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Zeil: Job zwischen Pferd und Reiter: Das macht den Beruf der Sattlerin so ungewöhnlich

Zeil

Job zwischen Pferd und Reiter: Das macht den Beruf der Sattlerin so ungewöhnlich

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    Seit fünf Jahren ist die 24-jährige Lisa Göb als Sattlerin bei Deuber & Partner tätig. Ein ungewöhnlicher und seltener Beruf, der ihr bis heute Freude bereitet. 
    Seit fünf Jahren ist die 24-jährige Lisa Göb als Sattlerin bei Deuber & Partner tätig. Ein ungewöhnlicher und seltener Beruf, der ihr bis heute Freude bereitet.  Foto: Nicole Schmidt

    Kfz-Mechatronikerin, Landmaschinenmechanikerin oder Hufschmiedin, diese drei Berufe hätte die 24-jährige Lisa Göb ebenfalls interessant gefunden, doch letztlich fiel ihre Wahl auf eine ebenso ungewöhnliche Ausbildung: Eine Lehre zur Sattlerin in der Sattlerei Deuber & Partner in Zeil, laut Handwerkskammer (HWK) einem von 67 Sattler- und Feintäschner-Betrieben in Unterfranken. So wie Lisa entscheiden sich aber nur wenige Menschen. Denn unterfrankenweit gab es nach Angaben der HWK in den vergangenen zehn Jahren nur jeweils fünf bis zehn Auszubildende.

    Lisas Entscheidung für die Ausbildung als Sattlerin ist bereits fünf Jahre her. Bereut hat sie sie nie, mittlerweile hat die junge Frau auch längst den Gesellenbrief in der Tasche. "Ich wollte immer handwerklich und körperlich aktiv sein", berichtet sie. Ein klassischer Bürojob, das sei nichts für sie. "Die Arbeit am Computer würde mich nicht erfüllen. Ich kann in meinem Beruf nachdenken und gleichzeitig etwas bauen und am Ende kann ich es vor mir auf den Tisch legen und weiß genau, dass ich das erschaffen habe." Das, sagt Lisa Göb, erfülle sie mit Stolz.

    Die Ausbildung zur Sattlerin war eine Zufallsentdeckung

    Erzählt Lisa Göb von ihrer täglichen Arbeit als Sattlerin, so wird ihre Leidenschaft für ihren Beruf deutlich. "Ich habe selbst Pferde und schon mein ganzes Leben mit Pferden zu tun", sagt sie. Durch ihren Beruf bekomme sie einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Zum Beispiel achte sie beim Schuhkauf mittlerweile auf die Verarbeitung der Nähte und könne einschätzen, ob diese hochwertig verarbeitet sind. 

    "Meine Mama hat mich auf den Beruf der Sattlerin aufmerksam gemacht. Auf Deuber bin ich nur durch Zufall gestoßen."

    Lisa Göb (Sattler-Gesellin bei Deuber und Partner) über ihren Weg zur Ausbildung

    Trotzdem war es nie ihr Kindheitstraum, als Sattlerin zu arbeiten. "Meine Mama hat mich auf diesen Beruf aufmerksam gemacht", gesteht sie, "auf Deuber bin ich nur durch Zufall gestoßen." Da sie selbst reitet, wusste sie als Jugendliche zwar, dass es Sattler und Sattlerinnen gibt, aber sie hätte damals nicht aktiv nach einer Ausbildung in diesem Bereich gesucht. Nachdem sie sich die Tätigkeit dann aber zur Probe angeschaut hat, merkte sie schnell: "Das ist meine Sache."

