(wa) Schmusen, ja, das kennt man. Aber was ist ein „Schmuser“?
Nur noch die Älteren unter uns wissen: Ein Schmuser, so nannte man früher einen Heiratsvermittler. Und zwar einen, der beruflich bedingt viel in der Gegend herumkam und das Vermittlungsgeschäft quasi nebenbei betrieb.
Johanna und Gerhard Hagenbucher aus Westheim, beide 79 Jahre alt, erzählten unserem Reporter, wie vormals die Brautschau ablief. Unsere Altvorderen heirateten häufig jemanden, der im gleichen Dorf oder im Nachbarort wohnte. Also sozusagen über den Misthaufen. „Heirat'st über'n Mist, dann weißt du, wen du kriegst!“ hieß es.
Was aber, wenn partout kein passendes Gegenstück in Sicht war und die Dirn auf die 30 zuging und damit „überständig“ wurde? Dann trat der Schmuser auf den Plan, um der Liebe auf die Sprünge zu helfen. Das, sagen die Hagenbuchers, waren oft Viehhändler, die häufig unterwegs waren und sich auf den Bauernhöfen in der Umgebung auskannten, manchmal verstanden sich auch Hausierer oder Pfarrer auf dieses spezielle Geschäft.
Dass es sich gar nicht so selten beim Schmuser um einen jüdischen Händler handelte, bestätigt der Ebener Hansfried Nickel, Vorsitzender des Fördervereins der Synagoge Memmelsdorf. Da man die Juden nicht in die Handwerkszünfte aufnahm, wurde das Handeln zu ihrem „Kerngeschäft“.
Tatsächlich ist „schmusen“ ein jiddischer Ausdruck, der aus dem Hebräischen stammt. Die Bezeichnung verweist darauf, dass der Makler im vertraulichen Vermittlungsgespräch den möglichen Kandidaten oder die Maid oft erst „schmackhaft“, also schönreden oder eben zuschmusen musste. Eine Zwangsheirat aber, bei der die Brautleute überhaupt nicht gefragt wurden und einander nicht kannten, gab es nicht.
Der Schmuser selbst musste schon was draufhaben. Menschenkenntnis, Redegewandtheit und eine gehörige Portion Schlitzohrigkeit waren da gefragt – bauernschlau musste er sein, um es mit einem Wort zu sagen. Genau wie heute war es damals alles andere als einfach, dass sich die richtigen Partner fürs Leben fanden.
Um die Verbindung anzubahnen, boten sich die Schmuser zusätzlich als Übermittler diskreter Botschaften an. Zuverlässig nahmen sie Liebesbriefe in Empfang und lieferten sie beim Adressaten ab – so funktionierte die Flirt-Hotline anno dazumal. Was heutzutage als selbstverständliche Voraussetzung gilt, nämlich die Herzklopfen verursachende frei gewählte Liebe, das war damals nicht unbedingt notwendig. Da reichte den Heiratswilligen meistens die gegenseitige Sympathie und Zuneigung, „die Liebe kommt mit der Zeit von alleine“, sagte man.
Wichtiger war, dass die „Rahmenbedingungen“, zusammenpassten. Dass Braut und Bräutigam die gleiche Konfession hatten, war ein absolutes Muss. Fast genau so wichtig war der Gleichklang der wirtschaftlichen Verhältnisse. So erwartete etwa ein allein stehender Bauernsohn von seiner Auserwählten, dass sie durch eine anständige Mitgift die „Sach“, also den gesamten bäuerlichen Betrieb, beträchtlich aufwertete.
Die gewieften Schmuser arbeiteten in aller Regel nicht für Gotteslohn. Bei erfolgreicher Vermittlung steckte man ihnen verstohlen ein erkleckliches Schmusgeld zu. Da ließ man sich nicht lumpen. Ob die Eheleute einer solchen arrangierten Heirat auf Dauer unglücklicher waren als bei einer Liebesheirat? Angesichts der aktuellen Rekordzahlen bei Ehescheidungen darf man das bezweifeln.