Er muss nicht lange suchen, bis er fündig wird. „Eins – zwei – drei“ zählt Franz Eder und deutet mit seinem Messer auf die hellen Flecken auf der alten Eiche. Sonnendurchflutet steht sie am Waldrand zwischen den Riedbacher Orten Mechenried, Kleinsteinach und Kleinmünster. Bei der Zahl „sechs“ bricht er ab und sagt. „Hier haben wir alles, jedes Stadium: Eier – und Raupen, die sich schon auf den Weg machen.“ Mit dem Zeigefinger kratzt Forstfachmann Eder vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt ein wenig an dem vermeintlich hellen Fleck am Stamm und es kommt Leben in den Flaum: zig kleine Raupen kommen in Aufruhr, lassen sich an Fäden zu Boden fallen oder versuchen wegzukrabbeln.
Fraßgift per Hubschrauber
„Die Zeit drängt, bei diesem Wetter umso mehr“, sagt Eder und meint damit: die kleinen Raupen, Schwammspinner, werden in wenigen Tagen das tun, was ihrem Naturell entspricht. Fressen, bis sie das X-fache ihrer jetzigen Größe erreicht haben. Anders als in den vergangenen Jahren werden sie dies heuer massenhaft tun. So die Prognosen der Forstbehörden. Deshalb soll Anfang Mai eine Bekämpfungsaktion starten. Per Hubschrauber wird ein Fraßgift versprüht. Im Hofheimer Bereich auf einer Fläche von rund 100 Hektar.
Raupen, die dem Wald, im speziellen den Eichen, ans Grün gehen, gibt es etliche. Eichenwickler oder Frostspanner etwa. Doch deren Hunger endet rechtzeitig, dass etwa der sogenannten „Johannis-Trieb“ der Eichen unbehelligt bleibt und so die Bäume mit diesem zweiten Austrieb überstehen können. Anders ist dies beim Schwammspinner, so Franz Eder. Die Raupe, die bis zu sieben Zentimeter lang wird, frist auch den Johannis-Trieb. Was bedeuten kann, dass schwächere Eichen dies nicht überstehen.
Was grün ist, ist Nahrungsquelle
Und ist oben auf dem Baum alles kahl gefressen, geht's am Faden und per Wind zum nächsten Baum oder es geht am Boden weiter. Alles, was grün ist, ist für den Schwammspinner Nahrungsquelle. Büsche, aber natürlich auch das, worauf die Forstleute immer besonders wert legen: die Naturverjüngung, die jungen Pflanzen. Franz Eder hat im Nu auf dem Waldboden Beispiele gefunden: Feldahorn, Hainbuche und etliche junge Kirschen. „Der Wald verjüngt sich“, so Eder. Aber solche junge Pflanzen dürften wohl nur wenig Chancen haben, wenn sie einmal alle Blätter verloren haben.
Bekämpft werden soll der Schwammspinner Anfang Mai, so Eder. Besprüht wird allerdings nicht mehr mit Dimilin, wie dies noch vor Jahren geschah, sondern mit Mimic. Dies ist ebenfalls ein Fraßgift, die Raupen nehmen es über die benetzten Blätter auf. Mimic wird auch im Obst- und Weinbau eingesetzt. Es ist ein Häutungsbeschleuniger, der Schwammspinnerlarven vorzeitig aus der Haut fahren lässt, die während des Wachstums ihre Haut mehrfach erneuern müssen. Während des Sprühvorgangs durch den Hubschrauber ist das Waldstück gesperrt, vom Waldrand und zu Gewässern müssen 25 Meter Abstand eingehalten werden. Geflogen wird voraussichtlich in den Morgenstunden und abends, zu Zeiten, in denen es normalerweise windstill ist. Per GPS gesteuert, werden die Hubschrauber über Fläche fliegen.
Immer öfter Kahlfraß?
Die aktuelle Schädlingsvermehrung gilt auch als Folge des Hitzejahres 2015. Durch den Klimawandel scheinen Kahlfraß-Phasen häufiger aufzutreten, der nächste Höhepunkt wird für 2019 erwartet, hieß es jetzt bei einem Ortstermin des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt mit Förstern und Waldbesitzern, zusammen mit dem Bereichsleiter Forsten, Stephan Thierfelder.
Das Zauberwort heißt, so Thierfelder, „Waldumbau", mit Verjüngung und Durchmischung der Eichenwälder. Auch Blühstreifen könnten Entlastung bringen: zur Förderung von Raubwespen, die ebenso gerne an Nektar wie Raupen naschen. „Pflanzenschutzmittel sind immer nur eine Notfallmaßnahme", betont der Vertreter des Forstamts. Aktuell hätte man, wie 2011, gerne noch einmal das Auslaufmodell Dimilin verwendet, mit einer Ausnahmegenehmigung. Der technisch bewährte, aber ökologisch umstrittene Häutungshemmer wurde aber mittlerweile vom Markt genommen. Schon im letzten Jahr lief bei Geldersheim eine Versuchsbekämpfung mit Mimic.
Deutlich ist die Position des Bund Naturschutz, wenn es um den Einsatz des Fraßgiftes zur Bekämpfung des Schwammspinners geht, so Klaus Mandery, Vorsitzender des Bund Naturschutz im Landkreis. Mandery: „Wir sind dagegen“, dies gelte für den Landesverband genauso wie für die Kreisgruppe Haßberge. Der Grund: „Weil jede Menge andere Organismen mit getötet werden“. Und Mandery gibt außerdem zu bedenken: Mit dem Einsatz des Fraßgiftes, wären zudem Wasserorganismen betroffen. Ausführlich will der Bund Naturschutz seine Position in den nächsten Tagen darlegen, so Mandery.
Eder und Thierfelder kennen die Bedenken des Naturschutzes. Es ist ein Abwägungsprozess, sagt Eder und fügt an: „Tatenlos zusehen und sagen, die Natur heilt das wieder“, das könne man nicht, auch nicht angesichts der Tatsache, dass dadurch der Umbau zu einem gesunden Mischwald erschwert werde.
„Notfallmaßnahme“
Und auch für Thierfelder bedeutet der geplante Einsatz: „Es ist eine Notfallmaßnahme“. Warum es in diesem Jahr erneut zu einer so massenhaften Vermehrung gekommen ist, dass in Baumwipfeln der Kahlfraß droht? Der Schwammspinner ist immer da, aber offenbar schaukelt sich der Bestand alle rund zehn Jahre so auf, dass „eine kritische Dichte“ erreicht wird, so Franz Eder. Diese Dichte hatten die Stichproben belegt.
Und vielleicht ist die Situation auch ein Stück weit dem Klimawandel geschuldet. Franz Eder blickt zurück: in einem Lehrbuch aus den 1950er Jahren ist der Schwammspinner zwar erwähnt, allerdings mit dem Zusatz „unbedeutend“.