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HAßFURT: Franken kehren mit 50 Jahren in die Heimat zurück

HAßFURT

Franken kehren mit 50 Jahren in die Heimat zurück

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    Für zehn Tage wird Haßfurt zur „Stadt der Bücher“. Beim ersten Haßfurter Literaturfestival („Haslit“) vom 20. bis zum 30. April geben sich bekannte Autoren in der Kreisstadt die Klinke in die Hand. Veranstalter sind der Bamberger Veranstaltungsservice und die Stadt Haßfurt. Im Programm finden sich so große Namen wie Heiner Geißler oder Axel Hacke, ebenso wie Spiegel-Bestsellerautor Klaus-Peter Wolf (Ostfriesentod). Auch Kinderbuchautoren sind vertreten, einer davon ist der berühmte Paul Maar. Für den Weltstar ist das „Haslit“ zugleich ein Heimspiel, eine Rückkehr in seine Kindheit, wo die Wurzeln vieler seiner Geschichten liegen.

    Er wird den kleinen und großen Zuhörern am 21. April um 16 Uhr „Schiefe Märchen und schräge Geschichten“ erzählen, aus seinem gleichnamigen Buch, das Ende 2016 erschien. Das einstündige Programm ist eine Lesung mit Musik, die der Schriftsteller zusammen mit zwei bekannten Musikern unternimmt: mit dem Gitarristen und Percussionisten Wolfgang Stute und dem Allround-Musiker Konrad Haas (Querflöte, Saxophon und Keyboard). Die von Paul Maar geschriebenen Lieder hat Konrad Haas vertont, die drei Akteure singen diese dann auf der Bühne zusammen.

    Der weltweit bekannte Kinderbuchautor, Illustrator, Drehbuch- und Theaterautor Paul Maar hat an die 75 Bücher und Theaterstücke geschrieben, ist auf den bekanntesten Buchmessen präsent und wurde bis dato mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Seine bekannteste Figur ist das Sams.

    Aber wie kam es zu seinem aktuellen Buch, den „schrägen Geschichten“? Vor 15 Jahren, so erzählt der bescheidene Autor im Gespräch am Küchentisch bei Kaffee und Erdbeerkuchen, habe er das Theaterstück „In einem tiefen, dunklen Wald“ geschrieben, das ironisch, spielerisch mit dem Stoff umgeht. Es wird als Musical gespielt, beispielsweise am Landestheater Tübingen. Und Märchen haben ihn schon immer fasziniert, vor allem die Märchen der Brüder Grimm. Nach dem Motto „was sich liebt, das neckt sich“ bekam er Lust darauf, Märchen zu schreiben, und zwar auf eine ironische, witzige Art und Weise.

    Paul Maar, geboren in Schweinfurt, lebt in Bamberg. Er kehrte mit 50 Jahren, das war 1987, in die fränkische Heimat zurück, nachdem er nach seinem Studium der Bildenden Kunst in Stuttgart lange Zeit aus beruflichen Gründen mit seiner Familie in Baden Württemberg gelebt hatte. Die Franken, so meint der Autor, kehren im Gegensatz zu den Schwaben meist mit 50 in ihre Heimat zurück, und so war es eben auch bei ihm. „Bamberg war mir sympathisch. Meine Großmutter stammte aus Bamberg, dort habe ich als Kind öfters die Ferien verbracht. Bamberg, das verband ich mit Sonne, Eis, frei haben“, erzählt Paul Maar.

    1987 ergab sich für Familie Maar die Gelegenheit, ein Haus in der Bamberger Altstadt zu erwerben, wo Paul Maar heute noch mit seiner Frau Nele Maar lebt. In den Sommermonaten verbringt er viel Zeit in seinem Zweitwohnsitz in Birkenfeld im Landkreis Haßberge.

    Die Verbindung zu Franken ist in vielen seiner Bücher zu spüren. Paul Maar sagt, dass im Grunde genommen alle seine Bücher im süddeutschen Raum spielen. Das Sams spielt in Bamberg, es gibt im Buch viele Anspielungen auf Orte und Menschen oder auch literarische Anspielungen auf E.T.A. Hoffmann.

    Besonders stark ist der biografische Bezug in dem 1987 erstmals erschienenen Buch „Kartoffelkäferzeiten“. Es wurde inzwischen mehrfach neu aufgelegt, zuletzt 2016. Die eindrucksvolle Erzählung aus der deutschen Nachkriegszeit gilt als einer der Höhepunkte in Paul Maars Gesamtwerk.

    „Nach so vielen Kinderbüchern wollte ich einmal etwas für Jugendliche schreiben. Ich wollte autobiografisch aus meiner eigenen Jugend erzählen, ein Bild der damaligen Zeit beschreiben“, sagt Paul Maar über dieses Buch. Der kleine Paul Maar, dessen leibliche Mutter starb, als er zwei Monate alt war, verbrachte einige Jahre seiner Kindheit in Obertheres bei seinen Großeltern, die eine Gastwirtschaft besaßen. Nach der Rückkehr seines Vaters aus der Kriegsgefangenschaft kehrte die Familie – der Vater hatte noch einmal geheiratet – nach Schweinfurt zurück.

