Es ist noch immer eine Art Zeitreise, wenn man nach Rumänien fährt, aber es tut sich viel in diesem osteuropäischen Land, das die meisten Menschen in Westeuropa ausschließlich mit bitterer Armut in Verbindung bringen. Der Lionsclub Haßberge unterstützt seit über zehn Jahren Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen in Rumänien in der Überzeugung, dass Gesundheitsfürsorge und Bildung die nachhaltigste Form von Entwicklungshilfe sind – überall auf der Welt.
Der aktuelle Lions-Präsident Rudolf Hart, Franz Beck, der im Juli seine Nachfolge antreten wird und einige Mitglieder des Lions-Clubs und Unterstützer der Hilfsprojekte reisten jetzt für fünf Tage in die Region Maramures in den Karpaten.
„Erste Hilfe“ in Craiowa
Ursprünglich lag der Schwerpunkt der Hilfe aus Haßfurt in der Großstadt Craiowa. 2010 ging wieder ein Hilfstransport des Lions-Clubs dorthin, mit dabei Harry Riegel, seine Frau Heike, Sohn Johannes und der Familien-Kleinbus voller Hilfsgüter. Als alles verteilt war, wollte Heike Mohler-Riegel auf jeden Fall noch in den Nordwesten von Rumänien. Sie hatte von der Maramures gelesen, von der herrlichen Landschaft und vor allem den traditionellen Holzkirchen, die Eingang ins UNESCO-Weltkulturerbe fanden. Mitten in einer regnerischen Nacht fanden sie nach einigen Wirrungen Unterkunft in einer Pension im Dorf Botiza – heute verbindet sie mit der Eigentümer-Familie eine enge Freundschaft. Und in der ganzen Region kennt man mittlerweile Haßfurt und den Lions-Club Haßberge.
Harry Riegel hat nämlich zahlreiche Initiativen entwickelt, um hier Unterstützung zu leisten im Bemühen, die Region positiv zu entwickeln. Auf seine Initiative hin verlagerte der Lions-Club seinen Förderschwerpunkt in die Maramures, transportierte die bei der Generalsanierung des Schulzentrums ausgemusterten Möbel und Tafeln nach Nord-Transsylvanien, ebenso die Betten, die im Seniorenhaus St. Bruno ersetzt wurden. Nach einer kostenlosen Generalüberholung im Sanitätshaus Mannl und Hauck sind sie jetzt im Bezirkskrankenhaus in Sighetu Marmatiei im Einsatz. Hier wie an der „Regele Ferdinand Pedagogical High School“ in Sighetu gibt es so genannte „German Rooms“. Stolz zeigte Dr. Raimund Pozman die frisch renovierte Kinderstation mit Pflegebetten aus Haßfurt – und Wänden, die ein junger Mann aus Sighet im vergangenen Monat liebevoll mit Bilderbuch-Figuren bemalt hat.
Insgesamt aber hat das Krankenhaus große Probleme, die 14 Abteilungen in ebenso vielen sanierungsbedürftigen Häusern ökonomisch zu betreiben. Unter dem neuen Präsidenten seien die Arztgehälter deutlich angehoben worden, so dass die Personalfrage nicht mehr dramatisch ist, so Dr. Pozman. Doch der gemeinsame Rundgang zeigte die Defizite dramatisch auf. Die meisten Gebäude stammen von 1920, die jüngsten aus den 70er Jahren. Das Budget sei niedrig, erklärte der Arzt. Sighet kämpft mit seiner Grenzlage nahe der Ukraine. „Die Maramures liegt auch in Rumänien am Ende der Welt“, brachte er es auf den Punkt. Man bemühe sich, europäische Mindeststandards zu erreichen, aber „wir haben hier leider keine europäische Realität“.
Viele psychische Erkrankungen
So ist der Anteil an psychischen Erkrankungen außerordentlich hoch. Von 550 Betten entfallen etwa die Hälfte auf die Psychiatrie. Dr. Pozman hat keine hochtrabenden Wünsche, aber ein System der Mittelverteilung wie in Ungarn würde viel Ungerechtigkeit beseitigen, ist er überzeugt. In der Bezirkshauptstadt Baia Mare stehen dem Krankenhaus ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung, das bestätigte auch Andrea Pohl. Die Deutschlehrerin lebt und unterrichtet in Baia Mare. Im vergangenen Jahr hat sie mehrere Wochen lang am Regiomontanus-Gymnasium in Haßfurt hospitiert und dabei den Kontakt zum Lions-Club gefunden. Sie bot sich daher an, die Reise als Dolmetscherin zu begleiten.
