„Das war einmal meine Backstube“, lacht Horst Triebel, „hier wurden früher die Weck gedreht.“ Wir treffen den 68-jährigen Bäckermeister im Dorfladen, wo einige kleine Tischchen mit Stühlen zum Verweilen einladen. Vor eineinhalb Jahren hat Triebel aus Altersgründen und wegen fehlendem Nachfolger seine Bäckerei mit kleinem Tante-Emma-Laden aufgegeben. Aber nach wie vor gehen die Dorfleute „zum Triebel“, wenn sie sich auf den Weg zum Einkaufen machen.
Dass nach einer halbjährigen Umbauphase seinem Geschäft auf diese Weise neues Leben eingehaucht wurde, macht den Pensionär glücklich. Als Vorstandsmitglied des Vereins, der den Dorfladen trägt, und als Vermieter ist er die gute Seele in dem kleinen Einkaufsmarkt. Von der Einrichtung profitieren viele; neben den Dorfbewohnern aus ganz Riedbach und Umgebung nicht zuletzt fünf Frauen, die hier als Verkäuferinnen einen Arbeitsplatz gefunden haben.
Am Nebentisch sitzt die junge Mutter Corinna Hanf mit ihrem neunmonatigen Sprössling Leon. In ihrem Einkaufskorb sieht man Bananen, Äpfel, Käse und Brötchen. Drei- bis viermal wöchentlich läuft sie her. Es ist ein ganz normaler Nachmittag, aber ständig ist ein Kommen und Gehen. Durchschnittlich 120 Kunden drücken täglich die Klinke der Ladentür, schätzt die Verkäuferin Renate Maier. Die Kleinsteinacherin hatte vorher 20 Jahre lang in Triebels Bäckerei die Brötchen verkauft.
Auf ihrer Stirn zeigen sich Falten, wenn sie an den Eröffnungstag am 3. März letzten Jahres denkt. Ein Einbruch verbreitete einen Mordsschrecken. Der sofort alarmierte Triebel glaubte zuerst an einen schlechten Scherz, aber der Täter hatte es auf die 600 Euro Wechselgeld abgesehen. Kurze Zeit später wurde der kleine Ums-Eck-Laden im nahen Rügheim auf ähnliche Weise heimgesucht. Beide Taten konnten bislang nicht aufgeklärt werden. Pech gehabt, könnte man sagen. Aber in Kleinsteinach hat man daraus gelernt und seitdem wird alles Bargeld in einem sicheren Safe verwahrt – ein weiterer Coup wäre sinnlos.
Die Betreiber ließen sich von dem dreisten Ganovenstück nicht entmutigen. Aber worin liegt der Erfolg schon im ersten Geschäftsjahr begründet? Frische Wurst, frische Backwaren und frisches Obst, das sei ganz wichtig, sagt Triebel. Zweimal die Woche wechselt das Angebot an der Frische-Theke. Gut fürs Geschäft ist sicher auch, dass täglich schon um sechs Uhr aufgesperrt wird. Und besondere Aktionen wie Blumenmarkt, Weinprobe oder Bratwurststand erregen immer wieder Aufmerksamkeit.
Durch die genossenschaftliche Struktur ist der Einkaufsladen fest in der Gemeinde verankert. Rund 140 Mitglieder tragen ihn und seit Anfang an stehen Bürgermeisterin und der gesamte Gemeinderat geschlossen hinter der Einrichtung. Zum Einkaufen und Klönen kommen aber nicht bloß diejenigen, die die Mindesteinlage von jeweils 200 Euro eingebracht haben, betont Triebel.
Ist das Genossenschaftsmodell ein Projekt, das in anderen strukturschwachen Gebieten kopiert werden könnte? Triebel und Maier sind fest davon überzeugt, denn immer wieder erkundigen sich Gäste von weither nach dem Konzept und wie man ein solches Vorhaben verwirklichen kann. Erst kürzlich gab es Besucher aus der Rhön und vom Untermain, die sich informierten, sagt Hauseigentümer Triebel.
Da sich der Laden wirtschaftlich trägt, konnten sogar neue Kühltheken und ein Einkaufsscanner angeschafft werden. Und so kann man die Kleinsteinacher zu der blitzgescheiten Idee eigentlich nur gratulieren. Und ihnen wünschen, dass sie weiter ihren Weg gehen und dass der erste echte Bürgerladen im Kreis seinem Grundgedanken treu bleibt: Ein Laden von Bürgern für die Bürger!