    Das wichtigste Werkzeug von Sattler und Sattlerinnen sind ihre Hände

    Während einige Sattler und Sattlerinnen den Sattel direkt am Pferd anpassen und in engen Kontakt mit den Tieren kommen, werden in Zeil keine Sattel gebaut. Der Kontakt zum Endkunden fällt dadurch weg. "Wir kriegen unsere Sattel geliefert", erklärt die Sattler-Gesellin. Zu Einzelanfertigungen komme es nur, wenn es spezielle Wünsche gibt, denen ihr Lieferant nicht nachkommen könne. Göbs tägliche Arbeit ist deshalb die Sattelreparatur, beispielsweise tausche sie die Hardware eines Sattels, wie das Kopfeisen oder die Steigbügelaufhängung, aus. Ferner entwickele sie neue Kissenformen oder schließe offene Nähte.

    Die Sattel (hier im Bild ein Barocksattel) werden von der Sattlerei Deuber & Partner nicht selbst gemacht. Ausgefallene Modelle, mit bunten Farben oder Verzierungen, gibt es selten.
    Die Sattel (hier im Bild ein Barocksattel) werden von der Sattlerei Deuber & Partner nicht selbst gemacht. Ausgefallene Modelle, mit bunten Farben oder Verzierungen, gibt es selten. Foto: Nicole Schmidt

    Je nachdem, was repariert werden muss, umfasst der Zeitaufwand pro Sattel 20 Minuten oder zwei Stunden, erzählt sie. Aufwendigere Reparaturen wie eine Sitzerneuerung können auch sechs bis sieben Stunden dauern. Bei einer Sitzerneuerung geht sie mittlerweile ganz routiniert vor: Nachdem die Arbeiten im Team verteilt werden, macht sie zunächst Bilder vom Sattel, damit sie weiß, wie dieser vorher aussah. Dann baut sie den Sattel auseinander und löst dazu laut eigener Aussage zunächst das Kissen, um an den Sitz zu kommen und auch diesen entfernen zu können. Im Anschluss schneidet sie den Schaumstoff und das Polsterleder zu, klebt beides fest und baut den Sattel wieder zusammen.

    "Die Sattlerei ist wirklich noch ein Handwerk. Es gibt viele Handwerksberufe, die mit dem Handwerk gar nicht mehr so viel zu tun haben."

    Marco Breitenbach (Werkstattleiter bei Deuber & Partner) über den Beruf des Sattlers

    Die Arbeit selbst erfolge mit den eigenen Händen, klärt Werkstattleiter Marco Breitenbach auf, der zunächst als Schreiner arbeitete und 2003 dann in seinen "Traumberuf" wechselte. "Es ist wirklich noch ein Handwerk. Es gibt viele Handwerksberufe, die eigentlich mit dem Handwerk gar nicht mehr so viel zu tun haben und sich in den letzten 50 bis 60 Jahren verändert haben." Als Beispiele nennt er Schreiner, die kaum noch mit der Handsäge arbeiten würden, oder Bäcker, die vermehrt Rührmaschinen einsetzten oder fertig Teige geliefert bekämen. Körperlich anstrengend sei der Beruf aber trotzdem nicht, "wir müssen maximal einen Sattel heben, es ist immer warm, außer die Heizung fällt mal aus und wir werden nicht nass", witzelt Breitenbach. Auch Schichtarbeit gebe es keine. 

    Ungewöhnliche Farben und Muster sind eine Seltenheit

    Auf die Frage, ob sie auch an ausgefallenen Pferdesatteln arbeiteten, erwidert Göb: "Man sieht schon, dass von den Farbtönen her alles sehr schlicht ist, aber kürzlich hatten wir einen englischen Sattel, der komplett grün war. Das ist schon gewagt, das sieht man selten." Auch ein Sattel mit einem Muster aus Pferdeköpfen sei ihr schon begegnet, während Marco Breitenbach sich unter anderem an einen rosa Pferdesattel erinnert. Generell seien alle Sattel, die nicht schwarz oder braun sind, außergewöhnlich. Auffällige Farben und Muster würden vor allem von Freizeitreitern und -reiterinnen nachgefragt, nicht aber von Reitsportlern und -reitsportlerinnen. 

