Das Strafverfahren gegen das Hallstadter Pfarrersehepaar war für diese Redaktion Anlass, im bayerischen Justizministerium nach dessen Position zum Kirchenasyl nachzufragen. Sprecher Florian Lindemann gab diese Antworten:
Frage: Offensichtlich gibt es nur in Bayern Gerichtsverfahren gegen Pfarrer und Ordensleute, die aus Gewissensgründen Kirchenasyl gewähren. Als oberster Dienstherr der Staatsanwälte könnte Justizminister Georg Eisenreich diese Praxis zu Gunsten der Beklagten ändern. Warum tut er das nicht?
Justizministerium: Das Kirchenasyl ist Ausdruck des humanitären Engagements der Kirchen für geflüchtete Menschen. Aber auch ein von ehrenwerten Motiven getragenes Engagement muss sich in einem Rechtsstaat an das geltende Recht halten.
Jedes Kirchenasyl wird den Behörden gemeldet, es ist kein Untertauchen der Schutzsuchenden. Soll das bisher bundesweit als Ultima ratio geduldete Kirchenasyl in Bayern durch restriktive Maßnahmen endgültig aus der Welt geschafft werden?
Justizministerium: Nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts München – Entscheidung vom 3. Mai 2018 – entfällt bei Gewährung von Kirchenasyl eine Strafbarkeit grundsätzlich nur dann, wenn sich die Kirchen an eine entsprechende Grundsatzvereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie der evangelischen und katholischen Kirchen von 2015 halten. In diesem Fall findet keine Strafverfolgung statt. Wenn sich Geistliche über diese Vereinbarung hinwegsetzen, ist die Staatsanwaltschaft nach dieser Rechtsprechung und nach dem aus § 152 Absatz 2 Strafprozessordnung folgenden Legalitätsprinzip verpflichtet, die Sache zu verfolgen. Dasselbe gilt, wenn Geistliche Kirchenasyl in Fällen gewähren, für die die Vereinbarung gar nicht gilt.
Den Kirchen ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 3. Mai 2018 bekannt.
Welche Alternativen haben Asylbewerber zum Kirchenasyl, die trotz humanitärer Härten abgeschoben werden sollen?
Justizministerium: Für diese Frage ist das Bayerische Staatsministerium des Inneren, für Sport und Integration zuständig, ich vermittle dessen Antwort auf Ihre Frage:
Personen, die als Asylbewerber oder Flüchtling nach Europa kommen, können nicht nach Belieben wählen, wo sie in der Europäischen Union Asyl beantragen. Hier sind die Regeln der sog. Dublin-III-Verordnung der EU einzuhalten. Die Dublin-III-Verordnung regelt, welcher Staat für die Prüfung eines im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates gestellten Asylantrags zuständig ist. Damit soll verhindert werden, dass Asylbewerber im grenzfreien Schengen-Raum gleichzeitig oder nacheinander Asylanträge in mehreren Mitgliedstaaten stellen. Reist der Asylbewerber trotzdem in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellt erneut einen Asylantrag, ist dieser bereits auf Grund der Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaats unzulässig. Der Asylbewerber muss in diesem Fall die Bundesrepublik Deutschland wieder verlassen.
Unabhängig von unzumutbaren Härten für den Asylbewerber?
Justizministerium: Die Dublin-III-Verordnung sieht mit dem Zuständigkeitsübergang im Fall sogenannter systemischer Mängel in den Asyl- und Aufnahmesystemen anderer Mitgliedstaaten sowie dem Selbsteintritt humanitäre Reaktionsmöglichkeiten vor. Das Vorliegen solcher Gründe prüft das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) unter Heranziehung und Würdigung von Erkenntnismitteln und hierzu ergangenen Rechtsprechung. Die Entscheidung des BAMF kann der Betroffene vor den Verwaltungsgerichten überprüfen lassen. Die Überprüfung humanitärer Härten ist daher gesetzlich geregelt, verfahrensmäßig umgesetzt und gerichtlich überprüfbar. Für weitere gesetzliche Alternativen besteht daher kein Grund.
Die Praxis zeigt aber, dass es in Einzelfällen Ausnahmen geben muss, nicht wahr?
Justizministerium: Das Kirchenasyl stellt in unserer Rechtsordnung kein eigenständiges, neben dem Rechtsstaat stehendes Institut dar. Es wird als Ausdruck einer christlich-humanitären Tradition respektiert. Genau dies liegt der Vereinbarung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und Vertretern der katholischen und evangelischen Kirchen aus dem Jahr 2015 zugrunde. In begründbaren Ausnahmefällen soll nochmals eine zwischen Kirche und dem BAMF gesteuerte, lösungsorientierte Einzelfallprüfung auf der Grundlage geltenden Rechts stattfinden. Mit diesem sogenannten Dossierverfahren wird vom BAMF für den Einzelfall nochmals gesondert geprüft, ob und gegebenfalls warum es für die betroffene Person individuell unzumutbar ist, ihr Asylverfahren in dem zuständigen Mitgliedstaat durchzuführen. Ergibt die nochmalige Überprüfung durch das BAMF das Vorliegen einer besonderen, unverhältnismäßigen Härte, wird das Selbsteintrittsrecht ausgeübt. Dann wird der Antrag des Asylbewerbers vom BAMF im regulären nationalen Verfahren geprüft und entschieden.
Das Interview führte Marion Krüger-Hundrup