Norbert Raport ist außer sich: „Hätten wir mehr pumpen können, hätten wir heute weniger Leichen.“ Raport ist Vorsitzender des Angelvereins Nassachtal Haßfurt. Sein Verein ist Pächter des Messelausees bei Knetzgau. Dieser See liegt zwar auf der Gemarkung Knetzgau, gehört aber der Stadt Haßfurt, die ihn an den Verein verpachtet hat. Von Dienstag auf Mittwoch hatte in diesem See ein Fischsterben eingesetzt. Hunderte von verendeten Tieren wurden von den Mitgliedern des Angelvereins in den letzten Tagen abgeschöpft und in einem Container gesammelt.
Es stinkt sprichwörtlich zum Himmel an dem idyllischen Fleckchen Erde. Obwohl schon so viele Fischkadaver geborgen wurden, werden an den Ufern immer neue Leichen angeschwemmt. Und das wird auch noch eine Zeit anhalten. Ein anwesender Angler berichtet: „Der Grund ist auch mit Fischleichen bedeckt. Die werden nach und nach an die Oberfläche treiben – wie Wasserleichen eben.“ Er stellt auch fest, dass von den Hunderten von Karpfen, die am Tag zuvor rund um die Stelle, an der Frischwasser in den See gespritzt wird, nach Luft schnappten, nur noch etwa eine Handvoll übrig geblieben zu sein scheint.
Und auch die zuständige Behörde stinkt den Anglern. Sie fühlen sich schlecht behandelt: „Die Angelvereine sind bei der Unteren Naturschutzbehörde nicht gerne gesehen“, so Vorsitzender Raport. „Dabei betreiben wir viel mehr Naturschutz als die sogenannten Naturschützer.“ Der Verein nutzt den Messelausee eigentlich nur „nebenbei“ als Fischgewässer. In erster Linie pflegt er das über einen Hektar große Areal als Biotop.
Was die Angler nicht verstehen, ist das Fehlen einer wasserrechtlichen Genehmigung in einem solchen Notfall. „Es ist uns schon klar, dass man nicht einfach Wasser aus dem Main entnehmen kann. Aber die Landwirtschaft bekommt ja auch eine Genehmigung. Und ist nicht Tierschutz auch eine Form von Naturschutz?“ Zudem verstehen die Angler nicht, warum sie kein Wasser entnehmen sollen. „Der Main ist nur rund 50 Meter vom See entfernt. Das Wasser, das vom Main in den See gespritzt wird, sickert als Uferfiltrat doch wieder in den Fluss zurück.“
Am Mittwochnachmittag war die Knetzgauer Feuerwehr auf Anordnung von Bürgermeister Stefan Paulus ausgerückt und hatte drei Stunden lang frisches Wasser aus dem Main in den Messelausee gespritzt. Das war jedoch nicht genug, so der Vereinsvorsitzende, um dem Fischsterben Einhalt zu gebieten. „Dabei standen fünf weitere Wehren Gewehr bei Fuß und hätten mithelfen können“, so der Anglervorstand, doch man habe sich nicht getraut, da das Landratsamt den Einsatz nicht genehmigt hatte.
Raport erzählt im Gespräch mit dieser Redaktion, dass man schon vor Jahren mit der Unteren Naturschutzbehörde verhandelt habe, ob der See nicht einen Zu- und Ablauf zum Main bekommen könnte. Man habe die Auskunft erhalten, das sei durchaus vorstellbar, ersten Planungen zufolge würde dies den Verein rund 30 000 Euro kosten. „So viel Geld haben wir nicht“, klagt Raport. Der sich zudem Sorgen darüber macht, wie der Verein die finanzielle Katastrophe durch das Fischsterben verkraftet. „Wir bleiben ja auf den ganzen Kosten sitzen“, so Raport, „und wir sind ein kleiner Verein – vielleicht überleben wir.“ Der Vorsitzende macht kein Geheimnis daraus, dass der Verein im Moment jede Unterstützung gut brauchen könnte. Dabei lässt sich die Höhe des finanziellen Schadens noch nicht beziffern, sagt Vorsitzender Raport.
„Wir betreiben viel mehr Naturschutz als die Naturschützer“
Der Verein wollte eigentlich in eine sorgenfreiere Zukunft des Sees investieren. Erst kürzlich habe man mit der Beratungsstelle des Fischereiverbandes wegen der Anschaffung eines Beatmungsgerätes für den See, wie es in Haßfurt am Mooswäldchensee und am Buchensee Verwendung findet, verhandelt. Doch der Verband stehe derzeit wegen der aufgrund der klimatischen Extreme angespannten Situation unter Druck. „Und uns läuft jetzt die Zeit davon“, sagt Raport.
Auf Anfrage dieser Redaktion erklärt das Landratsamt Haßberge, der Angelverein Nassachtal sei am Mittwoch darüber unterrichtet worden, dass eine wasserrechtliche Erlaubnis zu beantragen sei. Bis Donnerstag sei kein solcher Antrag bei der zuständigen Behörde eingegangen. Zum Zeitrahmen, mit dem für die Erteilung einer solchen Erlaubnis gerechnet werden müsste, teilte das Amt mit: „Die vorgesehenen Wasserentnahmen aus dem Main erfordern ein komplexes Wasserrechtsverfahren mit einer Reihe von zu beteiligenden Fachbehörden.“ Ferner liege der Messelau-See im Geltungsbereich der Verordnung über das Naturschutzgebiet „Mainaue bei Augsfeld“: „Eine Beteiligung der höheren Naturschutzbehörde bei der Regierung von Unterfranken in Würzburg ist daher ebenfalls erforderlich. Eine kurzfristige Erlaubniserteilung ist daher nicht möglich. Mit einer Verfahrensdauer von zwei bis drei Monaten ist daher zu rechnen.“
Das Wasserwirtschaftsamt habe jedoch schon 2015 in einer Besprechung mit dem Angelverein angedeutet, dass es einem entsprechenden Antrag zur Wasserentnahme aus dem Main grundsätzlich positiv gegenüberstehe. Auch die höhere Naturschutzbehörde habe dem Landratsamt signalisiert, dass eine Zustimmung unter gewissen Rahmenbedingungen möglich sei. Es gebe seitens der Behörden keinen Notfallplan für die Baggerseen am Main. Eigentümer oder Pächter könnten selbst einen Notfallplan entwickeln, der berücksichtigt, Erlaubnisse rechtzeitig vor dem Schadensfall einzuholen. „Die Probleme gerade mit älteren Baggerseen kommen nicht überraschend, vielmehr ist jährlich wiederkehrend mit vergleichbaren Situationen gerade im Spätsommer und Herbst zu rechnen. Insoweit ist es zumutbar und erforderlich, dass die Eigentümer bzw. Pächter des Fischgewässers rechtzeitig vorher (mindestens drei Monate im Voraus) einen Antrag zur Wasserentnahme aus dem Main stellen unter genauer Darlegung, wo und in welchem Umfang die Entnahme erfolgen soll“, damit die für das Wasserrechtsverfahren erforderliche Beteiligung der Fachbehörden erfolgen könne.