    Das Buch erzählt aus der Perspektive der 11-jährigen Johanna den Alltag in einem fränkischen Dorf nach dem 2. Weltkrieg. Ein ständiger Mangel an Nahrungsmitteln, Kohle zum Heizen und vielen anderen lebensnotwendigen Dingen prägten den Alltag. Die Männer waren in Kriegsgefangenschaft geraten oder verschollen. Das Buch schildert das harte Alltagsleben in einer männerlosen Familie, wie sie typisch für die damalige Zeit war. Erzählt wird vom erbitterten Krieg der beiden Großmütter im Haus, der Freundschaft zu einem Jungen im Dorf und der Rückkehr des Vaters aus der Kriegsgefangenschaft. Schauplatz ist Obertheres, wobei dieser Ortsname im Buch nicht auftaucht. Er heißt, literarisch verfremdet, Hesterhausen. Hesterhausen, so der Autor, enthält alle Buchstaben des Wortes Theres, aber in veränderter Reihenfolge.

    Um Abstand zu gewinnen, so der Autor, erzählte er die Geschichte nicht aus seiner eigenen, selbst erlebten Perspektive, sondern aus der Perspektive eines Mädchens. Dieses Mädchen wiederum trägt den Namen seiner Stiefmutter.

    Dem Leser der „Kartoffelkäferzeiten“, vor allem demjenigen, der ortskundig ist, fällt auf, dass es viele im Buch genannte Familiennamen, Ortsnamen, Gebäude (wie zum Beispiel das Schloss) oder Straßen noch heute gibt. Oder dass topographische Gegebenheiten exakt beschrieben sind. Auf die Frage hin, was nun im Buch der Realität entspricht und was nicht, beschreibt Paul Maar das literarische Arbeiten: „Wenn Personen im Buch beschrieben werden, tragen sie oft die Namen von anderen, real existierenden Personen und haben das Aussehen einer wiederum anderen Person. Es kommen aber auch Schilderungen tatsächlicher Ereignisse und genaue Beschreibungen von Örtlichkeiten vor.“

    So zum Beispiel die Beschreibung des Dorfes: Als die kleine Johanna ihre aus Nürnberg ankommende Oma am Bahnhof in Hesterhausen abholt, stellt sie sich vor, wie es wäre, wenn sie anstelle der Oma das Dorf zum ersten Mal sehen würde: „Unten den Fluss, drüben die weite Mainebene und dahinter den Walfischrücken des Steigerwaldes. Diesseits die reifglänzenden Mainwiesen, die steile Böschung mit den Eisenbahnschienen, durch eine Hecke von der Straße getrennt. Hinter dem Ortschild dann das Unterdorf mit seinen zweistöckigen Fachwerkhäusern, die schmalen Giebel der Straße zugewandt, die Längsseite dem Hof.“

    Die Verbindung nach Obertheres blieb auch im realen Leben lange erhalten. So lange sein Großvater, Georg (Schorsch) Mattenheimer lebte, hat Paul Maar ihn als junger Mann noch oft besucht. Er ist im Oberthereser Friedhof begraben.

    Auf die Frage nach einem Lieblingsplatz in Obertheres beschreibt Paul Maar eine Wiese am Main, die man nach Unterquerung einer Bahnunterführung vom Ort her erreichte: „Dort saßen wir und haben unseren Freunden Geschichten erzählt.“

    Auch für die Zukunft hat sich Paul Maar einige Projekte vorgenommen. Die Entstehung seiner Bücher ist ganz unterschiedlich: manchmal sind es alte Notizen, die ihn anregen, manchmal ist es eine Grundidee, die er beim Schreiben entwickelt. Und manchmal beginnt er mit dem Schreiben seiner Lieblingsstelle. So war es beispielsweise bei seinem neuen Sams-Buch, das im September 2017 erscheint und hauptsächlich während eines Urlaubs auf La Gomera entstand, denn „Am besten kann ich schreiben, wenn ich nicht zuhause bin“, so der Autor. Aus losen Episoden entstand dort innerhalb von zehn Tagen schließlich eine ganze Geschichte, sprich das ganze Buch.

    Ganz nebenbei erwähnt Paul Maar dann noch, dass es anlässlich seines 80. Geburtstags im Herbst diesen Jahres auch noch ein Großes Paul-Maar-Buch geben wird, das von sehr bekannten Illustratoren bebildert wird.

    Weitere Informationen zum Literaturfestival unter www.haslit.de. Karten für die Lesungen des Haßfurter Literaturfestivals gibt es in der Geschäftsstelle des Haßfurter Tagblatts, Brückenstraße 14, Haßfurt.

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