Auch an der Regele Ferdinand Pedagogical High School wurden die Gäste aus Haßfurt herzlich empfangen. Geschichtslehrer Ovidio Sechel, der die Gruppe ebenfalls mehrere Tage lang begleitete, und Schulleiter Claudiu Chindris erläuterten das Schulsystem, das sich anders gliedert als in Deutschland. Sehr stark stellen sich Schulen wie Schüler Wettbewerben und so waren die Gäste aus Hafßurt zu einer großen Schulfeier eingeladen, weil die Pädagogik-Schüler die diesjährige Psychologie-Olympiade gewonnen hatten. Die Reisegruppe bekam einen ersten Eindruck der herzlichen Gastfreundschaft der Rumänen.
Museum für die Opfer des Kommunismus
Am zweiten Tag gab es dann eher schwere Kost, denn in Sighetu steht auch das Museum für die Opfer des Kommunismus“. Amüsanter war da der Besuch im so genannten „Fröhlichen Friedhof“ in Sarpanta, der Ausflugsziel für Rumänen wie internationale Touristen ist.
Weiter ging es nach Botiza, wo die Gäste eingeladen waren, an einer orthodoxen Taufe teilzunehmen. De Zeremonie war ein Erlebnis, die anschließende Feier im neu erbauten Gemeindezentrum ebenfalls. Wenn hier für eine Veranstaltung ohne Tische bestuhlt wird, dann kommen neben dem von der Gemeinde angeschafften Mobiliar die Schwingstühle zum Einsatz, die früher im „Pädagogischen Zentrum“ des Regiomontanus-Gymnasiums standen. Ein paar Häuser weiter steht die Volksschule – auch hier Stühle und Tafeln aus Haßfurt. Dann wieder Klassenzimmer, in denen nach wie vor die Tafeln an die Wand geschraubt sind, Esszimmer-Stühle stehen an den Pulten der Schüler. Auch hier machte der Rundgang Mut, zeigte aber auch, wie viel Nachholbedarf noch besteht.
Botiza hat rund 3000 Einwohner, etwa 2000 davon sind regelmäßig im Ausland beschäftigt. „Das wechselt alle paar Monate durch“, erzählte Bürgermeister Florea Poienar. „Wir packen an, das sehen Sie hier im Ort. Harry hat uns auch von Beginn an zugesagt, dass er gerne Hilfe vermittelt, die Gemeinde und die Bürger aber auch selbst was tun müssen“.
Betreuung von Waisenkindern
Das bezieht sich zum Beispiel auf das Tageszentrum Ionica. Hier betreut Erzieherin Ioanna bis zu 30 Kinder – Waisenkinder und solche, deren Eltern gerade im Ausland arbeiten und die dann bei Omas oder Verwandten leben, bei den Hausaufgaben. Sie fördert jedes Kind nach Kräften, regt auch zu Bastelarbeiten und Konzentrationsübungen an. Der Lions-Club kofinanziert derzeit ihr Gehalt und hat schon verschiedene Einrichtungsgegenstände zur Verfügung gestellt. Auch dem Bürgermeister liegt das Tageszentrum sehr am Herzen, neue Fenster wurden bereits eingebaut, die Heizsituation soll auch verbessert werden. Die Hauptstraße ist seit kurzem staubfrei, darauf gehören aber Pferdewagen noch zum Alltagsbild- Pferdegespanne sind selbstverständlicher als Traktoren für die Landwirtschaft.
Auf der Rückreise machte die Gruppe nochmals Shigetu Marmatiei Station und besuchte das Geburtshaus des Friedens-Nobelpreisträgers Eli Wiesel und die letzte, allerdings vollständig erhaltene Synagoge der Stadt. 40 Prozent der Bevölkerung in Sighetu waren vor dem Zweiten Weltkrieg jüdisch, 38 000 Menschen wurden deportiert, 2300 kamen wieder zurück. Nein, es gebe keinen Antisemitismus in Sighetu, erklärte Petru Ganz und David Lieberman den Gästen. In dieser Stadt habe es immer ein buntes Gemisch von Minderheiten mit den unterschiedlichsten Ethnien und Glaubensrichtungen gegeben und sie hätten immer gut zusammengelebt. Hier habe es kein Pogrom gegeben, betont Lieberman, Präsident der jüdischen Gemeinde.
Angefüllt mit vielen Eindrucken kehrten die Lionsclub-Mitglieder zurück. Die persönlichen Begegnungen haben sie darin bestärkt, dass die Hilfe vor Ort ankommt „und wir wissen jetzt auch noch viel konkreter, was gebraucht wird“, so Clubpräsident Rudolf Hart. Materialien für die Mittagsbetreuung beispielsweise. Ein entsprechendes Paket wird demnächst losgeschickt werden, unabhängig vom nächsten größeren Hilfstransport.