„Wie herrlich ist es im Wald, im schönen Steigerwald.“ Mit diesen Worten des vor 100 Jahren, am 18. August 1919, in Lindenau bei Dresden verstorbenen Georg Horn eröffnete am Sonntag der Ortschronist Gottfried Henfling die von der Freiwilligen Feuerwehr ausgerichtete Gedenkfeier zum 100. Todestag des sozialpolitischen Kämpfers, der 1841 als uneheliches Kind in dem Glasmacherort Fabrikschleichach geboren wurde.
Begrüßen konnte Henflinger laut einer Pressemitteilung des Historischen Vereins neben den Vertretern der Gemeinde Rauhenebrach und der SPD, der Kulturbeauftragten des Landkreises, Vertretern des Historischen Vereins Landkreis Haßberge und dem Kreisheimatpfleger vor allem die von weither angereisten Nachfahren Georg Horns. Das waren Rainer Horn aus Dabelow in Mecklenburg-Vorpommern, Rolf Haußig aus Moritzburg in Sachsen und Ulrike Hünig. Weiterhin hieß er die hier ansässigen Verwandten aus der Familie Bickel, den Nachfahren von Horns Ehefrau Margaretha, willkommen.
Kampf für Gerechtigkeit
Bürgermeister Matthias Bäuerlein verwies in seiner Würdigung zunächst auf die von Georg Horn in den Lebenserinnerungen zum Ausdruck gebrachte Liebe zur Heimat im Steigerwald, die er so bildhaft und liebreizend in Verse gefasst habe, dass sie „mit Händen zu greifen“ sei. Sein starker Gerechtigkeitssinn und sein daraus erwachsenes politisches und soziales Handeln seien eine Botschaft für ein gutes Miteinander der menschlichen Gesellschaft.
Kreisrat Paul Hümmer, der als Vertreter der SPD bei der Veranstaltung weilte, entschuldigte zunächst die Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar, die zurzeit als Ärztin in Westafrika weilt, sowie den im Urlaub befindlichen Bezirksrat Bernhard Ruß und betonte, beide hätten der Feier gerne beigewohnt.
Der Kampf von Georg Horn für Gerechtigkeit und Demokratie sei lang und entbehrungsreich gewesen. Menschen wie er hätten die sozialen Errungenschaften mitunter mit ihrer Freiheit oder gar mit ihrem Leben erkämpft. Aus seinem Leben sei auch die Erkenntnis zu gewinnen, dass jeder Mensch, gleich welcher Herkunft, etwas Gutes und Großes aus seinem Leben machen kann.
Ins Bewusstsein zurückgeholt
Wolfgang Jäger, Vorsitzender des Historischen Vereins Landkreis Haßberge, betonte, der Verein sei gerne dem Anliegen von Urenkel Rainer Horn nachgekommen, die Biografie seines Vorfahren in seine Schriftenreihe aufzunehmen. Denn dadurch konnte ein unbekannter, aber in seinem Wirken bedeutender „Sohn des Landkreises“ wieder ins Bewusstsein zurückgeholt werden. Das Heft, in dem der Lebensweg dieses Mannes nachgezeichnet wird, der von dem kleinen Steigerwaldort letztlich in den Berliner Reichstag führte, soll künftig im heimischen Buchhandel oder direkt beim Historischen Verein zu kaufen sein. Horns Weg sei geprägt vom beständigen Wirken zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Menschen; vor allem derjenigen, die unter den besonders harten Bedingungen in der Glasindustrie arbeiteten.
Geld- und Haftstrafen
Im Jahre 1867 durfte Georg Horn mit dem in der vorherigen Wanderschaftszeit angesparten Geld endlich seine aus dem gleichen Ort stammende Jugendliebe heiraten und eine Familie gründen. 1869 siedelte diese nach Löbtau bei Dresden über, wo er in der Dresdner Glasfabrik Friedrich Siemens, dem damals größten Industrieunternehmen der Region, Anstellung fand. Dieses Werk wurde später als Zentrum der organisierten Arbeiterbewegung beschrieben, woran Georg Horn maßgeblichen Anteil hatte. Horn organisierte beispielsweise 1873 den ersten Streik der Glasarbeiter in Löbtau. Auch brachte ihm sein Engagement, in dem er oft kein Blatt vor den Mund nahm, neben Geldstrafen insgesamt 25 Monate Gefängnis ein. Als Abgeordneter der SAG (später SPD) war Horn Mitglied des Sächsischen Landtags und schließlich des Reichstags, wo er 1916 mit der Gruppe um Karl Liebknecht wegen der Verweigerung der Zustimmung zu den Kriegskrediten aus der Fraktion ausgeschlossen wurde und dann der USPD angehörte.
Besonders bemerkenswert sei auch sein Todestag, der fast auf den Tag genau mit der Gründung der ersten deutschen Demokratie zusammenfällt. Denn am 11. August 1919 wurde die Weimarer Verfassung erlassen. Somit stehe die Feier in Fabrikschleichach für ein doppeltes Jubiläum.
Neue Recherche-Möglichkeiten
Rainer Horn berichtete sodann von seinen Recherchen über das Leben seines Urgroßvaters. Vor etwa fünf Jahren, nachdem er in den Ruhestand getreten war, fing er an, sich konkret mit der Geschichte zu befassen. Aufmerksam wurde er auf sie bereits als Jugendlicher, als er von einem Verwandten vergilbte Presseartikel über seinen Vorfahren erhalten hatte. Der zunächst unbekannte Geburtsort Fabrikschleichach erweckte seine Neugier, von der auch unabhängig von ihm der Nachfahre Rolf Haußig erfasst wurde. In Gottfried Henfling fanden beide einen äußerst kooperativen Unterstützer. Als sehr hilfreich haben sich die digitalen Möglichkeiten im Internet erwiesen, was Horn auch allen, die sich mit Familienforschung beschäftigen wollten, empfahl.
Aus den Lebenserinnerungen seines Vorfahren, die dieser in seinen späten Jahren verfasste, erzählte er manch heitere Geschichte, zum Beispiel wie mitunter er den Lehrer zu Schulbeginn vertrat, den dieser immer wieder einmal versäumte.
Geschenk an die Gemeinde
Rolf Haußig schließlich hob in seinen Ausführungen auch nochmals den Bruch des sogenannten „Burgfriedens“ durch die Ablehnung der Kriegskredite im Berliner Reichstag 1916 und den darauf folgenden Fraktionsausschluss hervor. Er überreichte dem Bürgermeister eine Mappe mit Familienerinnerungen sowie aus dem Nachlass eine große Glasvase mit Gravur, in die eine Sammlung der von Georg Horn verfassten Gedichte gesteckt war und die ein weiterer Verwandter, der bei der Gedenkfeier nicht zugegen sein konnte, zusammengestellt hatte.
Bürgermeister Bäuerlein sicherte zu, dass die Gedenkstücke einen ehrenvollen Platz in dem kleinen Museum des Glasmacher-Dorfes erhalten werde. Damit soll die Erinnerung an den einst mit der Fabrikschleichacher Glashütte aufgewachsenen Buben, der sich später für die Gesellschaft so verdient gemacht habe, lebendig gehalten werden. (pes)