Kaum zu glauben wenn man ihn sieht, aber mittlerweile ist er 92 Jahre alt, hat viel erlebt und er liebt seine Heimat. Die Rede ist von Johann Stark, genannt Hans, der seine Kindheit in Hofheim verbracht hat, in Königsberg seit 50 Jahren wohnt und sich zurück erinnert, wie es dereinst war in der Weihnachtszeit.
"Ein Nikolaus zur Weihnachtszeit, der von Haus zu Haus ging oder gar zu uns kam, war nicht der Fall, aber unser armseliges Haus in der Oberen Sennigstraße in Hofheim, in dem ich geboren wurde, glich einer uralten weihnachtlichen Herberge", erzählt er schmunzelnd.

1934, als der kleine Hans fünf Jahre alt, war zog die Familie in das Kapellentor. "Hier war es sehr eng, wir waren damals neun Kinder und die Eltern". Außerdem wohnten noch zwei Frauen und drei Kinder mit im Tor.
Weihnachten und die Vorweihnachtszeit sind für Hans Stark mit wunderschönen Erinnerungen verbunden. "Mutter stellte immer einen Adventskranz auf den Tisch. Es wurde tagelang gebacken. Wir, vor allem meine Schwestern, durften bei der Weihnachtsbäckerei mithelfen und das ganze Kapellentor duftete nach Plätzchen und Christstollen. Bis zum Fest war das für uns Kinder die Zeit der ständigen Versuchung, denn nur wer mitgebacken hat, durfte probieren. Wir sehnten den Heiligen Abend herbei, da erst dann die Plätzchen zum Verzehr freigegeben wurden."
Sichtlich Freude bereitet dem Senior die Erinnerung an die Beschaffung des Baumes: "Wir hatten immer den schönsten Baum, den wir zuvor im Wald stibitzten und der dann mit Lametta, glänzenden Glaskugeln und Kerzen geschmückt wurde. Als Geschenke gab es am Heiligen Abend nur Kleinigkeiten und Notwendiges. Wichtig für uns alle waren die Krippe und der Christbaum. "

Der Heilige Abend war sehr festlich
Das Musizieren hatte im Hause Stark schon immer einen großen Stellenwert: "Wir fühlten uns geborgen und wohl wenn es draußen dunkel wurde, die Schneeflocken vom Himmel fielen, die Mutter eine Adventskranzkerze nach der anderen entzündete, wir eng beisammen saßen und der Heilige Abend immer näher rückte. Mein Vater nahm dann abwechselnd Ziehharmonika und Geige zur Hand. Ebenso zeigte meine Schwester Marianne ihre Künste auf ihrer Geige. Beide spielten Weihnachtslieder, der Rest der Familie trank im Kerzenschein warmen Tee und sang dazu".

Alle waren voller Erwartung. "Wir Kinder stürmten in die schöne Stube, das Kleinste wurde meist von der Mutter auf dem Arm getragen. Da standen wir alle ganz still vor Staunen und der Christbaum sowie die Krippe erstrahlten im Kerzenschein in der dunklen Stube. Am 1. Weihnachtsfeiertag war es selbstverständlich, dass wir den Großeltern einen Besuch abstatteten."
Schnee gab es viel mehr als heute
"Oje, Schnee gab es damals so gut wie immer und es war oft bitter kalt, auch in den Schlafstuben", erinnert sich Hans Stark. "Vor dem Zubettgehen wurden wir von der Mutter bis zu den Nasenspitzen eingepackt. Jedes Kind bekam einen warmen Stein an die Füße gelegt, der aus der Backröhre kam. Die Fensterscheiben waren komplett zugefroren, die Wände teilweise weiß vom Reif. Hin und wieder sahen wir Bauern, die - im Auftrag der Stadt - mit ihren Pferden einen Schneepflug hinter sich herzogen und so die Schneemassen von den Fahrbahnen räumten. Acht Tage vor Weihnachten 1940 setzte eine solch große Kälte ein, dass im Januar kein Schulunterricht stattfand."
Die Kinder hatten ihre Freude trotz des kalten Winters
Für Hans Stark und seine Geschwister hatte der Winter nicht nur unangenehme Seiten. "Für das Schlittenfahren und Schlittschuhlaufen waren zur weihnachtlichen Zeit in Hofheim meist die besten Voraussetzungen gegeben. Jede freie Minute verbrachten wir entweder auf der Schlittenbahn am Huttenrangen, an der Lendershäuser Straße oder auf dem Ölberg in Ostheim und rasten den Hang hinunter. Klappte es mit dem Schlittenfahren doch einmal nicht, weil etwa der Schnee ausblieb, so fanden wir häufig Ersatz im Schlittschuhlaufen auf dem Eisweiher. Toll war, dass damals Skier und Schlitten per Handarbeit in der Schreinerei Wilhelm Pfeuffer in der Lendershäuser Straße in Hofheim hergestellt wurden. Hin und wieder haben wir dort mitgeholfen und verdienten uns einen neuen Schlitten oder ein Paar Skier."
Kriegsjahre: Letzte Weihnacht im Kapellentor war 1944
Der Zweite Weltkrieg brachte Sorge und Leid. "Vater war Soldat. Dunkel war die Stadt. Selbst die Kirche und die Häuser wirkten, auch in der Weihnachtszeit, in ihrer Verdunkelung wie tot. Der Luftschutzkoffer stand immer bereit. Bei Fliegeralarm ergriff Mutter diesen und wir eilten in die Keller der Innenstadt oder zu Familie Sponsel".

Hans Stark sieht heute noch die Bilder vor sich: "Unser letztes Weihnachtsfest im Tor war 1944. Der Krieg war noch keinen Monat vorüber, da stand meine Mutter Justina Ende Mai 1945 zur Mittagszeit in der Küche, um Nudelteig auszurollen. Da hörte sie plötzlich einen gewaltigen Schlag, der das ganze Tor erzittern ließ. Als Mutter erschrocken aufblickte, schaute sie ins Freie, denn die Außenwand der Küche war verschwunden. Ein Tieflader der US-Armee beförderte auf der Ladefläche einen Sherman-Panzer, dessen Fahrer vergessen hatte, das Rohr der großen Bordkanone zu senken und so rumste dieses gegen einen Trägerbalken und die Außenwand unserer Wohnung stürzte in die Tiefe."
Ein neuer Anfang in der Sportplatzsiedlung
"Nachdem wir in einer Notwohnung auf dem heutigen Sparkassengelände Unterschlupf fanden, entschlossen sich unsere Eltern zu bauen. So entstand mit viel Eigenleistung unser kleines Haus mit einem Nebenbau in der Sportplatzsiedlung, in dem wir gemeinsam mit den Eltern noch viele Weihnachtsfeste feiern durften."