„Seit rund 29 Jahren bin ich der einzige Hautarzt im Umkreis für rund 100 000 Menschen.“ Dr. Dieter Rosenzweig versorgt seit fast drei Jahrzehnten die Bürger im Landkreis Haßberge und aus benachbarten Regionen wie unter anderem Bad Königshofen. Eigentlich wären für einen so großen Bereich zweieinhalb Stellen erforderlich gewesen nach den Berechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV).
Und nun fällt auch noch diese eine Stelle weg. Hautarzt Rosenzweig schließt nämlich in dieser Woche seine Praxis. Ohne Nachfolger. Seit zwei Jahren hat sich der Hautarzt um einen solchen bemüht. „Ich habe in sämtlichen Kliniken nachgefragt“, so Dr. Rosenzweig. Er war in Erlangen, Bayreuth, Würzburg, Augsburg, München und Hersbruck vorstellig. Das Ergebnis: Niederschmetternd. Der KV war es nicht anders ergangen. Nur Absagen. So dass sich die Vereinigung schließlich an Dr. Rosenzweig wandte mit der Bitte, er möge doch selbst für einen Nachfolger sorgen. „Was absolut nicht meine Aufgabe ist“, so der Arzt, der dennoch alle Register zog. Aber vergeblich.
„Zu ländlich, zu provinziell“, so Rosenzweig, lauteten die Begründungen für die Absagen. Eine Kollegin aus der Landeshauptstadt, die dort mit ihrer Situation unzufrieden und deshalb vielleicht eine potenzielle Kandidatin gewesen sei, habe ihm gegenüber nur geäußert: „Wir haben hier keine Kultur“, so Dieter Rosenzweig. Ein Bewerber wenigstens habe die Wahrheit gesagt, es sei zu viel Arbeit.
Eine Rumäniendeutsche, die an einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) arbeitet und mit der Situation unzufrieden ist, habe vor fünf Wochen abgesagt. Ein Kollege, der sich zunächst interessiert gezeigt hatte, scheiterte am Veto seiner Frau.
Der Haßfurter Mediziner versteht die Welt nicht mehr. 110 000 Euro habe die KV als Zuschuss ausgelobt für einen Hautarzt, der sich hier niederlässt. „Damit könnte man die Hälfte einer nagelneuen Praxis finanzieren. Ich wäre damals froh gewesen, wenn ich so eine Summe erhalten hätte. Und dabei handelt es sich um kein rückzahlbares Darlehen“, stellt Rosenzweig fest. Ergebnis: Fehlanzeige!
„Gott sei Dank bin ich in der glücklichen Lage, dass ich keinen Nachfolger brauche“, so Dr. Rosenzweig, „aber mir tun vor allem meine älteren Patienten leid, die kein Auto haben und nun nicht zu einem Hautarzt nach Schweinfurt oder Bamberg fahren können.“ Auch um seine Angestellten, „die dermatologisch gut gearbeitet haben“, sei ihm bange gewesen, doch diese haben sämtlich eine neue Stelle gefunden, wenn auch nicht bei einem Hautarzt.
Dr. Rosenzweig ist sauer auf die KV. Diese habe den Sicherstellungsauftrag und könnte laut Dr. Rosenzweig auch sicherstellen, dass ein neuer Hautarzt in den Landkreis kommt. Dazu müsste sie aber eine bayernweite Sperre für die Niederlassung von Hautärzten aussprechen, bis die Stelle im Haßbergkreis besetzt ist. Das jedoch sei aus politischen Gründen nicht gewollt. Der Staat favorisiere eben Medizinische Versorgungszentren, weil man glaube, die medizinische Versorgung werde so billiger – „wird es aber nicht“, widerspricht Rosenzweig. Diese Entwicklung sei vor allem für die Patienten nicht gut, die sich jedes Mal an einen anderen Arzt gewöhnen müssten.
Dr. Dieter Rosenzweig sieht das deutsche Gesundheitssystem zwar noch als sehr gut an, „doch es wird schlechter“. Es sei schade, „dass an verantwortlicher Stelle nichts gemacht wird“. Rosenzweig spart hier auch die heimischen Mandatsträger nicht aus. Der Landrat, den er sehr schätzt, sei natürlich auch für ein MVZ, nicht zuletzt wegen der Ärztehäuser am Krankenhaus. Was dem Hautarzt aber die Sprache verschlug, war die Äußerung eines Haßfurter Stadtrates, den er auf die Problematik angesprochen hatte: „Das ist kein Problem der Kommunalpolitik.“
Ab übernächster Woche heißt es jetzt also für alle Patienten, die einen Hautarzt aufsuchen müssen, nach Bamberg, Schweinfurt, Bad Kissingen, Wiesentheid oder Coburg fahren zu müssen. „Früher haben sich die Patienten aufgeregt, wenn sie einmal eine halbe Stunde im Wartezimmer sitzen mussten, jetzt müssen sie viele Kilometer fahren“, so Dr. Rosenzweig verbittert.