menschen landen – nach den ersten Tage in den Erstaufnahmeeinrichtungen – auch im Landkreis Haßberge. „Derzeit bekommen wir von der Regierung 13 Zuweisungen pro Woche“, erklärt Dieter Sauer. Zur Unterbringung dieser Menschen hat das Landratsamt in Ebern nun ein weiteres Haus angemietet und somit eine vierte dezentrale Unterkunft im Stadtgebiet installiert.
Seit Donnerstag leben die ersten Menschen aus Syrien und dem Kosovo in der Max-Reger-Straße, im ehemaligen Haus der Arztfamilie Bodenberger. Bis zu 19 Menschen werden in diesem Haus vorübergehend ein Zuhause finden.
Hinzu kommen vier Notfallplätze, die im Keller für maximal sechs Wochen belegt werden könnten. „Deren Belegung steht in absehbarer Zeit aber nicht an“, so Sauer. Denn die wöchentliche Zuweisung von Asylbewerbern und Flüchtlingen liege im Landkreis Haßberge bereits im oberen Bereich, und Unterkünfte würden der Behörde permanent angeboten werden.
Auch der Notfallplan zur Unterbringung von asylsuchenden Menschen, der im Herbst vergangenen Jahres zusammen mit der Staatsregierung entwickelt wurde, liegt noch unverrichteter Dinge in der Schublade. „Die Bemühungen daraufhin waren ja sehr groß, alle haben sich dahinter geklemmt“, sagt der Sachgebietsleiter vom Landratsamt, „in manch anderem Landkreis kam es jetzt aber trotzdem zu einer Teilinkraftsetzung dieses Planes.“
Der Grund sind die vielen Menschen aus dem Kosovo, die derzeit nach Deutschland kommen: „Das kann man schon Massenexodus nennen“, spitzt es Sauer zu.
Im Prinzip gibt es jeden Herbst einen Flüchtlingsstrom vom Balkan. Es sind meist die Ärmsten der Armen, die die Not aus der Heimat vertreibt. Doch jetzt kommen viel mehr – und zudem andere. Auch die Menschen der Mittelschicht geben ihren Job auf, weil ihnen irgendjemand verspricht, in Deutschland warten ein Arbeitsplatz und ein Begrüßungsgeld.
Letzteres gibt es aber für niemanden. Und in der Regel auch kein Asyl. Denn das ist für Menschen vorbehalten, die politisch verfolgt sind und nicht denen, die „nur“ auf der Suche nach einem besseren Leben sind.
Das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge hat bereits angekündigt, die Asylanträge von Kosovaren in einem Schnellverfahren zu bearbeiten. Doch ausgelastet sind die Mitarbeiter dort schon jetzt. Außerdem hat jeder das Recht, gegen eine Abschiebung zu klagen. Das kann dauern.
„Derzeit bekommen wir von der Regierung 13 Zuweisungen pro Woche.“
Dieter Sauer, Sachgebietsleiter für Soziales und Senioren Im Landratsamt Haßberge
Im September 2014 wurde eine Unterkunft ähnlicher Größe im Ortsteil Bramberg zur Verfügung gestellt. Die Dorfgemeinschaft wurde dabei von offizieller Seite und persönlich von Dieter Sauer vor Ort informiert.
Die Anwohner der neuen Unterkunft für Asylbewerber in Ebern wussten bis zu deren Einzug von nichts. „Wir sind hier nach unserem Konzept für die Belegung von Ein- und Zweifamilienhäusern vorgegangen“, erklärt Dieter Sauer: „Das Landratsamt macht gerne Informationsveranstaltungen mit den Kommunen. Bei kleinen Unterkünften kommen wir aber nur, wenn die Stadt oder Gemeinde dies wünscht oder für notwendig erachtet. Das Landratsamt von sich aus setzt dann keine Informationsveranstaltung an.“
„Wenn da mal was ist“, äußert sich ein Nachbar gegenüber dieser Zeitung, „ich wüsste ja überhaupt nicht, wen ich ansprechen kann. Wie soll ich denn damit umgehen, wie soll ich reagieren?“
Im Nachbarkreis hat niemand etwas gegen die Asylbewerber. Doch hätte sich der eine und andere eine Information durch die Behörden schon gewünscht: „Ich bin nicht gegen die Menschen. Ich bin gegen das System. So geht es nicht. Irgendein Informationsblättchen hätte ja schon gelangt.“
Einer der Anwohner erfuhr von den neuen Nachbarn, als ein junger Mann aus Syrien mit seinem Zuweisungsbescheid der Regierung an der Tür klingelte und mit wenigen Deutschkenntnissen sich ausdrückte: „Wo ist das Haus?“
Dieses wurde vorher nur von einer Handvoll von Personen bewohnt und musste nun, um auch als Unterkunft für mehrere Menschen nutzbar zu sein, mit einer zusätzlichen Dusche und einer entsprechenden Anzahl von Elektrogeräten in der Küche bestückt werden.
Die Ausstattung muss „funktional und menschenwürdig“ sein, entnimmt Dieter Sauer den Vorschriften zur Einrichtung von dezentralen Unterkünften. Dabei gebe es auch für sanitäre Einrichtungen keine speziellen Vorschriften im Hinblick auf die Geschlechtertrennung. „Natürlich treten da im konkreten Fall auch Streitpunkte auf. Aber wir versuchen immer, Kompromisse zu finden, und bevorzugen deshalb auch eher die kleineren Unterkünfte“, so Sauer.
Im Moment laufen im Landratsamt Haßberge keine Planungen, weitere Unterkünfte in Ebern zu eröffnen. Die Regierung von Unterfranken sucht derzeit – gemäß Informationen der Homepage – nach weiteren Möglichkeiten für Gemeinschaftsunterkünfte.
„Was de facto auf Ebern jetzt jedoch zutrifft, ist eine Neubelegung“, teilt Dieter Sauer mit. Denn vor allem die Menschen aus Syrien haben bereits eine Anerkennung als Flüchtling bekommen. Sie müssen aus den Unterkünften ausziehen und sich eine eigene Wohnung suchen.
Neue Menschen kommen nach. Entsprechenden Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge in Ebern zu finden, gestaltet sich aber – nach Informationen aus dem Asylunterstützerkreis – sehr schwierig.
Asylanträge im Februar 2015
Im Februar nahm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 22 775 Asylerstanträge entgegen. Im Vergleichsmonat des Vorjahres waren es 9828 Erstanträge, was einen deutlichen Anstieg von 131,7 Prozent bedeutet. Mit 6913 Erstanträgen war im Februar erstmals der Kosovo Hauptherkunftsland und verwies Syrien (4023 Erstanträgen) auf Rang zwei. Serbien (1871 Erstanträgen) steht weiterhin an dritter Stelle.