Die Heinrich-Thein-Berufsschule macht mit einem Ausbildungsprogramm für Abiturienten, dem so genannten „Abiturientenmodell“, von sich reden und lockt damit junge Leute aus ganz Bayern in die Kreisstadt.
Durch eine verkürzte Ausbildung für Abiturienten erhalten Interessierte mit entsprechenden Abiturnoten die Chance, schnell und außergewöhnlich praxisnah die Kenntnisse für eine erfolgreiche Karriere in der IT-Branche zu erlangen. Sie werden in einer speziellen Klasse ausgebildet und sind währenddessen schon Mitarbeiter ihres Ausbildungsbetriebes.
Für Manuel Graf aus Würzburg ist dieses Angebot „eine sehr interessante Sache“. Er kam nach Haßfurt, um mehr darüber zu erfahren als er bereits im Internet recherchieren konnte. Mit Oliver Proske, dem zuständigen Ausbildungsberater der IHK, und Kathrin Berthelmann vom Unternehmen Apicon, einem Schweinfurter Softwareentwickler und ausbildenden Betrieb, hatte er zwei kompetente Ansprechpartner gefunden. „Ich habe von dieser neuen Ausbildungsvariante der Berufsschule Haßfurt erfahren“, sagte Graf, „habe sie bei Google eingegeben und bin so bei Herrn Proske gelandet.“ Das Treffen in der Haßfurter Berufsschule sollte ihm Aufklärung zum konkreten Ablauf und zu den Konditionen bringen.
„IT-Qualifiziert³ - das Abiturientenmodell“ lautet der beworbene Titel dieser in Haßfurt kreierten Ausbildungsmöglichkeit. Sie ist auf Abiturienten ausgerichtet, die bereits ab dem ersten Tag ihrer Ausbildung die Theorie mit der Praxis eng verbinden und im weiteren Verlauf mehr als nur eine Ausbildung absolvieren möchten. Neben jungen Menschen, die an IT Interesse haben, sind dafür Unternehmen erforderlich, die es als Vorteil für sich erkennen, kompetente und mit dem Betrieb verwurzelte Mitarbeiter heranzubilden. Im Gartenbau würde man das „Anzucht robuster Eigengewächse“ nennen. Der Vergleich ist legitim, denn die neue Ausbildungsform ist aufgrund der komprimierten Wissens- und Praxisvermittlung äußerst anspruchsvoll und dabei von Vorteil für beide Seiten, sowohl für den Auszubildenden als auch für den Ausbildungsbetrieb. Die IHK Würzburg-Schweinfurt schafft in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Thein-Schule die erforderlichen Voraussetzungen dafür. Das Modell setzt sich aus drei Bausteinen zusammen. Am Anfang steht die verkürzte Ausbildung zum „Fachinformatiker Anwendungsentwicklung“. Es folgt eine Weiterbildung zum „IT-Professional“ mit Erwerb der Ausbildereignung. Den dritten Baustein bildet die Erlangung wirtschaftsnaher SAP-Kenntnisse. Das geschieht in gut drei Jahren, denn nach dem Ausbildungsstart im September erfolgt im Herbst des Folgejahres die Zwischenprüfung und wiederum ein Jahr später im Sommer die IHK-Abschlussprüfung zum Fachinformatiker. Bereits während der Ausbildungszeit werden betriebswirtschaftliche Inhalte aus der Weiterbildungsphase parallel vermittelt, und zwei Monate nach dem Fachinformatiker-Abschluss, also insgesamt 26 Monate nach Ausbildungsbeginn, startet die Fachtheorie der Weiterbildung zum IT-Projektleiter. 38 Monate nach dem Start endet schließlich die erfolgreiche Aus- und Weiterbildung mit dem Abschluss als IT-Projektleiter. Das heißt, Abiturienten, die im September 2017 die neue IT-Ausbildung beginnen, haben bei erfolgreichem Verlauf im November 2020 einen Berufsabschluss plus einen dem Bachelor entsprechenden Abschluss in der Tasche.
Unter herkömmlichen Bedingungen werden für einen adäquaten Ausbildungsweg vier bis fünf Jahre benötigt. Die Vorteile der komprimierten Ausbildungsform liegen auf beiden Seiten. Während für den Auszubildenden die reduzierte Zeit und der hochwertige Abschluss attraktiv sind, können die ausbildenden Unternehmen zusätzlich qualifizierte und motivierte Bewerbungen generieren und zugleich künftige Führungskräfte mit Praxisbezug passgenau ausbilden. Dabei werden mit hoher Wahrscheinlichkeit besonders enge Bindungen zwischen Betrieb und Nachwuchskräften entstehen und zugleich qualifizierte Fachkräfte mit Ausbildereignung herangezogen. Interessant für die jungen Leute dürfte zudem die Zahlung einer Ausbildungsvergütung ab dem ersten Monat sein. Dass es das alles für eine Aus- und Weiterbildung mit Abschluss auf Qualifizierungsebene 6 (DQR) gibt, das ist innovativ und bisher in ganz Bayern einmalig. Es bleibt zu hoffen, dass IT-Unternehmen in ausreichender Zahl die Vorteile für sich erkennen und die vielversprechende Idee mit den motivierten Abiturienten in ihrer betrieblichen Praxis zusammen bringen.
Für die Haßfurter Berufsschulleiterin, Oberstudiendirektorin Heidrun Görtler, stellt sich die Frage nach dem Erfolg nicht. Sie äußerte sich gegenüber der Heimatzeitung optimistisch: „IT-Qualifiziert bietet den Unternehmen als Karriereprogramm eine spezielle Möglichkeit, Abiturienten als Fachkräfte zu gewinnen und bei entsprechenden Aufstiegschancen längerfristig zu binden.“ Die IT-Branche sei einer der innovativsten Wirtschaftsbereiche und biete jungen kreativen Köpfen vielversprechende Möglichkeiten, auch ohne Studium. „Wir bilden dafür eine eigene Fachklasse“, ergänzte Görtler. Damit werde es möglich, die äußerst komplexen Inhalte im kürzeren Zeitraum zu vermitteln.
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goertler.h@bs-hassfurt.de
oliver.proske@wuerzburg.ihk.de