Es begann 2016 mit dem ersten Stolperstein in der Gemeinde Lisberg für Luise Loewenfels, die am 9. August 1942 im Vernichtungslager ermordet wurde. Inzwischen erinnern 17 Stolpersteine im Gemeindeteil Trabelsdorf und einer dieser Messingblöcke in Lisberg an die einstigen jüdischen Mitbürger. Vier weitere Stolpersteine sollen 2024 verlegt werden.

Mit der Erarbeitung des "Gedenkbuches für die jüdische Bevölkerung in den ehemaligen Gemeinden Trabelsdorf und Lisberg" wuchs das Interesse an den Schicksalen der Juden: Die promovierte Geschichtslehrerin Christa Horn hatte ihre Schüler des Bamberger Kaiser-Heinrich-Gymnasiums für dieses wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Werk begeistern können. Und in Bürgermeister Michael Bergrab und der Trabelsdorferin Frauke Hansen ideelle Unterstützer gefunden sowie Zeitzeugen und Nachfahren der Juden auf den Plan gerufen.
Jetzt mit weiteren Lebensgeschichten und Bildern
Das 2019 erschienene 348-Seiten umfassende Gedenkbuch mit Biografien, Fotos, Quellenangaben und Fußnoten ist in seiner Art einmalig in Oberfranken. Jetzt liegt es in einer um Lebensgeschichten und Bilder erweiterten Ausgabe von 390 Seiten auch in Englisch vor: "Uns war klar, dass wir das Buch auf Englisch brauchen", sagt Christa Horn im Blick auf Nachkommen in Amerika, Belgien und Schweden. Horn konnte ihre Schwester Elisabeth Schick-Billy und ihren Neffen Christopher Billy für die Übersetzung gewinnen: "Eine unbezahlte und unbezahlbare ehrenamtliche Arbeit", freut sich auch Bürgermeister Bergrab, dessen Gemeinde die Druckkosten finanzierte. Denn diese wolle, dass das "bunte und vielfältige Leben damals in der kleinen Landgemeinde und die Menschen nicht vergessen werden". Zumal einst Normalität im Alltag geherrscht habe, und das Zusammenleben von Juden und Christen problemlos gewesen sei.
Reaktion auf das Buch ist überwältigend
Die englische Version mit einer Auflage von 150 Exemplaren ist nun bei den jüdischen Familienangehörigen in Amerika, Belgien und Schweden angekommen. Ihre Reaktionen auf das Buch, dessen Inhalt sie jetzt verstehen können, ist überwältigend. Voller Dankbarkeit für die Tatsache, nach vielen Jahren unbeantworteter Fragen zu ihren Wurzeln Antworten zu bekommen. "Die ermordeten Juden sind ein näherer Teil unserer Familiengeschichte geworden, viele Details aus ihrem Leben waren uns unbekannt", schreibt etwa Jonathan Liffgens, Nachfahre aus der Familie des Trabelsdorfer Siegfried Liffgens, der nach der Deportation 1942 wohl im Ghetto Izbica zum gewaltsamen Tod kam. Für Jonathan ist es wichtig zu wissen, dass die Opfer des Holocaust durch das Gedenkbuch ihr menschliches Antlitz und ihre Würde zurückgefunden hätten und nicht ein bloßer Eintrag in die Statistik geblieben seien.
Ein herzzerreißendes historisches Zeugnis
Larry Golub, ein Urenkel der Lisbergerin Lena Gerstner, verheiratete Weintraub, ist davon berührt, nun nachvollziehen zu können, wie die Familien in Trabelsdorf und Lisberg ihr Jüdischsein durch die Jahrhunderte hinweg leben konnten. Dank der detaillierten Informationen sei es ihm möglich, endlich einen genauen Stammbaum mit Namen und Daten zu erstellen. Enkel und Urenkel der Familie Reichmannsdorfer – in Amerika lautet der Name Richman – empfanden die Lektüre als herzzerreißend. Das Gedenkbuch "ist ein hervorragendes historisches Zeugnis für die Trabelsdorfer und jeden, der es liest", erklärte Eric Richmann und fügte hinzu: "Deshalb werden wir immer sagen ‚nie vergessen…nie wieder‘!"
Ein Zeichen für "Aussöhnung und Vergebung"
Für Christa Horn und Frauke Hansen sind all diese und weitere Rückmeldungen ein Zeichen für "Aussöhnung und Vergebung". Ein anderes Signal für gelungene Vergangenheitsbewältigung werten die Frauen beispielsweise auch den Besuch im Juli 2023 von Mark Gordon in Trabelsdorf, ein Urenkel von Laura Charlotte Liffgens. Er wird sogar den jetzt 95-jährigen Zeitzeugen Rudolf Hackeneis treffen, der als Kind mit Joachim Liffgens befreundet war und mit ansehen musste, wie der Bub mit dessen Eltern und Bruder von den Nazis deportiert wurde.
Führung auf dem Jüdischen Friedhof
Am Sonntag, 25. Juni, um 15 Uhr, laden Bürgermeister Michael Bergrab, Christa Horn und Frauke Hansen alle Interessierten zu einer Führung auf dem Jüdischen Friedhof in Lisberg ein. Darauf sind auch Angehörige der Familien beigesetzt, die im Gedenkbuch gewürdigt werden. Der zuletzt datierte Grabstein stammt aus dem Jahr 1937. Treffpunkt für die Führung ist das Eingangstor zum Friedhof. Parken ist unterhalb am Zimmermannsweg möglich.