    "Ein Sattel ist nicht gleich ein Sattel. Es gibt ganz viele Reitweisen und Sattel, die dazugehören."

    Marco Breitenbach (Werkstattleiter von Deuber & Partner) über den Beruf des Sattlers.

    Dennoch sei auch in ihrem Beruf Kreativität gefragt, insbesondere bei aufwendigeren Sattel-Reparaturen, die nicht der Norm entsprechen. "Ich habe zum Beispiel aktuell eine Reparatur, da sind zwei Teile kaputtgegangen, die ich nun austauschen muss", erklärt Göb, "aber dieser Sattel ist sehr, sehr alt – ich glaube, bestimmt 15 bis 20 Jahre – und ich habe den so noch nie bearbeitet." Jedoch bekomme jeder Sattler und jede Sattlerin irgendwann ein Verständnis dafür, wie bei solchen Reparaturen vorgegangen werden muss.

    Zu den täglichen Aufgaben von Sattler-Gesellin Lisa Göb gehört unter anderem die Reperatur von Pferdesatteln, beispielsweise schließe sie offene Nähte oder tausche kaputte Materialen aus. 
    Zu den täglichen Aufgaben von Sattler-Gesellin Lisa Göb gehört unter anderem die Reperatur von Pferdesatteln, beispielsweise schließe sie offene Nähte oder tausche kaputte Materialen aus.  Foto: Nicole Schmidt

    Es sind aber auch diese fordernden Aufgaben, die der Sattler-Gesellin am meisten Spaß machen, weil sie sich "anders reindenken kann und auch muss." Während Marco Breitenbach betont: "Ein Sattel ist nicht gleich ein Sattel. Es gibt ganz viele Reitweisen und Sattel, die dazugehören. Es gibt nicht nur Western, Barock und Englisch, das alles wird noch einmal unterteilt. Da kann man sich schon austoben und kreativ sein." 

    Der Fachkräftemangel ist auch im Sattler-Handwerk spürbar

    Ein Abitur brauche es zwar nicht, so der Werkstattleiter, aber neben Interesse am Handwerk sollten Bewerber und Bewerberinnen pünktlich und diszipliniert sein. "Man kann einen Lehrling, der gerade mal zwei Wochen da ist, nicht gleich an die Nähmaschine lassen oder bestimmte Werkzeuge bedienen lassen, das muss Stück für Stück erlernt werden", führt er aus. Zudem sollten Interessierte mit einem Hammer umgehen können und handwerkliches Geschick aufweisen.

    Aktuell spüre auch ihr Unternehmen den Fachkräftemangel enorm. So bräuchte Deuber & Partner laut Breitenbach dringend noch ein bis zwei weitere Sattler. Besonders beliebt sei der Beruf bei Frauen, "wir hatten in den letzten fünf bis sieben Jahren keine einzige männliche Bewerbung". Der Werkstattleiter führe dies darauf zurück, dass kaum einer wisse, dass man den Beruf erlernen könne und in der betreffenden Altersspanne (14 bis 16 Jahre) vorrangig Mädchen reiten würden.

    Die Ausbildung dauert drei Jahre. Im ersten Jahr, so berichtet Lisa Göb, lernten Auszubildende die gleichen Grundlagen wie Fahrzeug- und Handtaschensattler, weshalb sie beispielsweise auch selbst Kissenbezüge genäht hat, danach erfolge eine Differenzierung. Der schönste Moment während ihrer Ausbildung war, als sie Aufgaben komplett alleine bewältigen konnte, sagt sie. Obwohl es sich um einen selten Beruf handelt, sehe sie für Interessierte auch eine Zukunft, denn im Anschluss können Sattler und Sattlerinnen als Gesellen und Gesellinnen in unterschiedlichen Betrieben arbeiten und sich durch Fortbildungen weiter spezialisieren.

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