„Ich bin kein Handwerker, kann aber anpacken“ – und angepackt hat Olaf Ernst: jede Menge an Schutt und Unrat, um das alte Brauhaus mitten in Untersteinbach zu neuem Leben zu erwecken. Allerhand Idealismus und Vorstellungskraft hat es gebraucht, das Projekt anzugehen, doch das fast fertige Werk zeigt, dass solcher Mut belohnt wird. Mitte September werden die neuen Büroräume bezogen, auch die drei Ferienwohnungen in der alten Mälzerei können dann die ersten Gäste beherbergen.
Ein bisschen verschämt drückte sich das Brauhaus an der Hauptstraße über Jahrzehnte in die Ecke zwischen der Gastwirtschaft und der benachbarten Schreinerei. Was an der Straße relativ schmal erscheint, aber durch die Höhe und das Fünf-Meter-Bogenfenster auffällt, ist von der Grundstücksrückseite betrachtet ein imposantes Gebäude, das bereits in den 1950er Jahren in den Dornröschenschlaf fiel.
Brauereibesitzer Georg Zeck hatte 1928 den Bau eines neuen, für die damalige Zeit sehr modernen Brauereigebäudes beantragt, Architekt und Bauleiter war der Urgroßvater von Olaf Ernst, Karl Rüttinger (1880 – 1952). Das neue Brauhaus war noch nicht einmal verputzt, da trafen die Wirtschaftskrise und der Tod seiner Frau Elsa den Brauereibesitzer und so monierte das Bezirksamt Haßfurt im Sommer 1935, dass das Gebäude noch immer nicht verputzt sei, es folgte sogar eine Anzeige. In den 1950er Jahren verkaufte Zeck das gesamte Anwesen mit Gaststätte und Brauhaus an die Brauerei Kesselring aus Marktsteft. Das Gasthaus wurde weiterbetrieben, die Brauerei fiel in einen Dornröschenschlaf. Zeit und Witterung setzten dem Gebäude zu, innen wurde zunehmend mehr Unrat abgelagert.
Ab Herbst 2010 befasste sich Olaf Ernst mit dem Gedanken, das Bauwerk seines Urgroßvaters zu „retten“ – allerdings musste er erst noch seine Ehefrau Andrea mit seiner Begeisterung anstecken. Als er in Gespräche mit der Brauerei Kesselring tritt, hat er ein Nutzungskonzept im Kopf, das auch die Gemeinde Rauhenebrach und das Bayerische Innenministerium überzeugt, so dass das Vorhaben in das Städtebauförderungsprogramm zur Revitalisierung von Gewerbebrachen aufgenommen wurde.
2013 kaufte er das Gebäude und das angrenzende Grundstück, das durch den Abbruch der früheren Schreinerei frei wurde. So ist jetzt auch ein Garten möglich, die Ferienwohnungen haben wesentlich mehr Licht als in der früheren Situation.
Im Frühjahr 2014 begann der Umbau. „Wir haben erst mal wochenlang Schutt geschleppt. Reifen, Maschinenteile, Einrichtungsfragmente, mehrere große Mulden wurden abgefahren“, erinnert sich Olaf Ernst. Um eine ordentliche Raumhöhe zu erreichen, müssen neue Holzbalkendecken eingezogen werden, die historischen Kappendecken konnten teilweise erhalten bleiben. Sämtliche Räume erhielten eine innen liegende Wärmedämmung, der Dachstuhl musste ausgebessert werden, die Schleppgauben wurden von einem ortsansässigen Zimmerer originalgetreu nachgebaut. Der äußerliche Charakter des eigenwilligen Gebäudes bleibt erhalten, viele Stilelemente treten jetzt erst richtig deutlich zutage. Vor allem die beiden hohen, gebogenen Fenster prägen die Fassade. Moderne Isolierscheiben liegen jetzt hinter den originalen Metall-Sprossen.
Eine Herausforderung war die Putzfassade. Es handelt sich dabei um einen für damalige Industriegebäude typischen aber heute kaum noch erhaltenen Rillenputz, für dessen Wiederherstellung eigens Kirchenrestauratoren hinzugezogen werden mussten.
Und auch innen sorgen die erhaltenen Elemente der einstigen Nutzung für den besonderen Charakter der Räume, ob in den Ferienwohnungen oder in der künftigen Kanzlei im früheren Sudhaus. Zwar ist der Sudkessel aus Platzgründen entfernt worden, aber aus einem Segment des Läuterbottichs entstand Olaf Ernsts neuer Schreibtisch. Eine Glasplatte im Boden gleich neben dem Eingang zu seinem Büro gibt den Blick frei auf den beleuchteten acht Meter tiefen Brunnen, den Olaf Ernst und seine Helfer in mühevoller Arbeit von Unrat befreit und abgestrahlt haben.
Auch in den Ferienwohnungen, für die es bereits erste Anfragen gibt, kommen ehemalige Brauerei-Gegenstände zu neuer Funktion. So wird der frühere Hopfenseiher aus dem Kühlschiff zu einem besonderen Wohnzimmertisch, Teile der Schrotmühle wurden restauriert und fügen sich nun optisch nahezu perfekt in die neu entstandenen Büroräume ein.
Immer wieder werden die weiß verputzten Wände von Ziegel-Details oder Rundungen des früheren Kamins unterbrochen. Der Berieselungskühler, der einst die Würze abkühlte, wird im Außenbereich als Brunnen zur Geltung kommen.
Am 1. September zieht das Steuerbüro ein, das bisher in Knetzgau beheimatet war. Olaf Ernst hat dann seinen Arbeitsplatz an seinem Wohnort. Bürgermeister Matthias Bäuerlein betonte bei einem Besuch auf der Baustelle, wie wichtig der Gemeinde Rauhenebrach solche Initiativen sind, schließlich wird ein wichtiges Gebäude mitten im Herzen von Untersteinbach mit neuem Leben erfüllt. Wenn sich jemand eines solchen Gebäudes annimmt, rennt er im Rathaus offene Türen ein. Auch die breite Öffentlichkeit kann sich ein Bild von dem wiederbelebten Gebäude machen, denn Olaf Ernst beteiligt sich am „Tag des offenen Denkmals“ und freut sich am 13. September über interessierte Besucher.
Rund 80 Jahre nach seiner Erbauung erstrahlt das Gebäude in neuem Glanz, ein beeindruckender Bau von einer schlichten, zweckmäßigen und doch auffälligen Architektur, die wohl dem Grundstückszuschnitt geschuldet war.
Dem Bezirksamt Haßfurt und dem Landbauamt Bad Kissingen gefiel das einst gar nicht: „Die Dachneigung und Dachfußbildung entsprechen nicht der heimischen Bauweise. Sehr störend wirkt auch das spitze Eck an der Seite“, heißt es in einem Schreiben vom Juni 1928.