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Freche Fratzen offenbaren sich

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Freche Fratzen offenbaren sich

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    Schamanen treten auf die Bühne des felsernen Maskentempels. Frivole Gestalten mit frechen Fratzen hüpfen im Kreis, tanzen, offenbaren sich. Im Keller des Fachwerkhauses in Birkenfeld, schräg gegenüber vom Schloss, kehren junge und alte Menschen ihr Inneres nach außen – auf der Suche nach neuen Wegen. Manager verbergen ihre Gesichter hinter Vogelmasken, Krankenschwestern schlüpfen hinter Teufelsfratzen, Rechtsanwälte ziehen sich die Narrenmaske über, Bankangestellte basteln sich Schamenentrommeln. Leben hier Verrückte? Gar eine Sekte?

    Die Birkenfelder wussten anfangs, das war vor knapp 13 Jahren, gar nichts mit dem Treiben im Fachwerkhaus mit der Nummer 50 anzufangen. Als die hölzerne Tür zum Gewölbekeller mal offen stand und einige Dorfbewohner das seltsame Treiben auf der Bühne beobachteten, als sie sahen, dass Menschen mit Masken im Kreis tanzen, ihre Glieder verrenken und abends im alten Steinbruch ums Feuer tanzen, verbreitete sich schnell das Gerücht, eine Sekte hätte sich das Dorf für mysteriöse Spiele ausgesucht. Heute sind die Fremden von damals Vertraute. In einem niedlichen Fachwerkhaus leben und arbeiten Reinhard Winkler und seine Ehefrau Malou Eberspächer. Sie selbst bezeichnen sich als Wandlungskünstler.

    Menschen aus allen Teilen Deutschlands, aus Österreich und der Schweiz kommen zu dem Ehepaar nach Birkenfeld, um sich selber besser kennen zu lernen. Sie setzen Masken auf, spielen Musik, geben sich Ritualen hin. Reinhard Winkler ist Sozialarbeiter, Künstler, Gestalttherapeut, Geomant, Feldenkraislehrer und Diakon. Er liest viel. In jeder Ecke des Häuschens stehen Bücher, sogar eine kleine Bibliothek gibt es. Seit 1974 forscht er über Masken, Rituale und Schamanismus. Er bezeichnet sich als „Wanderer zwischen den Welten“. Seine Partnerin ist Musiktherapeutin und Ausbilderin zur Klangpädagogin.

    Das Seminarangebot der beiden Wandlungskünstler ist vielfältig. In der sanften Hügellandschaft der Haßberge begleiten sie beispielsweise Jugendliche und Erwachsene auf einer mehrtägigen Visionssuche. Fortgeschrittene Nomaden auf dem schamanischen Pfad treffen sich zu Heilkreisen oder sie versuchen Beziehungen mit einem Rauhnächte-Heilungsmaskentanz zu festigen. Überhaupt dreht sich bei Reinhard Winkler und Malou Eberspächer vieles um Beziehungen – die Beziehung zu sich selbst, die Beziehung zur Arbeit, zum Partner, zu Kollegen, zu den Mitmenschen.

    „Alle Themen, die das Leben bietet, kommen auf die Bühne“

    Reinhard Winkler

    Dabei arbeiten sie hauptsächlich mit Masken, die von den Seminarteilnehmern selbst gefertigt werden. Die Maske wird als Spiegelbild der Seele gesehen, als innere Bilder, die nach außen getragen werden. „Das kommt ursprünglich aus dem Schamanismus“, sagt Reinhard Winkler. „Die Schamanen haben Masken eingesetzt, damit mehr Bewusstsein entsteht.“

    Im eigenen Theater, das sich die Künstler im Gewölbekeller ihres Hauses eingerichtet haben, stehen die Seminarteilnehmer dann im Scheinwerferlicht auf der Bühne. Sie tragen die Maske und versuchen, sich in diese Gestalt hineinzuversetzen. Die anderen Masken schauen zunächst zu, können aber als mögliche Spieler jederzeit in die Handlung einbezogen werden. Später wird gemeinsam reflektiert.

    So erfahren Manager, Rechtsanwälte, Ärzte, Ergotherapeuten und andere Seminarteilnehmer wie sie im Alltag wirken. Die Bühne ist der Schutzraum. „Wir sprechen nicht über die Menschen, sondern über Masken“, sagt Malou Eberspächer. „Sonst wäre das nicht auszuhalten.“

    Die Kernarbeit geht über drei Jahre. Alle zwei Monate treffen sich die Maskengruppen und leben ihr Potenzial aus. „Viele bekommen mehr Mut, werden geistig erwachsener und lernen ihre Grenzen neu kennen“, hat Reinhard Winkler festgestellt. So kommt es vor, dass 35-Jährige erkennen, das Hotel Mama zu verlassen und ausziehen, 70-Jährige finden neue Lebensinteressen oder Mütter, deren Kinder groß sind, neue Perspektiven.

    Durch die unterschiedlichen Themen haben auch Reinhard Winkler und Malou Eberspächer Wandlungen erfahren. „Es gibt kaum noch etwas, was mich erschreckt“, sagt der Sozialarbeiter. „Alle Themen, die das Leben bietet, kommen auf die Bühne im Gewölbekeller unter dem Fachwerkhaus.“

    Dann schlüpfen sie wieder in ihre Masken, springen als Berta in die Luft, schlüpfen in die Rolle des Herrn Fuckemann oder ziehen mit ihren Großmasken als Sommerkönig und Winterkönig übers Land.

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